„Das komplette Weglassen der Parteipolitik in der Wirtschaft ist neu“

Nach einem halben Jahr Rot-Blau: Was hat sich am Politstil geändert?
HANS NIESSL: Objektive Politikbeobachter sind der Meinung, dass nach der Wahl immer eine Ruhephase eintritt, während im Burgenland das Tempo erhöht wurde. Das ist vor allem deshalb möglich, weil der Proporz zurückgedrängt wurde. Früher hat es das Proporzdenken gegeben und jetzt gibt es das Qualitätsdenken.

Das heißt, die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen werden nun aufgebrochen?

Ja, wenn es früher im SPÖ-Bereich der Landesregierung personelle Veränderungen gegeben hat, dann hat es von der ÖVP automatisch geheißen, das brauchen wir auch für unsere Abteilungen – ohne dass man die Veränderung oder den Bedarf geprüft hat. Bei den ausgelagerten Gesellschaften gab es jeweils einen SPÖ- und einen ÖVP-nahestehenden Geschäftsführer. Das sind Dinge, die jetzt deutlich an Bedeutung verloren haben.

Können Sie dazu konkrete Beispiele nennen?
Wenn die besten Touristiker des Landes in einem Fachbeirat mitarbeiten, um das Land beim Marketing, bei der Werbelinie oder bei den Schwerpunkten zu beraten, dann entscheidet nicht mehr, ist das ein roter, ein schwarzer, ein blauer oder ein grüner Unternehmer.
Ein anderes Beispiel: Der Präsident der Industriellenvereinigung würde sich nicht als Aufsichtsrat der Burgenländischen Landesholding zur Verfügung stellen, wenn er den Eindruck hätte, dass da rote oder blaue Parteipolitik gemacht wird. Diese Persönlichkeiten wollen für das Land etwas tun – und die sind uns willkommen.

Das heißt aber auch, dass von Seiten der FPÖ kaum Widerstand zu erwarten ist?
Wir sind übereingekommen, dass wir die Spitzenpositionen über Assessement-Center suchen.

Das gab es aber unter SPÖ-ÖVP auch?
Das stimmt, es war früher auch nicht alles schlecht, es wurde einiges vorbereitet. Aber die zügige Umsetzung und das komplette Weglassen der Parteipolitik in der Wirtschaft und im Tourismus sind neu.

Zum Arbeitsmarkt: SPÖ und FPÖ wollen Burgenländer in Beschäftigung bringen. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen zwar einen Beschäftigtenzuwachs – aber vor allem durch ausländische Arbeitskräfte…
Es gibt auch Teilerfolge. In der Therme Lutzmannsburg sind deutlich mehr Burgenländer beschäftigt als in der Vergangenheit. Man muss auch berücksichtigen, dass das Burgenland den höchsten Anteil an ausländischen Tagespendlern hat. Innerhalb von nur einer halben Autostunde leben eine Million Menschen. Und das Burgenland hat 290.000 Einwohner. Den Druck haben wir vor allem aus Ungarn, weil dort das Lohnniveau deutlich niedriger ist.
Wir versuchen diese Situation ein bisschen zu steuern, indem zum Beispiel unsere Siedlungsgenossenschaften 90 Prozent der Aufträge an heimische Firmen vergeben.
Wir können nur steuern, aber nicht zu 100 Prozent beeinflussen. Das geht wegen dem EU-Recht nicht.

Zum Thema Asyl: Warum schafft das Burgenland nicht die Quote?
Es gibt sehr vorbildliche Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen und betreuen. Und dann gibt es Gemeinden, die das nicht machen. Manchmal sind die Auflagen und die Vorschriften nicht ganz verständlich. Wenn etwa in Pensionen, wo früher Leute dafür bezahlt haben, dass sie dort schlafen können, wegen zu kleiner Fensterflächen keine Flüchtlinge untergebracht werden dürfen. Das ist lachhaft.
Außerdem ist es um einiges schwieriger, Flüchtlinge in vielen kleinen Einheiten unterzubringen als in großen Einheiten.

