Ein Tag am Notarzthubschrauber

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WIENER NEUSTADT. 05:50 morgens, die Sonne ist zwar schon aufgegangen aber versteckt sich hinter einer Wolkendecke. Ich nähere mich dem gelben Stützpunkt des Christophorus 3, Notarzthubschrauber des ÖAMTC und stationiert am Flugfeld Ost in Wiener Neustadt. Gedanklich noch ein wenig im Bett unter der warmen Decke, betrete ich das Gelände. Das große Schiebetor ist bereits geöffnet und der gelbe Hubschrauber vom Typ Eurocopter 135 strahlt mich an. Flugretter Grassmann Gerhard ist bereits munter beim morgendlichen Check. Mit einem festen Händedruck begrüßt er mich, man merkt gleich, dass er am Berg zuhause ist. Flugretter, an Bord auch in der Funktion als Flugsanitäter, müssen an diesem Stützpunkt auch eine Ausbildung zum Bergretter absolviert haben.
Ohne große Umstände starten wir gleich mit der täglichen Kontrolle des Materials. Der Innenraum offenbart sich als recht kleiner Raum, in dem alles seinen fixen Platz hat. Im Prinzip ist dieser Helikopter eine kleine Intensivstation, für die Versorgung von schwer erkrankten bis hin zu schwer verletzten Personen findet sich alles in diesem Raum.
Geräte zur Überwachung des Herzschlags, Maschinen, welche die Beatmung komplett übernehmen können, Material mit dem verletzte Personen stabilisiert werden können und Medikamente die den Menschen in Notfällen helfen können, alles befindet sich in diesem sogenannten „Patientenraum“.

Mittlerweile sind auch Notarzt Dr. Henrik Fischer und Pilot Captain Thorsten Kremsner eingetroffen und gemeinsam wird der Hubschrauber einsatzbereit gemacht.
Der Pilot, gibt mir eine ausführliche Einführung, Dinge die man im Umgang mit Hubschraubern allgemein beachten muss, wie der Hubschrauber aufgebaut ist und wie ein Einsatz üblicherweise abläuft.
Dann wird erstmal gefrühstückt, denn aus der Erfahrung der Crew lässt sich heraushören, dass man „lieber jetzt was essen soll, wer weiß wann man dann wieder dazukommt“.

Während des Frühstücks werden vergangene Einsätze besprochen und noch ein bißchen entspannt. Im Schnitt fliegt Christophorus Drei 3-5 Einsätze pro Tag und nachdem man nie vorhersagen kann wann etwas passiert, ist es ratsam gestärkt in den Tag zu gehen.

Pilot und Stützpunktleiter Thorsten Kremsner hat bereits die Wetterlage gecheckt. Mittels Internet und aktuellen Bilder von der Austro-Control hat er Überblick über das Einsatzgebiet, das sich im Prinzip zwischen den Bundesländern befindet. Haupteinsatzgebiet ist mit rund 74 % aber Niederösterreich, wobei auch immer wieder ins Burgenland, in die Steiermark oder nach Wien geflogen wird. „Je nachdem wo der nächste verfügbare Helikopter stationiert ist, wird man alarmiert“ so Kremsner.
Österreichweit gibt es 16 Standorte für die gelbe Huschrauberflotte des ÖAMTC, saisonal - also v.a im Winter - auch mehr, besonders im Gebirge.

Da bisher kein Einsatz gekommen ist, habe ich nun Zeit mir den Hubschrauber und sein Innenleben genauer anzuschauen. Flugretter Gerhard Grassmann zeigt mir das Equipment und welches Material im Helikopter wo gelagert wird. In zwei Rucksäcken sind die allerwichtigsten Dinge für den Notfallort kompakt verstaut. Von Medikamenten für Kreislaufprobleme, Allergien bis hin zu Narkose-Mittel, alles ist in einem kleinen Täschchen verpackt. Daneben finden sich noch diverse andere nützliche Dinge, Verbandsmaterial, Beatmungsschläuche, Blutdruckmanschette und vieles mehr. Flugretter Gerhard erzählt ein bißchen über die Arbeit am Hubschrauber. „Es ist schon ziemlich anstrengend und nicht zu unterschätzen. Teilweise fliegt man 8 Einsätze pro Tag, einige davon mit alpinem Charakter. Hierbei wird der Flugretter an die Unterseite des Hubschrauber „gehängt“ und mit einem variablem Tau (bis zu 60 Meter lang) zum Notfallort geflogen.
Er erzählt von spektakulären Einsätzen, bei denen der Einsatzort sehr eng und die Situation sehr schwierig war.
Auch die Piloten müssen immer wieder Präzisionsarbeit leisten und den Hubschrauber durch enge Passagen steuern, oder die Flugretter an einem der erwähnten Seile in kleinste Felsspalten ablassen.

