Schreibwettbewerb der BezirksZeitung
"Ein Fall für Harper Stones" von Luzia
Luzia aus Döbling hat mit dieser Geschichte beim Schreibwettbewerb der BezirksZeitung teilgenommen.
WIEN/DÖBLING. Der Nebel, der aufgrund des Regens am Vortag über die Nacht aufgezogen war, lichtete sich langsam und gab den Blick auf eine fast menschenleere Straße frei. Aber nur fast. An eine der Backsteinmauern gelehnt lag eine Gestalt. Blut tropfte vom Gesicht des Mannes als er die Augen aufschlug. In der Ferne konnte man das Läuten von Glocken hören. Sein Blick schweifte verwirrt über seine Umgebung. Das Kopfsteinpflaster war wegen des Regens noch feucht und glänzte matt im Licht der aufgehenden Sonne. Neben ihm lag die braun-graue Haube, die er vermutlich am Vorabend getragen hatte. Hastig nahm er sie und versuchte sich, das Gesicht schmerzverzerrt, aufzurichten. Auf einmal durchbrach ein schriller Schrei die Stille. Eine ältere Dame eilte auf ihn zu.
Die Tür zu der kleinen Detektei wurde aufgerissen und eine junge Frau betrat das Zimmer nach Luft schnappend als hätte sie einen Sprint hingelegt. Die soeben noch über einen Stapel Papiere gebeugte nicht viel ältere Frau strich sich ihre dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und blickte mit ihren olivengrünen Augen über den Rand ihrer Brille fragend zu ihrer Assistentin auf. Auf einem Schild auf dem von Dokumenten bedeckten Tisch stand in Großbuchstaben: HARPER STONES. Die junge Frau (deren Namen übrigens Julia Williams war) sprudelte los. „In der Nähe des Stephansdoms - eine ältere Dame hat einen Mann gefunden! Er hat eine halbmondförmige Kopfwunde und kann sich an nichts mehr erinnern. Die Polizei denkt, dass es sich um einen Überfall handelt. Vermutlich ein Mordversuch!“, beendete sie ihren Wortschwall. Harper hob eine Augenbraue, worauf Julia nur die Augen verdrehte.
Ihr war klar, dass sie alles verstanden hatte und es etwas anderes war wonach sie fragen würde. Noch immer schwer atmend fügte sie schließlich hinzu: „Die Polizei braucht Ihre Hilfe.“ Darauf grinste die Detektivin amüsiert. „Na, worauf warten wir denn dann?“, rief sie fröhlich, bevor sie sich erhob und, ihre Assistentin im Schlepptau, das Büro verließ. „Wo genau wurde er gefunden?“ fragte sie noch immer lächelnd wärend ihre Assistentin seufzte und ihr den genauen Straßennamen nannte.
Die Polizei hatte die Straße abgesperrt, um keine möglichen Hinweise zu verlieren. Einige Passanten richteten ihre neugierigen Blicke auf die Gruppe an Uniformierten, die gerade eine ältere Frau befragten. Auf einmal verstummten die Polizisten und ihre Köpfe drehten sich der Person auf der anderen Seite der Straße zu, die nun auf sie zu ging. Sie kannten die Detektivin nur zu gut. Die meisten warfen ihr nur genervte Blicke zu, wissend was sie erwarten würde. „Wobei soll ich euch dieses Mal helfen?“, fragte sie mit gespielter Sorge in ihrer Stimme. „Willkommen! Wir haben sie bereits erwartet Mrs.Stones!“, rief ein Mann, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, scheinbar fröhlich über ihre Ankunft, doch in seiner Stimme lag etwas Provokantes. „Bitte lassen sie sich einfach nur einmal umsehen.“ Julie, die wohl unbemerkt dazugestoßen war, warf den umstehenden Polizisten und Polizistinnen flehende Blicke zu. „Selbstverständlich“ meinte eine junge Polizistin und entschuldigte sich ebenfalls für das Verhalten ihres Kollegen.
Harper stand eine Zeit lang bewegungslos in der Mitte der Straße und konzentrierte sich auf die Umgebung. Ein Stapel Kisten stand an eine Hauswand gelehnt, daneben ein umgefallener Sack Karotten. „Ihr habt das „Opfer“ sicherlich schon befragt. Was sagte er?“, erkundigte sich Harper bei den Polizisten, ohne sich zu ihnen umzudrehen. „Er war am Vorabend mit einigen seiner Freunde in einer Kneipe.“, erklärte eine Polizistin. „Er hatte sich kurz vor Mitternacht auf den Heimweg begeben. Alles danach, meinte er, wäre Filmriss“. „Du meintest er hätte eine halbmondförmige Wunde am Kopf, korrekt?“, fragte die Detektivin nun an ihre Assistentin gewandt. „Korrekt.“ Harper ging neben den umgefallenen Sack in die Hocke. Einige der Karotten hatten deutliche Bissspuren. Die grünen Augen der jungen Frau suchten konzentriert das Kopfsteinpflaster ab.
Nach einer Weile streckte sie einen Arm aus und hob ein kurzes, weißes Haar auf. „Es wird nicht zufällig seit gestern ein Pferd vermisst, oder? Wahrscheinlich ein Schimmel?“, fragte sie wärend sie sich grinsend aufrichtete. „Was?“, die Polizistin sah sie verwirrt an. „Bei einem der Fiaker war das Pferd nicht richtig eingespannt. Es wurde nervös und rannte weg. Da traf es auf den Mann, der heute gefunden wurde. Er muss versucht haben sich zu verteidigen. Das Pferd war verängstigt und hat nach ihm ausgeschlagen. Die halbmondförmige Wunde stammte von einem Hufeisen. Er fiel gegen die Wand und hatte vermutlich eine Gehirnerschütterung. Früher oder später wird das Pferd Wasser brauchen. Ich schlage deshalb vor, ihr fangt mit der Suche beim Donaukanal an. Fall gelöst!“, beendete sie ihre Rede und schwang ihre freie Hand wie mit einem Zauberstab.
Die Umstehenden, am Geschehen Beteiligten, starrten sie verdutzt an als sie einem der Polizisten das Haar in die Hand drückte und anschließend ohne ein weiteres Wort davonstolzierte. Natürlich wie immer gefolgt von ihrer Assistentin, die ihnen noch entschuldigende Blicke zuwarf, bevor sie ebenfalls die Gasse verließ.
Noch an demselben Tag, in der Detektei, erhielten sie einen Anruf, um sie zu informieren, dass ihre Vermutung richtig war und das Pferd gefunden wurde, worauf die Detektivin mit einem etwas beleidigten „Natürlich hatte ich recht!“ antwortete.
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