Wiener Werkstättenhof: Hier trifft historisch auf kreativ
Im mehr als 100 Jahre alten Werkstättenhof arbeiten Filmemacher neben Konditoren und Mechatronikern.
Es gibt Gebäude, die Geschichte ausstrahlen. Sie sind direkt in der Nachbarschaft. Oft geht man an ihnen vorbei und ignoriert sie. Dabei warten durchaus imposante Industriedenkmäler darauf, entdeckt und wahrgenommen zu werden.
Der Werkstättenhof in der Mollardgasse 85a ist so ein Fall. 1908 wurde er errichtet, um Geschäftslokale und Wohnflächen, insbesondere für Handwerker zu bieten. 150 Werkstätten und 40 Wohnungen hatten ursprünglich dort Platz. Heute beherbergt das denkmalgeschützte Haus 50 Betriebe aus Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung und Kreativsektor.
Viel Luft zum Nachdenken
In seiner über einhundert-jährigen Geschichte hat der Werkstättenhof einiges erlebt. Zeugnis dafür ist unter anderem eine Gedenktafel für Reinhold Duschka an der Einfahrt in den Innenhof. Duschka hatte während des Nationalsozialismus eine Werkstätte in der Mollardgasse 85. Während des zweiten Weltkrieges versteckte er dort die jüdische Chemikerin Regina Steinig und ihre elf-jährige Tochter Lucia. Unter Lebensgefahr besorgte er ihnen Nahrung, Kleidung, und Lehrbücher für Lucia. Der Staat Israel nahm Duschka aus Dank in die Liste der „Gerechten unter den Völkern“ auf.
Heute hat sich eine bunte Mischung im Werkstättenhof angesiedelt. Neben Tischlern, einem Mechatroniker und einer Konditorei befindet sich im vierten Stock die Lotus Film GmbH. „Ich habe mir immer ein Büro mit großer Decke nach oben gewünscht, damit ich Luft zum nachdenken habe“ erzählt Peter Wirthensohn, einer der führenden Köpfe des Unternehmens: „dieses Haus erfüllt mein Bedürfnis auf ganz tolle Weise.“
Mit den Büros der Lotus Film beherbergt der Werkstättenhof eines der Kreativzentren der österreichischen Filmbranche. „Wir haben unter anderem den Oberösterreich Landkrimi mit Josef Hader produziert,“ erzählt Tommy Pridning, der mit seinem Kollegen Wirthensohn durch die Büroräume führt. Bevor er im Fernsehen gezeigt wurde, lief er in Oberösterreich im Kino. Über 20.000 Leute haben ihn sich angesehen. Im Fernsehen 840.000 Menschen erreicht. Das war der erfolgreichste Landkrimi.“
Glawoggers letztes Werk
Pridnig und Wirthensohn sind vom Ambiente des Werkstättenhofes begeistert. „Wir lieben es hier. Die Nachbarn sind toll. Jeden Sommer veranstalten wir gemeinsam ein Hoffest,“ sagt Wirthensohn. „Aber auch die Anbindung ist für uns super. Viele wichtigen Unternehmen und Partner, wie zum Beispiel der Filmfinanzierungsfonds, sind in unserer Nähe. Die sind alle nur einen kurzen Fußmarsch entfernt.“ Gleichzeitig sei das Gebäude nicht überfüllt, meinen die Filmschaffenden: „Die historische Bausubstanz hat großen Charme. Und auch die Verkehrsanbindung ist toll,“ sagt Pridnig.
Derzeit bereiten sich die Kreativen der Lotus Film auf die Weltpremiere ihres neuen Films „Untitled“ in Berlin vor. Hierbei handelt es sich um den letzten Film des 2014 in Liberia verstorbenen österreichischen Filmemachers Michael Glowagger. Ebenfalls im März sollen die Dreharbeiten für den Film „Erik – Weltmeisterin“ in Kärnten beginnen.
Die Zukunft des Werkstättenhofes scheint also gesichert. Er ist damit weit mehr als ein Denkmal vergangener Zeiten, sondern ein Zentrum für moderne Gewerbebetriebe vor einer historisch wertvollen Kulisse.
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