Noch immer kein Einsatz, scheint heute ein ruhiger Tag zu sein: „Mit mir im Dienst ist es immer sehr ruhig“ meint Notarzt Dr. Henrik Fischer. Wir unterhalten uns ein bißchen über seine Tätigkeit, auf meine Frage wieso hauptsächlich Anästhesisten am Hubschrauber arbeiten: „Vor allem im Bezug auf Notfall-Beatmung und Kreislauf-Management haben die Anästhesisten durch ihre Arbeit im Krankenhaus einen großen Vorteil“

Prinzipiell arbeiten die meisten Flugretter und Notärzte gelegentlich am Helikopter, in heutigen Fall ist der Flugretter aber Angestellter beim ÖAMTC.
„Die Arbeit hier macht man nicht wegen dem Geld“ meint Gerhard Grassmann, „man macht es weil es einem taugt und weil man die Arbeit an sich schätzt“. Dienstzeit am Christophorus 3 Stützpunkt ist im Normalfall von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, im Sommer allerdings von 6 Uhr morgens an.

Der Pager schlägt Alarm, auf einmal piepsen 4 Geräte zugleich...Einsatz. Jetzt geht alles recht schnell. Flugretter ist schon beim Heli, ich warte auf den Notarzt, setze mich nach ihm in den Hubschrauber, der Pilot lässt die Maschinen an. Den letzten Außenbordcheck kurz vor dem Abflug macht nochmal der Flugretter, während der Rest des Teams schon im Heli sitzt. Schließlich steigt auch er ein, die Rotoren heulen auf, der Helikopter hebt sich in die Lüfte. Die insgesamt 1400 PS starken Turbinen lassen das Fluggerät innerhalb von kürzester Zeit in die Höhe steigen. Leicht ruckelnd setzt sich der Hubschrauber in Bewegung und nimmt schnell an Geschwindigkeit auf. Ein bodengebundener Notarztwagen hat Verstärkung durch Christophorus Drei angefordert. Mit 220km/h geht es Richtung Notfallort. Was vor Ort passiert ist erfahren wir ungefähr durch die Leitstelle Niederösterreich. Auf halbem Weg wird per Funk ein „Storno“ durchgegeben, also Abbruch des Einsatzes. Sofort macht der Helikopter eine Kehrtwende, die Fenster neigen sich fast paralell zum Boden und der Pilot steuert den Heli zurück zum Stützpunkt. Mit einer punktgenauen Landung setzen wir wieder sanft am Stützpunkt auf - ein kurzes aber tolles Flugerlebnis. Was vor Ort genau passiert ist, erfährt man nur bruchstückhaft...

Wieder zurück am Stützpunkt wird nachgetankt und wie bei fast jedem Job gibt es natürlich auch Papierarbeit zu erledigen, in dem Fall elektronisch. Jeder Einsatz wird genauestens in ein Computerprogramm eingetragen, dient also einerseits zur medizinischen Dokumentation als auch zur Verrechnung. Die Krankenkasse wollen eine genaue Dokumentation um entscheiden zu können, ob der Einsatz gezahlt wird oder nicht. Unfälle im alpinen Bereich zahlt die gewöhnliche Krankenversicherung nämlich nicht. Sobald man sich im alpinen Gelände bewegt sollte man irgendeine Form von Versicherung haben, denn es kommt gar nicht selten vor, dass Urlauber oder Touristen am Berg verunglücken und keine entsprechende Versicherung haben. „Das wird dann natürlich schwierig mit der Verrechnung, weil man nicht weiß wo man nun die Rechnung hinschicken soll.“ so Captain Kremsner.

Abermals schlägt der Pager Alarm. Verkehrsunfall A2 Krumbach, weitere Einsatzkräfte sind unterwegs. Wieder geht alles schnell. Einsteigen, angurten, Außenbordcheck und wir heben schon wieder ab. Dieses Mal geht es mit 250km/h Richtung Autobahn, während des Fluges wird mit der Leitstelle und den anderen Einsatzkräften gefunkt. Nach 8 Minuten Flugzeit erreichen wir die Einsatzstelle, am Straßenrand steht ein zerbeultes Auto und ein Rettungswagen ist bereits vor Ort. Da die Autobahn noch nicht abgesperrt ist, kreisen wir um die Unfallstelle herum und warten auf erste Berichte vom Fahrzeug am Boden. Die Polizei gibt uns mit Handsignalen zu verstehen, dass wir nicht benötigt werden. Wir müssen aber noch die Meldung von den Rettungskräften abwarten : „Christophorus 3, kein Einsatz erforderlich, das ist ein Storno für euch...“ kommt es über Funk. Schon wieder nichts. Abermals dreht der Pilot um und wir düsen Richtung Stützpunkt zurück.
Wieder punktgenaue Landung auf der Basis und wieder Computerarbeit.

