Virologe beantwortet Fragen zum Thema Coronavirus

Tobias Riedl MSc auf der Internationalen Hepatitis B Konferenz in Melbourne | Foto: ZvG
  • Tobias Riedl MSc auf der Internationalen Hepatitis B Konferenz in Melbourne
  • Foto: ZvG
  • hochgeladen von Maria Ecker

Der Virologe Tobias Riedl MSc hat sich bereit erklärt, uns einige Fragen, die im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 stehen, zu beantworten.

Kann es sein, dass XY das Virus auf die Menschheit losgelassen hat?
Nein, das ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern wurde auch als nicht wahr nachgewiesen. Eine Studie von Kristian Anderson und Kollegen hat das Virus und seinen Ursprung untersucht, und in einem Artikel, der in Nature Medicine veröffentlicht wurde, nachgewiesen, dass der Ursprung des Virus nicht in einem Labor ist. https://www.nature.com/articles/s41591-020-0820-9

Bin ich mit meiner Vorerkrankung XY eine Risikogruppe? Kann die Krankheit bei meinem Verwandten mit der Vorerkrankung XY besonders schwer verlaufen?
 Bei Besorgnis wegen einer Vorerkrankung soll bitte unbedingt der behandelnde Arzt konsultiert werden. Prinzipiell gilt: wer davon ausgehen kann, dass sein Zustand zu einem schlimmeren Verlauf der Krankheit führen kann, soll unbedingt sozialen Kontakt vermeiden, einen Einkaufsservice in Anspruch nehmen und ein Leben außerhalb der Wohnung so gut wie möglich meiden.
Mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert ist neben höherem Alter (60+) folgende Erkrankungen: Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen und Krebserkrankungen.

Wie lange dauert es, bis die Ausgangssperre aufgehoben wird?
Hier ist die aktuelle Meinung, dass es notwendig sein wird, die derzeitigen Bedingungen zumindest bis Anfang Sommer wenig zu lockern. Aber bis Maßnahmen greifen, beziehungsweise statistisch erfasst werden können, vergehen zumindest mal 10 Tage, eher 2 Wochen. Man wird wohl Ende März und Mitte April noch einmal evaluieren, wie erfolgreich die Maßnahmen waren, und dann entsprechend weiter vorgehen.

Wann wird es eine Behandlung/Impfung geben?
Viele Wissenschaftler weltweit, entweder in Forschungsinstituten oder in Firmen, arbeiten mit Hochdruck daran, das Virus behandeln, oder dem Virus vorbeugen zu können. Derzeit wird ein, ehemals gegen Ebola entwickeltes, Virostatikum der Firma Gilead getestet. Dieses Medikament ist jedoch noch nicht überall auf der Welt zugelassen, es wird derzeit in einer klinischen Studie in China getestet, an der über 700 Patienten teilnehmen. Außerdem wurde ein Patient in den USA erfolgreich damit behandelt, was aber als Einzelfall kein Beweis für eine ausreichende therapeutische Wirksamkeit ist. Derzeit liegt die Hoffnung auch darin, ein bereits für andere Erkrankungen zugelassenes Medikament, das sich als sicher in Patienten erwiesen hat (z.B. Ribavirin, in Kombination mit Sofosbuvir, was gegen Hepatitis C eingesetzt wird), gegen SARS-CoV-2 einsetzen zu können. Das würde den Prozess beschleunigen.
Impfungen werden auch aktiv entwickelt, jedoch auch hier wird die Zulassung noch dauern. Ein Impfstoff muss, genau wie ein Medikament, sicher sein, und um als sicher zu gelten, einen Prozess durchlaufen, der länger dauern kann. Zwar kann das beschleunigt werden, wenn Dringlichkeit herrscht, aber wer will am Ende nicht wirksame oder gar gefährliche Präparate nehmen, daher ist dieser Prozess auch wichtig.

Kann mich ein asymptomatischer Träger auch anstecken?
Die europäische Seuchenschutzbehörde hat in dieser Aussendung eine wissenschaftliche Arbeit zitiert, die zeigt, dass die Viruslast im Sputum von asymptomatischen Trägern und kranken Patienten nicht unterschiedlich ist. Dementsprechend ist die Antwort "Ja".
https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/COVID-19-Discharge-criteria.pdf?fbclid=IwAR0PqmWhX-V6eV1dn7Wyf6L0jFgtRmDdVi3UAb87-J2fEjOmCL3HcGQzZlc

Ist ein Mundschutz wirksam oder nicht?
Nachdem das Coronavirus offenbar hauptsächlich als Tröpfcheninfektion übertragen wird, ist Mundschutz definitiv sinnvoll, genauso wie Abstand zu anderen Leuten. Als Mundschutz kann nicht nur eine Atemschutzmaske dienen, es reicht auch ein Tuch vor dem Mund. Wichtig ist, Tröpfchen, die mein Sprechen, Husten oder Niesen von einer kranken (oder auch symptomlosen) Person abgegeben werden, aufzuhalten. Mundschutz sollte auch, wenn möglich, häufig gewechselt werden, und im Idealfall vor dem Betreten der Wohnung entsorgt werden. Bei Stofftüchern wäre es ratsam, diese heiß zu waschen.

