Pflegeeltern helfen Eltern

„Raffael hat unter unseren Kindern seinen Platz gefunden“, sagt Gabriele S. über ihren Pflegesohn. | Foto: privat
  • „Raffael hat unter unseren Kindern seinen Platz gefunden“, sagt Gabriele S. über ihren Pflegesohn.
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BEZIRK. Wenn Eltern den Bedürfnissen ihrer Kinder nicht mehr im notwendigen Ausmaß nachkommen können, werden Pflegeeltern mit der Pflege und Erziehung von Kindern durch die Jugendwohlfahrt betraut. So war es auch beim inzwischen 19-jährigen Raffael W.

Redaktion:Wie kam es, dass Ihre Aufnahme in eine Pflegefamilie Thema wurde?
Raffael: Ich bin vor fünf Jahren in die Pflegefamilie gekommen. Damals waren meine Eltern schon vier Jahre getrennt. Der Versuch, bei meinem Vater zu leben, misslang, wir konnten beide mit dieser Situation nicht umgehen. Obwohl ich in dieser Zeit an den Wochenenden wieder oft bei meiner Mutter war, konnte ich auch zu ihr nicht mehr zurück. Rückblickend gesehen war meine Familie überfordert mit der Situation und deshalb kam ich in die Pflegefamilie.

Wie war es für Sie, in einer anderen Familie aufgenommen zu werden?
Zuerst hab ich mir gedacht, wo bin ich da gelandet? Es war eine ziemliche Umstellung, weil das Umfeld ganz anders war. Ich musste mich völlig neu orientieren. Dann erkannte ich aber, dass mir nichts Besseres passieren hätte können. Es war für mich hart, als ich erkennen musste, dass ich nicht mehr bei den Eltern leben konnte. Durch die neuen Kontakte in der gerade gestarteten Firmgruppe und die leiblichen Kinder der Pflegeeltern konnte ich mir schnell einen Freundeskreis aufbauen.Beim ersten Weihnachtsfest wusste ich, dass ich in der Pflegefamilie bleiben möchte. Ich erlebte, wie Familie auch gelebt werden kann, und wollte darauf nicht mehr verzichten.

Was hat sich für Sie seither verändert?
Zusammenhalt ist für mich wichtiger geworden. Es war mir immer wichtig, dass es den Personen in meinem Umfeld gut geht. Jetzt habe ich auch gelernt eigene Ziele zu entwickeln, auf mich selbst und nicht nur auf andere zu schauen. Ich habe zu viel Verantwortung auch für meine Eltern übernommen, die ich nicht tragen konnte.

Welche Pläne haben Sie für Ihr Leben?
Pläne habe ich viele. Ich möchte meine Lehre als Kfz-Techniker positiv abschließen. Ich möchte eine eigene Wohnung, mit meinen Finanzen gut umgehen und mir Geld sparen.

Wie ist der Kontakt zu Ihren Eltern?
Ich habe jetzt regelmäßige Kontakte mit meinen Eltern. Mit meinem Auto kann ich sie spontan besuchen, wenn ich möchte. Ich habe jetzt eine bessere Beziehung zu meinen Eltern als früher.

Gabriele, wie kam es, dass Ihre Familie auch eine Pflegefamilie wurde?
Gabriele S.: Es ist aus einer Notsituation entstanden, Raffael ist uns sozusagen „zugefallen“. Ich bin Religions- und Sonderschullehrerin und unterrichtete Raffael in Religion. Wir Lehrer haben seine schwierige Situation hautnah miterlebt. Er war gut integriert und uns allen ans Herz gewachsen. Die Schule war seine einzige Stabilität. Deshalb entschieden ich, mein Mann und meine Kinder, dass Raffael zu uns kommen kann. Wir sprangen ein, weil niemand anderer da war.

Was hat Sie motiviert, Solidarität in dieser Form mit anderen Menschen zu leben?
Wir sind ein offenes Haus. Im Sommer kann es auch vorkommen, dass 20 Jugendliche bei uns sind. Meinem Mann und mir ist es wichtig, das Leben zu teilen.

Was hat sich für Ihre Familie seither verändert?
Unser Leben ändert sich ständig. Wir haben vier leibliche Söhne und bereits Enkelkinder, sind deshalb viel in Veränderung. Die Aufnahme von Raffael war für alle Beteiligten eine Herausforderung, ein bereichernder gemeinsamer Lernprozess.

Wie ging es Ihren Kindern mit dieser neuen Situation?

Für unsere Kinder war es selbstverständlich, dass Raffael bei uns bleiben konnte, sie haben ihn genauso wie mein Mann und ich in die Familie aufgenommen. Es gab kaum Eifersüchteleien. Das große soziale Netzwerk, in dem wir leben, trug diese neue Situation mit. Raffael hat unter unseren Kindern seinen Platz gefunden.

Wie gestaltet sich der Kontakt mit den Eltern?

Ich habe den Kontakt zu den leiblichen Eltern immer unter-stützt. Es gab jedoch eine Phase, in der Raffael den Kontakt zu seiner Mutter abbrach. Schon ganz am Beginn signalisierte die leibliche Mutter mir gegenüber ihre Erleichterung, dass Raffael bei uns sein kann, da sie nicht so für ihn sorgen konnte, wie er es gebraucht hätte.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt?
Die Zusammenarbeit funktioniert gut und ist unkompliziert. Wenn ich etwas brauche, dann kann ich jederzeit anrufen. Ich finde es gut, dass Raffael auch nach der Volljährigkeit weiterhin Unterstützung und Begleitung durch die Jugendwohlfahrt erhält.

ZUR SACHE
Die Jugendwohlfahrt für den Bezirk Vöcklabruck sucht laufend Familien, die sich bereit erklären, ein Pflegekind aufzunehmen. Informationen dazu gibt es bei Marianne Herzog, Alexandra Ecker und Josef Scheipl, Tel. 07672/702-422.

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