Es gibt aber etliche Gemeinden, die weit über die Quote von 1,5 Prozent kommen.
Die Frage ist aber auch, ob dort auch tatsächlich Integration erfolgt. Man muss weiter denken. Die Flüchtlinge müssen Deutsch lernen, einen Schulplatz bekommen und eine Arbeit kriegen.

Sie haben einen Integrationsbeauftragten für das Burgenland angekündigt?
Ja, und ich hielte es für gut, wenn das eine Frau mit Migrationshintergrund ist. Es wäre ein Signal, dass die Frauen bei uns einen wichtigen Stellenwert haben.

Wie bewerten Sie die Asylpolitik des Bundes?
Die Probleme entstehen auch deshalb, weil die Asylverfahren zu lang dauern und Österreich die niedrigste Rückführungsquote hat. Das ist ein Versagen des Innenministeriums und auch Europas. Experten sprechen von rund 50 Prozent Kriegsflüchtlingen. Das heißt, die anderen sind zu Unrecht da und werden auch kein Asyl bekommen.
Und wenn an der europäischen Außengrenze die Schengen-Standards nicht erfüllt werden und keine Erstaufnahmestellen errichtet werden, dann wird Europa daran zerbrechen.

Was sagen Sie zum Abkommen mit der Türkei?
Das kann nur eine erste notwendige Maßnahme sein. Aber auf Dauer der Türkei Milliarden zu geben, dass dort Flüchtlinge bleiben, macht Europa erpressbar.

Ein Dauerthema ist die S7 im Süden des Landes. Warum liegen für dieses Straßenbauprojekt noch immer nicht alle rechtlichen Genehmigungen auf dem Tisch?
Ich stehe zur S7, aber ich habe kein Verständnis, dass man Bauprojekte 13 Jahre lang blockieren kann. Da muss Österreich umdenken. Unsere Umweltgesetze gehören so gestaltet, dass jeder mitreden kann, aber nach fünf Jahren muss eine Entscheidung gefallen sein. Jetzt haben wir eine Bürokratie, die schon bald die Demokratie vernichtet.

Zur Bundespolitik: SPÖ und ÖVP liegen laut den Umfragen hinter der FPÖ. Was läuft da schief?
Die Menschen haben den Eindruck, dass in wichtigen Bereichen der Konsens zwischen den Regierungsparteien fehlt. Man sollte nicht monatelang in der Öffentlichkeit gegensätzlich diskutieren. Die Menschen wollen Ergebnisse sehen. Ich bin schon neugierig, wie rasch die Bildungsreform, die in den Eckpunkten beschlossen wurde, auch im Detail ausverhandelt und umgesetzt wird.

Wäre Rot-Blau auch im Bund eine Option?

Es geht nicht um die parteipolitische Farbe, sondern um den politischen Stil. Den Streit, die Parteipolitik und das gegenseitige Blockieren in den Vordergrund zu stellen, wird im 21. Jahrhundert nicht mehr honoriert. Das hat keine Substanz. Das ist die alte Politik des 20. Jahrhunderts.

Haben Sie eigentlich Ambitionen, in die Bundespolitik zu gehen?
Ich fühle mich im Burgenland sehr wohl. Das ist meine politische Heimat – auch in Zukunft.

Abschließend eine sportliche Frage: Was trauen Sie Österreich bei der Fußball-Europameisterschaft zu?
Ich hoffe, dass sie die Vorrunde überstehen. Je weiter Österreich kommt, umso besser auch für das Burgenland, da wir durch unser Sponsoring international präsent sind.

Dann schaffen wir vielleicht auch endlich die 3 Millionen-Marke bei den Übernachtungen?

Das müssen wir schaffen. Das ist mir schon ein Dorn im Auge, dass wir da nicht wirklich drüber kommen.

Kommentar von Chefredakteur Christian Uchann

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