Ist es sinnvoll Handschuhe zu verwenden?
Eine Schmierinfektion ist nicht ausgeschlossen, auch wenn Tröpfcheninfektion wohl der Hauptübertragungsweg ist. Für das SARS-CoV-2 wird eine relativ lange Stabilität auf Metall, Glas und Plastik angenommen, die bis zu 5 Tagen dauern kann. Zum ersten SARS-CoV von 2003 wurden dazu mehrere Studien gemacht, deren Ergebnisse auf das neue SARS-CoV-2 übertragbar sind. Viren bleiben dementsprechend wahrscheinlich bis zu mehreren auf den meisten gängigen Oberflächen aktiv. (https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMc2004973)
Dementsprechend sinnvoll sind Handschuhe beim Einkaufen, um eine Schmierinfektion zu verhindern. Auch kann man das Risiko dieses Übertragungswegs verringern, wenn man sich weniger ins Gesicht fasst. Auch bei Handschuhen gilt, je öfter wechseln, desto besser, und wenn möglich auch nicht mit nachhause bringen.
https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMc2004973

Ist man immun, wenn man erkrankt war?
In der Regel lässt eine virale Infektion eine (teilweise lebenslange) Immunität zurück. Patienten können mit demselben Virus nicht mehr infiziert werden, oder die Krankheit heilt sehr schnell aus.
Viren können sich zwar durch Mutation verändern, so dass der Körper sie nicht mehr als das erkannt, was ihn vor einiger Zeit mal krankgemacht hat. Dann wirkt keine Impfung oder Immunität durch Erkrankung.
Momentan sind Fachleute aber überwiegend der Ansicht, dass eine ausgestandene SARS-CoV-2 Erkrankung eine Immunität zurücklässt und vor einer erneuten Ansteckung schützt. Man muss selbstverständlich auch geheilte Patienten beobachten, um dies zu bestätigen. Trotz Berichten über eine Reinfektion nach überstandener COVID-19 kann dieses Szenario als unwahrscheinlich betrachtet werden.

Weil der Vergleich immer wieder auftaucht: Was unterscheidet Grippe und COVID19?
Prinzipiell unterscheidet sich der Erreger, so wie sich ein Mensch von einem anderen, entfernteren Wirbeltier, unterscheidet, etwa einem Reptil.
Die beiden Viren teilen sich die Eigenschaft, dass ihr Erbgut auf RNA basiert (ein Molekül, das ähnlich der DNA ist, welche bei allen Tieren, Bakterien und anderen Viren das Erbgut bildet). Doch bereits die Ausführung des Erbguts ist unterschiedlich - Influenza-Viren haben ein segmentiertes Genom (8 unterschiedliche Segmente), wohingegen das SARS-CoV-2 ein einzelnes durchgängiges Genom hat. Die Größe des Erbguts unterscheidet sich auch maßgeblich, so ist das Genom des Coronavirus mehr als doppelt so groß wie das von Influenza A, was jedoch nichts damit zu tun hat, wie gefährlich die Viren sind.
Die Viren unterscheiden sich im Hauptübertragungsweg wenig (Tröpfcheninfektion), und auch die Krankheiten unterscheiden sich zunächst im Erscheinungsbild nicht besonders. Hier gibt es ein breites Spekrtum der Symptome, von sehr milden bis nicht vorhandenen, bis schweren Atembeschwerden, Husten und Fieber. Der Anteil an Patienten, bei denen COVID-19 einen schweren Verlauf hat, wird von der WHO auf etwa 15% geschätzt, was höher ist als der Anteil bei einer Grippe. Auch ist die Sterblichkeit bei einer COVID-19 Erkrankung, über alle Altersklassen gemittelt, bei etwa 3-4%, bei Grippe mehr als 20-mal geringer. Um aber die genaue Letalität von COVID-19 abschätzen zu können, muss die Krankheit weiter beobachtet werden, die Sterblichkeit hängt auch maßgeblich davon ab, wie gut die medizinische Versorgung gewährleistet werden kann, und ist daher auch Länder-spezifisch.
https://www.who.int/news-room/q-a-detail/q-a-similarities-and-differences-covid-19-and-influenza

Wie wird auf SARS-CoV-2 getestet? 

