"Der Papst hat zu viel Macht"

- Für Helmut Schüller wäre eine Rückeroberung des Auftrages vom zweiten Vatikanischen Konzil dringend notwendig.
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Helmut Schüller ist Vorsitzender der Pfarrer-Initiative. Mit seinem „Aufruf zum Ungehorsam“ sorgte er 2011 innerhalb der römisch-katholischen Kirche für mächtigen Wirbel. Am 15. März kam er auf Einladung vom Treffpunkt mensch&arbeit nach Braunau und sprach über die „Zukunft unserer Kirche“. Wir haben den Provokateur zum Interview gebeten.
BRS: Herr Schüller, wir sind hier in der Pfarre St. Franziskus. Der neue Papst nennt sich ebenfalls Franziskus. Sind Sie zufrieden mit dem Ausgang der Papstwahl?
Schüller: Zumindest gibt es interessante Signale. Etwa eine Rückkehr zur Bescheidenheit, die wir schon lange vermisst haben in diesem Amt. Hoffnung macht auch sein bisheriges Wirken und das starke soziale Engagement. Das erinnert uns ja an den Kern der christlichen Aufgabe, nämlich Nächstenliebe und Sorge um die Armen. Das alles gibt Anlass einmal positiv gestimmt abzuwarten.
BRS: Denken Sie, dass der Papst zu viel Macht besitzt?
Schüller: Ja! Ich glaube, dass das auch nicht gesund ist. Das zweite vatikanische Konzil hat ja nicht zufällig davon gesprochen, dass an der Kirchenspitze eine Kollegialität herrschen soll. Der Papst soll seine Aufgaben mit den Bischöfen der Welt teilen. Das wäre eine sehr gesunde Umstellung, weil das einem Einzelnen ohnehin zu viel wird.
BRS: Leiden Sie unter dem was ‚Kirche‘ heutzutage ist?
Schüller: Den Begriff ‚leiden‘ reserviere ich für Menschen, die wirklich körperlich leiden. Aber es tut mir vieles weh und ich verspüre einen starken Unruhezustand.
BRS: Ihre Bewegung ist gegen das Zusperren von Pfarren. Aber wie kann das angesichts des herrschenden Priestermangels vermieden werden?
Schüller: Kurzfristig sollte darauf geachtet werden, dass die Gemeinden erhalten werden. Jetzt schon sollten sogenannte Laien dazu bevollmächtigt werden, möglichst viel Gemeindeleitung zu praktizieren. Mittelfristig muss man nachdenken über die Öffnung des Priesteramtes für verheiratete Männer. Längerfristig dann auch für Frauen. Längerfristig deshalb, weil das wohl bei den Katholiken selber eine gewisse kulturelle Umstellungsarbeit bedeutet. Das wird aber kommen müssen und das wird auch kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Priesteramt in der jetzigen Art überhaupt überleben wird.
BRS: Viele ausländische Priester, meist aus Polen, versehen im Bezirk ihren Dienst. Ist das für Sie ein Ansatz für die Lösung des Priestermangels?
Schüller: Nein. Wobei ich nicht gegen einen Austausch unter Priestern bin. Es ist aber ein unsolidarischer Ansatz. Gerade Polen leidet unter einem teilweise noch stärkeren Rückgang der Priesterberufungen als wir. Die polnische Gesellschaft wird sehr bald sehr viele Priester brauchen. Es ist auch nicht jedem gegeben, sich schnell in eine neue Kultur einzuleben. Das ist oft auch unbarmherzig gegenüber diesen Priestern. Die tun sich schwer und scheitern oft. Die Gemeinden sind dann enttäuscht und frustriert.
BRS: Sie verweigern in Ihrer Kirche in Probstdorf Geschieden-Wiederverheirateten und Ausgetretenen nicht die Eucharistie. Das ist ein Verstoß gegen geltendes Kirchenrecht.
Schüller: Wir tun das mit dem Blick auf Jesus von Nazareth. Er hat den Menschen einen Neuanfang geöffnet. Das ist es auch, was wir wollen. Wir wollen Menschen die in einer zweiten Ehe neu anfangen wollen, nicht lebenslang ausschließen. Das wäre gegenüber Menschen, die versuchen sich mit ihren geschiedenen Partner auf einen vernünftigen Umgang zu einigen und für ihre bisherigen Kinder zu sorgen, ungerecht. Diese Menschen leben oft in großer Ernsthaftigkeit und Familien sagen, dass sie jetzt erst verstehen, worum es überhaupt geht.
BRS: Welche Konsequenzen hat eigentlich ihr Ungehorsam gegenüber einzelnen geltenden kirchlichen Regeln und Gesetzen?
Schüller: Zwei Drittel der Priester handhaben das in der Praxis ja auch so, weil ansonsten eine menschengerechte und zeitgemäße Seelsorge gar nicht mehr machbar wäre. Wir deklarieren es, das ist der Unterschied. Für uns gab es bis jetzt wenige Konsequenzen. Es dürfen Mitglieder der Pfarrer-Initiative in manchen Diözesen nicht mehr Dechant sein und wir dürfen keine diözesanen Ämter bekleiden. Das sind aber alles keine großen Schrecken für uns. Anders in Irland, wo Tony Flannery, der Sprecher unserer Schwesterorganisation, mit Exkommunikation und Entzug des Priesteramtes bedroht wird, wenn er seine Arbeit fortsetzt. In der Slowakei sind ähnliche Dinge vorgekommen. Bei uns in Österreich nicht.
BRS: Im November des Vorjahres wurde Ihnen aber der päpstliche Ehrentitel Monsignore vom Vatikan entzogen.
Schüller: Das ist ein nettes Ehrentitelchen, das nichts Wesentliches ausdrückt. Daher ist auch der Entzug keine wirkliche Sanktion. Da würde das Wort ‚Sanktion‘ lächerlich gemacht werden.
BRS: Der deutsche Theologe David Berger meinte in einem Interview gegenüber ‚derstandard.at‘, dass Personen die heute noch ins Priesterseminar gehen, zu 80 Prozent sehr konservativ und zu 70 Prozent homophil/homophob sind. Teilen Sie diese Ansicht?
Schüller: Ich kenne diese Statistik nicht, die er zu Grunde legt. Das mit ‚konservativ‘ teile ich aber. Immer mehr junge Leute entschließen sich zum Priesterberuf, weil sie diesen Kurs von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gutheißen. Das ist also jene Auswahl von jungen Männern, die dieses Kirchenbild befürworten. Daher gehen nur solche ins Seminar. Sie finden Gefallen an diesem herausgehobenen Priesterberuf, sie beziehen ihren Status daraus und ihr Selbstwertgefühl. Die mögen das einfach, Vollmachten zu haben, die Laien nicht haben. Ich kenne genug junge Männer, die sagen, sie würden sich für diesen Beruf interessieren, aber unter diesen Voraussetzungen und mit diesem Kurs, nicht.
Zur Person: Helmut Schüller, war Generalvikar der Erzdiözese in Wien (von Kardinal Schönborn wieder dieses Amtes enthoben), war Präsident von Caritas Österreich und ist heute Pfarrer in Probstdorf (NÖ). www.pfarrer-initiative.at
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