"Wie in China": Deutlich weniger Frauen als Männer im Bezirk
Im Bezirk Waidhofen gibt es zu wenige Frauen. Forscher rätseln über die Ursachen
BEZIRK WAIDHOFEN. Da staunt selbst der Doktor der Geographie: Im Bezirk Waidhofen gibt es zu wenige Frauen! Josef Baum ist Geograph und Ökonom, arbeitet an der Universität Wien und lebt in der Gemeinde Gastern. Er hat sich jetzt die Bevölkerungszahlen im Bezirk genauer angesehen und kommt zu einem verblüffenden Ergebnis: Es gibt im Bezirk sieben Prozent mehr Männer als Frauen im erwerbsfähigen Alter. "Das ist jedenfalls eine Dimension des Ungleichgewichts der Geschlechter, wie man sie aus China oder Indien kennt, mit diversen negativen Folgen", sagt Baum.
Kurioses Ungleichgewicht
Die Zahl der Männlein und Weiblein im Bezirk bis 15 Jahre ist fast gleich groß. "Wenig überraschend", wie Baum erklärt. Doch dann fällt das Verhältnis stark zu Ungunsten der Frauen: im Alter von 15 bis 60 Jahren gibt es einen Überschuss von rund 500 Männern im Bezirk. Erst im Alter über 60 kippt das Verhältnis wieder zugunsten der Frauen, aber auch das überrascht den Wissenschaftler nicht - das liegt an der höheren Lebenserwartung in der Damenwelt. Kurios: Im Ballungsraum Waidhofen ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern ausgewogen. Das Phänomen scheint sich auf die ländlichen Gebiete des Bezirks zu beschränken.
Über die Ursachen kann auch der Wissenschaftler nur Vermutungen anstellen: Baum geht davon aus, dass junge Frauen stärker abwandern als junge Männer. "Jüngere Frauen fühlen sich offenbar durch patriarchal geprägte Umgangs- und Verhaltensformen mehr beschränkt, und können ihnen in kleineren Orten eben schwerer entkommen beziehungsweise sehen ihre Chancen hier geringer."
Landflucht und Rollenklischees
Martha Weber ist Genderforscherin aus Kautzen und hat mehrere Erklärungsansätze für den Frauenmangel im Bezirk. So seien die traditionellen Geschlechterrollen in Städten nicht so stark ausgeprägt wie am Land, was viele Frauen anziehe. "Natürlich gibt es auch ökonomische Gründe. Die Unterschiede im Verdienst sind am Land noch größer als in der Stadt", erklärt Weber.
"Normalerweise sind Frauen mit Kindern eher ihrem Standort treu, aber auch das trifft, ähnlich wie in der Steiermark, auf das Waldviertel nicht mehr zu". Das liege, so Weber, am löchrigen Kinderbetreuungsnetz. "Gerade gut ausgebildete Frauen bleiben nicht fünf bis sechs Jahre bei den Kindern zuhause, weil sie sonst den Anschluss verlieren".
Ganz so weit wie Baum die Erklärung in den Umgangsformen der Männer zu suchen möchte Weber nicht gehen, aber: "Natürlich sind die traditionell verfestigten Rollenklischees bei uns stärker, aber das ist ja keine Bösartigkeit".
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