Der Test auf SARS-CoV-2 basiert auf dem Nachweis des viralen Erbguts. Man geht davon aus, dass virales Erbgut sehr früh nach einer Infektion bereits nachweisbar ist, da neue Viren in großer Menge produziert werden, und auch noch bis gegen Ende der Krankheit.
Für den Nachweis wird die RNA, aus der ja das virale Genom besteht, isoliert, und in einer spezifischen Reaktion nachgewiesen. Diese Reaktion nennt man RT-PCR, was für reverse Transkription, gekoppelt an eine Polymerase Kettenreaktion steht (Reverse Transcription-coupled Polymerase Chain Reaction). Dabei wird zunächst die virale RNA in DNA verwandelt, wozu man ein Enzym verwendet, das sich Wissenschaftler von Retroviren wie HIV abgeschaut haben. Dieses Enzym, reverse Transkriptase genannt, macht aus der Coronavirus-RNA eine DNA. Das ist notwendig, weil eine PCR nicht mit RNA funktioniert. Bei der PCR selbst binden "Primer", kurze DNA-Fragmente, an bestimmte Regionen der Coronavirus-DNA. Dadurch kann eine Polymerase (ein Enzym, welche DNA vermehrt), die Coronavirus-DNA dann vervielfältigen.
Diese ganzen Prozesse sind notwendig, damit man ganz sicher sein kann, auch tatsächlich eine Infektion nachzuweisen, auch wenn der Patient nur wenige Viren absondert. Eine PCR verwendet zwischen 35 und 40 Zyklen, bei jedem einzelnen wird die DNA verdoppelt, insgesamt wächst die DNA Menge also exponentiell. So sind am Ende der Reaktion mit 40 Zyklen aus einem einzigen DNA Molekül 5.5 x 10^11 Moleküle geworden (55 und 10 weitere 0 angehängt, das sind sehr sehr viele).
Wissenschaftler haben "Primer" designt, die zwei Regionen im Erbgut des Virus nachweisen. Werden diese beiden am Ende eines Tests nachgewiesen, gilt der als "positiv", wird nur eine Region in dem RT-PCR Test entdeckt, nennt man das Ergebnis "nicht schlüssig" und der Test muss wiederholt werden. Entdeckt man in einer Probe keine der beiden Sequenzen des Virus, welche man mit den Primern in der RT-PRT vervielfältigen möchte, gilt der Test als "negativ".

Wie kommt man auf die Fallzahlen?
Auf die Fallzahlen kommt man, indem man alle positiv getesteten Personen addiert. Wichtig ist, dass man auch immer bei Fallzahlen aus anderen Ländern bedenkt, dass diese Zahlen automatisch steigen würden, wenn man mehr testet. Daher können Länder niedrige Fallzahlen haben, obwohl viele Leute tatsächlich infiziert sind. In Österreich sind etwa 10% aller getesteten Menschen positiv. Dieser Anteil schwankt zwischen Ländern, weil manche Länder noch präziser gefährdete Leute testen. Ohne dass sich das Virus weiter ausbreiten würde, steigen die Fallzahlen alleine nur dadurch an, dass mehr getestet wird. Man sollte sich dadurch nicht verunsichern lassen. Das Virus breitet sich weiter aus, aber eventuell wird es schon langsamer verbreitet durch die Maßnahmen in Österreich, aber wir merken das nicht, weil mehr getestet wird.

Tobias Riedl wurde 1993 in Tribuswinkel geboren. Er besuchte das BG/BRG Baden Biondekgasse, und studierte nach seiner Matura an der Universität Wien. Den Bachelor in Biologie, mit Schwerpunkt in Genetik und Mikrobiologie schloss er 2014 ab, und machte danach weiter in Wien seinen Master in Genetik und Entwicklungsbiologie. Seit 2016 lebt und arbeitet Tobias im deutschen Heidelberg, am deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), eines der renommiertesten Institute für die Forschung an Krebs europaweit, wo er seinen PhD Abschluss macht. Seine Forschung behandelt das Hepatitis B Virus (HBV), welches weltweit mehr als 250 Millionen Menschen befällt, und über 800.000 Menschenleben jährlich fordert. Er untersucht in der Arbeitsgruppe von Prof. Mathias Heikenwälder die molekularen Wirkungsmechanismen einer experimentellen anti-HBV Behandlung. https://www.dkfz.de/de/chronische-entzuendung-und-krebs/team/heikenwaelder.html

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

4:00

Wassermann – Glückskind des Monats
So wird das Horoskop im April

Alle zwölf Sternzeichen sind schon gespannt, was Astrologe Wilfried Weilandt zu berichten hat. Wie der April wird, wollt ihr wissen? Werft einfach einen Blick ins aktuelle Horoskop! ÖSTERREICH. Der April macht, was er will, das sagt uns schon der Volksmund. Damit es aber nicht ganz so turbulent wird, schauen Astrologe Wilfried Weilandt und Moderatorin Sandra Schütz wieder in die Sterne. Und so viel sei vorweg verraten: Der Wassermann ist das Glückskind des Monats, tapfer müssen hingegen die...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.