Unterdessen hat ein anderer, in Wien stationierter Hubschrauber ein Kind in ein nahegelegenes Spital geflogen. „Das war ein Einsatz mit einem Kind, das sind Einsätze die wünscht man sich eh nicht“ meint Flugretter Grassmann. Einsätze bei denen Kinder betroffen sind, stellen sicherlich eine der größten Belastungen für die Crew dar. Kann man gut nachvollziehen, wenn man sich vorstellt, dass das eigene Kind betroffen ist

Zum dritten Mal in diesem Tag schlägt der Pager Alarm. „Sturz aus extremer Höhe, mehr als 20 Meter“ ist der Einsatzcode. Es geht Richtung Rax. Mit abermals 220 km/h geht es über Hügel und Wälder, im schnellen bergab in das Höllental. Die Crew entdeckt ein paar Leute und ein Polizeiauto, die schon vor Ort sind. Eine einge Straße führt entlang eines Flusses Richtung Tal. Wir entdecken die Unfallstelle, aber wo landen? Einige Minuten lang kreist Pilot Kremsner das Fluggerät über der Einsatzstelle umher. Er etnschließt sich zur Landung unmittelbar an der Stelle des Unfalles. Über eine Brücke und einen engen Wandersteig gelangen ich mit Notarzt und Flugretter zum Patienten: ein älterer Herr hat beim Wandern das Gleichgewicht verloren und ist gute 15 Meter einen steilen Abhang herabgerutscht und mit dem Kopf aufgeschlagen, er hat starke Schmerzen in Knie und Ellbogen. Notarzt henrik Fischer versichert sich zuerst einmal ob der Patient ausreichend Luft bekommt und einen stabilen Kreislauf hat. Schon wird der Zugang in die Armebuege gelegt und die Infusion angehängt, der Patient bekommt auch ein starkes Schmerzmittel. Flugretter Grassmann murmelt schon: „Da werden wir wohl mit dem Tau bergen müssen, anders geht´s nicht.“
Während die Rettungsmannschaft vor Ort gemeinsam mit dem Notarzt den Patienten versorgt, läuft der Flugretter zurück zum Hubschrauber. Er packt die Bergungs-Seile aus, der Hubschrauber starter, bleibt etwa 1,5 Meter über dem Boden schweben, der Flugretter klinkt sich mit dem Seil an die spezielle Halterung und der Heli hebt ab. Unten am Seil schwebend, ca. 20m vom Hubschrauber entfernt, fliegen Sie zur Einsatzstelle, der Flugretter nähert sich vorsichtig dem Boden. In dieser Phase ist die Kommunikation zwischen Pilot und Flugretter extrem wichtig, exakte Angaben und klare Kommandos müssen gegeben werden.
Der Patient wurd bereits in einen Bergesack gebracht, dieser wird nun zum Flugretter dazu an das Bergeseil geklinkt. Alles nochmal kontrolliert und der Heli hebt wieder ab. Flugretter und Patient werden am Seil fixiert zu einem vereinbarten Zwischenlandeplatz gebracht, Notarzt Fischer und ich werden mit dem Rettungsauto hingeführt. Der Hubschrauber ist auf einem Sportplatz gelandet, der Patient wird umgelagert, nochmals mit einem Schmerzmittel versorgt und in den Hubschrauber geladen. Es geht ihm dank der Medikamente schon ein wenig besser. Die Unfallabeilung im Krankenhaus Neunkirchen ist bereits informiert. Alle wieder im Heli und wir heben ab Richtung Neunkirchen. Im Spital angekommen, wird der Patient vom diensthabenden Arzt übernommen, Pilot Kremsner lässt die Rotoren laufen und wir fliegen zurück zum Stützpunkt. Beim Auftanken strahlt der Flugretter: „solche Einsätze, besonders da dem Patienten nichts gröberes passiert, sind eine wirklich tolle Herausforderung, sicherlich eine der Gründe wieso ich den Job hier mache.“
Die verbrauchten Materalien werden nachgefüllt, der Hubschrauber ist wieder einsatzbereit. Das wars aber für den Tag, es folgt kein weiterer Einsatz. Pilot Kremsner, holt sich Schlauch und Putzmittel und im Abendlicht der untergehenden Sonne putzt er gemütlich das Fluggerät. Ich plaudere noch mit der Crew, ein gemeinsames Foto vor dem Hubschrauber noch und dann, um 9 Uhr abends, verlasse ich den Stützpunkt des Notarzt-Hubschraubers.
Ein spannender Tag geht zu Ende, die Eindrücke des Fliegens und der Einsätze werden sicher noch lange in den Gedanken bleiben. Ein gutes Gefühl, wenn die gelben Retter aus der Luft kommen...

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