Pucher-Anwalt im ORF-Interview
„Er hatte seit Gründung der Bank keine ruhige Nacht“
Norbert Wess, Anwalt von Martin Pucher, gab im ORF-Interview Einblick über die Welt des ehemaligen Chefs der Commerzialbank Mattersburg. Die Malversationen sollen schon 1992 begonnen haben. Die Commerzialbank war spätestens 2000 insolvent.
BURGENLAND. „Ich erlebe Martin Pucher als äußerst nachdenklich und äußerst selbstkritisch. Er ist fassungslos, über das, was passiert ist. Er bittet auch nicht um Verzeihung, weil er sich das selbst nicht verzeihen kann und will“, sagte Anwalt Norbert Wess auf die Frage, was für ein Mensch Martin Pucher sei.
„Bank operativ am Leben erhalten“
Die im Raum stehenden rund 700 Millionen Euro Überschuldung kann Pucher laut seinem Anwalt so nicht festmachen. „Das liegt daran, dass er auch zugibt, dass diese Malversationen schon 1992 (drei Jahre vor der Ausgliederung aus dem Raiffeisenverband, Anm. d. Red.) begonnen haben“, so Wess. Mindestens die Hälfte des Schadens sei dadurch entstanden, „dass man operativ diese Bank am Leben erhalten hat, obwohl er sich selbst eingestehen musste, dass die Bank spätestens 2000 insolvent war“, erzählte der Anwalt.
„Ergebnisdruck und Regulierungserfordernisse“
Die Beweggründe von Martin Pucher dürften der Ergebnisdruck gewesen sein, dem er damals nicht gerecht wurde sowie in weiterer Folge die immer strenger werdenden Regulierungserfordernisse. „So hat sich das Ganze in einer Abwärtsspirale immer schlechter entwickelt. Pucher hat mir auch bestätigt, dass er seit der Gründung der Bank keine ruhige Nacht hatte“, so Wess.
Hoffnung auf den „lucky punch“
Pucher soll aber auch daran geglaubt haben, „mit dem einem oder anderen ,lucky punch‘ den Schaden massiv reduzieren zu können“ – unter anderem mit Patenten, auf die die Bank die Rechte hatte. Nun wird es die Aufgabe des Masseverwalters sein, festzustellen, ob diese werthaltig sind.
Die Informationskette am 14. Juli
Der Pucher-Anwalt erzählte auch über den zeitlichen Ablauf der Gespräche seines Mandaten am 14. Juli: „Das Gespräch mit der Nationalbank war am Dienstag, dem 14. Juli um 12 Uhr. Um ca. halb zwei Uhr ist er aus der Bank gefahren und hat am frühen Nachmittag von sich aus privat per E-Mail die Finanzmarktaufsicht verständigt. Seine Frau hat er infomiert, dass er Selbstanzeige erstattet und seine Funktionen zurück gelegt hatte. Und am Nachmittag hat er seine Frau und seine Tochter gebeten, den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Stellvertreter darüber zu informieren, dass er seine Funktionen zurück gelegt hat.“ Außerdem habe Frau Pucher die Bezirkshauptfrau von Eisenstadt Umgebung – eine enge Freundin – in einem kurzen Telefonat erzählt, dass ihr Mann seine Funktionen zurück legt, weil es der Bank nicht gut geht. „Das waren alle Gespräche, die in diesem Zusammenhang stattgefunden haben“, sagte Wess. Pucher soll auch in Abrede gestellt haben, irgendjemanden gewarnt zu haben, um Geld abzuheben.
„Keine persönliche Bereicherung“
Anwalt Wess erläuterte auch eine der Hauptfragen rund um den Bilanzskandal – nämlich wohin das Geld geflossen ist? „Ein persönliche Bereicherung erkenne ich nicht“, so Wess. Vielmehr sollen 50 bis 60 Prozent des entstandenen Schadens wieder ins operative Geschäft zurück geflossen sein. Ein weiterer Prozentsatz – Pucher gab 8 bis 12 Prozent an – sei in den SV Mattersburg geflossen. „Da schätzt er ein Volumen von 40 bis 50 Millionen Euro – beginnend mit 2003, als der Bundesliga-Aufstieg begann. Und der Rest ging dadurch verloren, dass man schlecht gehende Kredite nicht wertberichtigt hat.“
Kein „ausgeklügeltes System“
Von einem ausgeklügeltes System will Norbert Wess nicht sprechen: „Es gab falsche Bankbestätigungen und es gab falsche Kredite – nicht mehr und nicht weniger.“
Due „gute Seite“ von Pucher
Die falschen Bankbestätigungen soll es bereits seit 1992 gegeben haben. „Da muss man schon generell hinterfragen, wie das gehen kann?“, so der Pucher-Anwalt, der außerdem von etwas berichten kann, das „er so überhaupt noch nie erlebt hat.“. So haben Leute, die nachweislich von Pucher geschädigt worden waren, ihm geschrieben, dass sie ihm alles Gute wünschen. „Er hat – trotz alledem – eine gute Seite, die offensichtlich bei vielen Leuten noch immer in Erinnerung ist“, glaubt Norbert Wess.
Geld für notleidende Betriebe
Das erklärt vielleicht zum Teil auch die großzügigen Kreditvergaben. „Er wollte offenbar jedem, der an ihn herangetreten ist, helfen und unterstützen. Das führte letztendlich auch dazu, dass viele Kreditnehmer und viele Betriebe, die eigentlich notleidend waren, dergestalt noch weiter über die Runden kamen“ sagte Wess.
Der Anwalt von Martin Pucher wünscht sich nun eine etwas „selbstkritischere Diskussion“ in Österreich, was die Aufsicht und Prüfung von Banken betrifft. „Man sollte langsam dazu übergehen, konstruktiv darüber nachzudenken, was man in Zukunft besser machen kann.“
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