Ivana Zdravkova im Interview:
"Sänger sind Kämpfer!"
Ivana Zdravkova, die aktuell an der Bühne Baden gefeierte"Micaëla" in Carmen, spricht im Interview (auch) über die gesundheitlichen Aspekte des Sängerberufes.
BEZIRKSBLÄTTER: Sie werden gerade als „Micaëla“ in der Badener Carmen-Inszenierung gefeiert. Doch nach der zweiten Vorstellung haben Sie starke Schmerzen im oberen Rückenbereich bekommen. Das bringt mich zur Frage: Wie herausfordernd ist das Singen für den ganzen Körper? Welche Teile des Körpers sind dafür besonders wichtig?
IVANA ZDRAVKOVA: Ja, die Premiere war magisch und ich habe mich über den tollen Applaus und die positive Kritik in den Zeitungen sehr gefreut! Wir alle wollen beim Singen immer die beste Leistung bringen. Dafür müssen wir aber einige Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Wir brauchen einen freien Körper, Wirbelsäule, Nacken, einen gesunden Hals und Stimmbänder sowie einen gesunden Magen und einen Kopf, der frei von belastende Gedanken ist, um Top-Leistung zu bringen.
Was war für Sie in der Partie der "Micaëla" besonders herausfordernd?
Es ist sehr viel in der Mittellage geschrieben, ich musste darauf achten, nicht stimmlich bei den Übergängen zu ermüden. Psychisch war es schwierig, in der Realität aus der Rolle des scheuen kleinen Mädchens wieder herauszukommen.
Das führt mich zur nächsten Frage: Wieviel Micaëla steckt eigentlich in Ivana?
Sehr viel! Dieses zurückgezogene, bodenständige, scheue und gut aufgezogene junge Frau, die mit einem starken Glauben an Gott als ihren Beschützer sehr mutig durchs Leben geht, kenne ich sehr wohl. Ich bin sie immer gewesen.
Welche Probleme entstehen beim solistischen Singen, wenn der Körper nicht 100% fit ist? Ich nehme an, für Chorsänger:innen ist das nicht so dramatisch.
Also wenn Nacken und Rücken verspannt sind, könnte es zu begrenzten Bewegungen und zu Problemen beim freien Ein- und Ausatmen kommen. Das ist das Wichtigste beim Singen.
Ich kann mich erinnern, dass ich vor der ersten Probe mit Bühnenorchester zur "Nacht in Venedig" mit schiefen Schultern aufgewacht bin. Ich dachte damals, ich könnnte sicher nicht singen. Ich habe dann einige physische Übungen gemacht und dann langsam mich eingesungen. Und als ich dann zur Probe erschienen bin und angefangen habe zu singen, war es, als ob es nie ein Problem gab. Wir müssen auch gut ausgeschlafen sein, weil Müdigkeit die Stimme schlecht beeinflusst. Worüber man auch wenig spricht, ist bei den Frauen der Monatszyklus. Denn vor oder während der "Tage" schwellen oft die Stimmbänder, und es fühlt sich an, als ob die Stimme weg ist, egal wie viel man gibt. Trotz allem: Solisten müssen singen, um zu verdienen, sonst verlieren sie ihre Gage. Fix Engagierte oder Chorsänger haben es in dieser Hinsicht besser..
Wie halten Sie sich generell für die solistische Herausforderung fit? Gibt es ein tägliches Programm, das Sie vorbeugend absolvieren?
Am Tag des Vorstellungs schaue ich, dass ich ausreichend ausgeschlafen bin, dass ich nicht viel außer das Nötigste an dem Tag mache, mich geistig entspanne, in die Natur gehe oder mit Tieren spiele und gut esse.
Spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle?
Ja der Ernährung spielt auch eine Rolle für die Sänger. Beispielsweise verursachen Milchprodukte Schleim, und es ist schwer für die Stimmbänder frei zu vibrieren. Auch schlecht verdauliches Essen macht ein Gefühl von Brennen an den Stimmbändern. Wasser trinken ist auch wichtig für die Stimmbänder.
Wie stressig ist es, nicht ganz fit oder gar mit Schmerzen auf der Bühne zu stehen? Das Publikum erwartet ja immer eine Top-Leistung.
Es ist stressig, aber wir müssen durch. Schlechte Kritiken beeinflussen unsere Psyche auch. Und die spielt auch eine Riesenrolle in diesem Beruf. Nur wir selber wissen, wie es sich in dem Moment auf der Bühne anfühlt. Aber Sänger sind Kämpfer, es ist kein leichter Beruf.
_______
Carmen wird an der Bühne Baden noch bis 31. März gespielt
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.