Handwerk im Wandel

- Bgm. Ing. Johann Müllner, Josef Steiner, Bezirksinnungsmeister Ernst Rabl, Dr. Friedrich Polleroß, Josef Wallenberger und Johann Leidenfrost (v.l.).
- Foto: privat
- hochgeladen von Bernhard Schabauer
Diskussion und Ausstellung in Neupölla
NEUPÖLLA. Im Rahmen der Sonderausstellung „100 Jahre Tischlerei Zimmerl – Polleroß. Geschichte einer Waldviertler Familie“ fand am 25. Mai im Gasthaus Hörndl in Neupölla eine Podiums- und Publikumsdiskussion zum Thema „Handwerk im Wandel“ statt. Bgm. Ing. Johann Müllner konnte unter den Gästen u.a. Vizebürgermeister Günther Kröpfl und P. Joachim Zitka, den Pfarrer von Obermeisling, begrüßen. Diskussionsleiter Dr. Friedrich Polleroß wies einleitend darauf hin, dass das Thema eine familiär-persönliche, eine regionale und eine gesamtwirtschaftliche Ebene habe. Vier Fachleute beleuchteten dann aus unterschiedlicher Perspektive die Thematik, wobei sowohl vergangene als auch zukünftige Aspekte angesprochen wurden. Der frühere Tischlergeselle Johann Steiner erinnerte an die 1970er Jahre als es im Waldviertel einen Boom für Bautischler gegeben hatte. Dennoch hat er sich 1980 für den Wechsel in einen Landesbetrieb entschieden, weil dies mehr Sicherheit versprach. Der pensionierte Bindermeister und Poolerzeuger Johann Leidenfrost (seine Vorfahren waren ab 1859 Binder in Neupölla und ab 1948 in Eggenburg) schilderte die Anfänge der Kunststoffbotticherzeugung um 1970, die als Ersatz für die rückläufige Holzfässerproduktion angesehen wurde. Dabei hatte man aber viel experimentiert und auf Gesundheit und Umweltschutz noch kaum geachtet. Der Einbruch durch die Weinkrise führte schließlich zu völligen Umstellung des Betriebes auf Schwimmbäder. Der Tischler- und Bezirksinnungsmeister Ernst Rabl aus Zwettl, dessen Betrieb seit 1956 existiert, verwies einerseits auf relative Stabilität von 100 Tischlereien im Bezirk, deren Waldviertler Qualitätsarbeit auch in Wien sehr geschätzt werde. Andererseits zeigte er die Veränderung des Berufsbildes durch eine vierjährige Lehre zum „Computertischler“ auf. Regionalberater Josef Wallenberger aus Horn beleuchtete schließlich die großen Rahmenbedingungen: das Waldviertel hat seit 1951 40.000 Bewohner und damit auch Kunden verloren. Dennoch zeichne sich jetzt ein mittelfristiger Facharbeitermangel ab. Während er die Entwicklung für das Waldviertel auch unter dem Druck der Ökologie als günstig einschätzte, wurde in der sehr emotional geführten Diskussion aus dem Publikum von Unternehmerseite die mangelhafte Qualifikation der Lehrlinge, von Arbeitnehmerseite hingegen die mangelhafte Bezahlung kritisiert. Ebenso kontrovers wurden die europäischen und globalen Einflüsse beurteilt bis hin zur rein maschinellen Möbelproduktion. Das Handwerk wird also auch in der nächsten Generation einem großen Wandel unterzogen werden, aber leider reagiere die von der Lehrergewerkschaft blockierte Schulpolitik nicht auf die Herausforderungen der Zeit. Die Sonderausstellung im Ersten österreichischen Museum für Alltagsgeschichte beleuchtet hingegen den Wandel des Tischlerhandwerks in den letzten hundert Jahren am Beispiel der Familie Zimmerl-Polleroß. Dabei werden die Veränderungen des Möbeldesigns ebenso vorgeführt wie die politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung ist bis 15. August jeden Sonn- und Feiertag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.


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