"Zukunft mitverantworten": Die Alten zeigen wos lang geht
Da die Jugend für den eigenen Geschmack etwas zu passiv agiert, nimmt man als Organisation von acht Pensionisten das Ruder selbst in die Hand.
WIEDEN. Jung, umtriebig, aufmüpfig, revolutionär: Über Jahrhunderte galt die junge Generation eines Landes als die treibende Kraft hinter sozialen Veränderungen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Was sich jedoch aktuell beobachten lasse, sei eine lethargische Jugend, eine vollkommen vom Individualismus durchdrungene und dem Wettbewerb verhaftete Generation, welche gesellschaftliche Missstände zwar erkennt, jedoch mit stiller Akzeptanz einfach hinnehme, so Peter Degischer. Und wenn die Jungen nicht mehr wollen, "müssen wir auf unsere alten Tage noch mal die Revolution vorbereiten", schmunzelt der 72-Jährige.
Mit Blick auf eine wachsende Schere zwischen Arm und Reich, einer Dominanz der Finanzwelt und zunehmendem Rückbau demokratischer Rechte, gründete man vor zwei Jahren die Organisation "Zukunft mitverantworten". Als Organisation von acht Pensionisten und Pensionistinnen, alle mit jahrelanger Erfahrung im Bereich Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, trifft man sich einmal monatlich in der Zukunftshandlung in der Wiedner Hauptstraße 60b, diskutiert und debattiert und fungiert als "die Denkpartie für eventuelle Aktionen".
"Meine Generation ist auf der Butterseite aufgewachsen"
Angefangen habe man mit einem Blog, auf welchem "Angehörige der Nachkriegs- und 68er-Generation" Beiträge zu Umverteilung, Steuerreform oder ökologischen Themen verfassten, erklärt Degischer. Schnell musste man jedoch feststellen, dass eine Art "Generationenentfremdung" stattgefunden habe, die "Alten" von den "Jungen" eigentlich überhaupt nichts wissen - und umgekehrt. In Anlehnung an ein Projekt des Instituts für Jugendkulturforschung arbeitet man aktuell an Erkenntnissen über soziale Beziehungen zwischen den beiden Generationen. Mit einer gewissen Sorge über die eigenen Kinder und Enkelkinder, wolle man versuchen, die folgende Generation wieder vermehrt einzubinden. "Meine Generation ist auf der Butterseite aufgewachsen" - und das solle auch für die Künftige gelten, so Degischer. Deshalb wolle man "quer über alle Generationen zur Diskussion anregen".
Sorge bereitet ihm dabei die "Übermacht der Konzerne, die Dominanz der Finanzindustrie" und Vertreter von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, welche nach wie vor "abgehobenen Ideologien" nacheifern - auf Kosten der Bevölkerung. Als eine Generation für die es ständig nur besser wurde, "können wir da nicht zuschauen", erklärt Degischer. Großen Wert legt man daher auf die "Demokratisierung aller Ebenen", von der Politik im Bezirk bis hin zu globalen Handelsbeziehungen. Als Verein "Zukunft mitverantworten" verschreibe man sich dabei weniger dem politischen Aktionismus, als vielmehr der Denkarbeit dahinter. "Bevor man etwas tut, muss man wissen, was man will", so der 72-Jährige.
"Solang's geht, mach ich weiter"
Und was man will, ist das "gute Leben für alle", erklärt Degischer. Das umfasse zumindest die "Grundbedürfnisse eines jeden", also ausreichend Lebensmittel, Wohnraum und Gesundheit. Derzeit jedoch, so Degischer, werde eindeutig an der falschen Stelle gespart, während man darüber diskutiere Sozialleistungen zu kürzen, wolle man Steuererleichterungen für Großkonzerne. Dass man dann noch "die Mittelschicht gegen die noch Ärmeren" ausspiele, sei dann noch das Tüpfelchen auf dem I, so Degischer.
Nun müssten es also wieder die Alten richten - und, dass Degischer weiß wie's geht ist schwer von der Hand zu weisen: Schon als Student war er in Hochschulvertretung aktiv, übte sich beruflich mehrmals als Betriebsrat im Arbeitskampf und arbeitete mehr als drei Jahre als Lehrer in einem Entwicklungshilfeprogramm in Südamerika. Und das Thema soziales Engagement wird dem ehemaligen Professor der TU-Wien, welcher 2008 noch mit der Heyn-Denkmünze ausgezeichnet wurde, wird den 72-Jährigen wohl auch noch eine Weile begleiten: "Solang's geht, mach ich weiter".
Zur Sache:
Die Agenda Wieden dient sozialen Institutionen im 4. und 5. Bezirk, wie dem Verein "Zukunft mitverantworten", als Dachorganisation. Infos zu Veranstaltungen sowie diverse Blogeinträge auf zukunfmitverantworten.org
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