Kann ein Pfarrer einen Psychiater ersetzen?
In schwierigen Lebenssituationen ist es wichtig, sich jemandem anzuvertrauen. Ob das auch etwa ein Geistlicher sein kann, hängt von den Umständen ab.
BEZIRK (afl). Pfarrer Reinhold Dessl ist Abt des Stiftes Wilhering und Seelsorger in Gramastetten und Eidenberg. Für ihn ist diese Frage keine des "Oders". "Jeder Bereich hat seine Berechtigung, sowohl Pfarrer als auch Psychiater können Menschen in bestimmten Lebenssituationen helfen, und jeder von beiden hat auch seine Grenzen", sagt Dessl. So kann der Pfarrer vom Psychiater profitieren und umgekehrt.
Mit Wahn zum Psychiater
"Religiöse Wahnvorstellungen etwa sind eher ein Fall für den Psychiater als für den Geistlichen", nennt Dessl ein Beispiel. Wenn es aber um religiös begründete Unsicherheiten geht, könne auch einmal ein Psychiater einen Hilfesuchenden an den Pfarrer verweisen. Klar ist für den Seelsorger allerdings: "Wenn es um eine echte psychische Krankheit geht, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden."
Ergänzung statt Konkurrenz
Sehr ähnlich schätzt der Linzer Psychiater und Psychotherapeut Thomas Schützenhofer die Situation ein: "Grundsätzlich sehe ich einen Pfarrer nicht als Konkurrent zu meiner professionellen Arbeit", sieht er die Angelegenheit pragmatisch. "Wenn jemand für sich selbst einen guten Zugang zu Spiritualität hat beziehungsweise sehr religiös ist, kann ein Geistlicher durchaus eine Vertrauensperson sein, die bei persönlichen Problemen hilft." Wie für Pfarrer Reinhold Dessl ist für Schützenhofer aber klar: "Wenn es um Angstzustände, Lebensüberdruss oder Suizidgedanken geht, wenn Schlafstörungen, körperliche Symptome oder sozialer Rückzug dazukommen, dann sollte unbedingt die professionelle Hilfe eines Psychiaters in Anspruch genommen werden."
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