Im Backhäusl versteckt
Das Ende des Zweiten Weltkrieges jährt sich im Mai zum 70. Mal. Viele waren 1945 auf der Flucht.
ALBERNDORF (fog). Eine außergewöhnliche Flüchtlingsgeschichte trug sich bei der sogenannten Brücklmühle in Steinbach in der Gemeinde Alberndorf zu.
Die damals sechsjährige Ingeborg Lohner floh 1945, wenige Wochen vor Kriegsende, mit ihrer deutschen Mutter vom damaligen Lundenburg an der Thaya, dem heutigen Beclav in Tschechien. "Die Stadt brannte lichterloh", erzählte Ingeborg Lohner (76) später. In der Nähe von Kefermarkt wurde der Zug mit den Flüchtlingen bombardiert. Mutter und Tochter Lohner überlebten als eine der wenigen. Erschöpft und ausgehungert wurden die beiden von der Lattl-Bäuerin in Steinbach versorgt. Müller Michael Stadler, er starb 1977 90-jährig, von der nahen Brücklmühle nahm sie später auf. Er war für seine Großzügigkeit und Güte bekannt. Viele Flüchtlinge und heimkehrende Soldaten wurden vom sogenannten "Müllervater" verköstigt und durften sich hier ausruhen. Ingeborg Lohner: "Er spielte am Abend Dame und Mühle mit mir, tanzte mit mir den Fleckerlwalzer und schnitzte Holzschuhe. Es war die glücklichste Zeit meiner Kindheit."
Suche nach der Mühle
Ingeborg Lohner startete später eine Karriere bei der Europäischen Union. Ihre berufliche Tätigkeit führte sie in die USA, Kanada und Latein- amerika. Drei Jahre nach ihrer Pensionierung im Jahr 2003 entschloss sie sich Brüssel zu verlassen und sich in Krems niederzulassen. Wieder zurück in Österreich, wollte sie den Ort ihrer Kindheit aufsuchen. Sie wußte nur, dass die Mühle in der Nähe von Gallneukirchen liegen müsste und dass sie in Steinbach zur Schule ging.
In Krems hatten sie ihr gesagt, auf der Landkarte gebe es kein Steinbach, sondern nur ein Schweinbach. Ihre Mutter konnte sie nicht mehr fragen, weil sie 1987 gestorben war.
Ingeborg Lohner machte sich im August 2007 auf den Weg, wie sie später niederschrieb: "Ich fuhr mit dem Zug nach Linz und mit dem Bus weiter nach Gallneukirchen. Es war Mittag und die Sonne brannte teuflisch. Kein Mensch war auf dem Marktplatz. Ich ging in das kleine Terrassen-Café. Ältere Männer standen an der Theke. Ich erzählte ihnen, dass ich eine Mühle mit Sägewerk suchen würde, wo ich vor 62 Jahren als Flüchtlingskind gewohnt hätte. Sie sagten, dass es heute kaum mehr Mühlen gibt. Ich sollte am besten an der Gusen entlang in Richtung Schweinbach gehen."
Taxifahrt nach Steinbach
Lohner ahnte, dass sie in die falsche Richtung ging, weil das Gusental immer weiter wurde. Die Brücklmühle in Steinbach, so erinnerte sie sich, liege in einem viel engeren Tal.
Als sie eine junge Mutter in Schweinbach fragte, ob sie Steinbach kenne, sagte diese: "Ja sicher, auf der anderen Seite von Gallneukirchen." Dann setzte sie sich in ein Taxi und fuhr in Richtung Steinbach. Als sie bei der Brücklmühle vorbeikamen, erkannte sie das Haus nicht gleich, weil es umgebaut wurde und auch die Säge nicht mehr dabei war. Nur an das kleine Backhäusl erinnerte sie sich. "Da hat uns der Müllervater vor den Russen versteckt."
Ingeborg Lohner läutete bei der Haustür. Eine ältere Frau öffnete die Tür. "Entschuldigen Sie bitte, dass ich störe, aber ich war vor 62 Jahren als Flüchtlingskind ein Jahr lang sehr glücklich in diesem Haus." Darauf die Frau: "Die Inge Lohner." Darauf die Zurückgekehrte: "Das sind Sie, das Mitzerl." Maria Schmidinger, auch "Mitzerl" genannt, ist die Tochter des alten Müllers. Sogar die Taxifahrerin soll bei dieser Wiedersehensszene zu Tränen gerührt gewesen sein. Ingeborg Lohner kommt nun öfter zu der Familie Schmidinger nach Steinbach. Beim Backhäuslfest wird Brot gebacken, wie zu "Müllervaters" Zeiten.
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