Kindheitserinnerungen an den Matzleinsdorfer Platz
Zeitzeuge Fritz Heimberger hat seine Kindheit in der Triesterstraße 9 verbracht, also in unmittelbarer Nähe des Matzleinsdorfer Platzes - der 71jährige erinnert sich.
FAVORITEN/MARGARETEN. Erschreckende Ereignisse am Schulweg
"Ich wurde im Juni 1044 geboren. Wir wohnten von 1949 bis 1958 in der Triesterstaße 9, im Häuserblock Quellenstraße/ Ecke Buchengasse. 1950 wurde ich eingeschult", erzählt Fritz Heimberger. Seine ersten Schultage fallen mit den Ereignissen im September und Oktober 1950 zusammen, als es österreichweit, aber auch direkt auf seinem Schulweg in die Volksschule Sonnwendgasse, zu Zusammenstößen von Streikenden des „Oktoberstreikes“ ( vom 26. bis 29. September und vom 4. bis 6. Oktober ) mit Ordnungskräften kam. „Meine Mutter begleitete mich zur Schule. Die Durchfahrt unter der Südbahnbrücke war durch LKW blockiert. Wir gingen durch den Fußgängerdurchgang zum Matzleinsdorfer Platz. Damals fuhr hier die Linie 6 die Reimprechtsdorferstraße runter, die Linie 65 von der Troststraße zum Kärtnterring. Ein Waggon der Linie 65 war aus den Schienen gesprungen, jemand hatte die Weiche umgestellt, der Beiwagen lag quer über die Schienen, an der linken Seite die Sowjets mit Puschka, auf der anderen Seite beim Kino Metropol (Ecke Reinprechtsdorferstraße und Matzleinsdorferplatz) und beim Wirtshaus Ecke Wiedner Hauptstraße eine große, murrende Menschenmasse.“ Da hört der damals sechsjährige Fritz eine kräftige Stimme aus der Menge: „Was geht hier vor?“ Die Antwort kam: „Generalstreik!“ „Bringen sie das in Ordnung“, sagte die Stimme, erinnert sich Heimberger. Die Stimme gehörte Bürgermeister Theodor Körner ( Wiener Bürgermeister von 1945 bis 1951 ). Am 4. Oktober 1950 erreichten die Streiks ihren Höhepunkt. Rollkommandos der Streikenden versuchten, das öffentliche Leben lahmzulegen und besetzten Straßen und Plätze, Wagen der Wiener Straßenbahn wurden durch Zuschütten der Gleise und Ausbetonieren der Weichen daran gehindert, auszufahren. Zahlreiche Streikbrecher wurden am Weiterarbeiten gehindert.
„Das ist wohl meine schrecklichste Erinnerung an damals: Streikende hatten die Geleise mit Teer zugeschüttet, der Expediteur wollte die Schienen wieder befahrbar machen, als ein Streikposten sich das am Waggon angebrachte Weichenholz (zum Händischen Weichenstellen) schnappte und dem Expediteur in die Brust rammte!" Ein Bild, das den pensionierten Sicherheitstechniker und Ingenieur Heimberger bis heute verfolgt.
Gefährliche Bubenstreiche
Die damaligen Südbahnwerke und das Tor zum Matzleinsdorfer Frachtenbahnhof waren magischer Anziehungspunkt für den kleinen Fritz und seine Freunde.
"Der Verschubbahnhof war ja sowjetischen Zone. Wir haben uns hineingeschlichen und Lebensmittel geklaut, die die Russen unserer Meinung nach ungerechtfertigt von der Amerikanischen Aliiertenhilfe abgezweigt hatten. Natürlich war das gefährlich und die Eltern haben geschimpft, aber ich hatte so einen Gerechtigkeitssinn, schon damals.“
Und wenn es einmal „eng“ wurde, retteten sich die Kinder flink entlang der diversen Kohlenrutschen, wo LKW von den diversen Lagern die Kohle zu den Firmen führten, entlang des Gürtels bis zu den Engländern in die Marx–Meidlinger Straße in Meidling, (benannt nach der ehemaligs, stark frequentierten Verbindungsstraße vom Viehmarkt St. Marx zum Schlachthaus Meidling. Die einstige Landstraße begann vor der St. Marxer Linie und führte, großteils durch unverbautes Gelände, nahe dem späteren Arsenalweg in Richtung der später errichteten Straßen namens Landstraßer und Wiedner Gürtel zur Matzleinsdorfer Linie, dann etwa über den heutigen Margaretengürtel, über den noch bestehenden Straßenabschnitt sowie die heutige Böckhgasse und die Niederhofstraße, zuvor Matzleinsdorfer Straße, nach Meidling) . „Die Engländer setzten uns natürlich auch vor die Türe, aber die Sowjets haben uns nie erwischt“, erinnert er sich.
Der Matzleinsdorfer Platz entsteht neu
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann ein grundlegender Umbau des (schwierig zu regelnden) Verkehrsknotens, der 1951 mit einer ersten Baustufe, der Unterführung des Gürtels mit zwei Fahrspuren, abgeschlossen wurde. Ziel war es, die Fußgänger, Öffis und den Autoverkehr voneinander zu trennen. „Der 62er und 18er führten durch die obere Etage, die Autos unten“, erinnert sich Heimberger an diesen „noch geringen Eingriff in den Platz“.
Und ergänzt: „Die Gemeinde Wien begann in den Vierteln mit schlechter Bausubstanz und dem weitgehend unbebauten Gebiet Wohnhäuser zu errichten. Die Kohlgasse beispielsweise führte ein Feldwegdasein!“ Die Bauten wurden sternförmig errichtet, mit den Schmalseiten zum Gürtel hin und schräg nach unten geöffnet, als Lärm und Staubschutz. Zwischen 1954 und 1957 wurde das 20-stöckige Hochhaus am Matzleinsdorfer Platz im 5. Wiener Gemeindebezirk nach Plänen der Architekten Ladislaus Hruska und Kurt Schlauß errichtet. Das inklusive Antenne 68 m hohe Hochhaus war das erste Hochhaus der Gemeinde Wien. Es stellt das Zentrum des rund sechs Hektar großen Areals des Theodor-Körner-Hofes dar und ist seither ein „Wahrzeichen“ an der südlichen Einfahrtstraße (B17) Wiens.
Erst in den 60er Jahren wurde dann die zweite Baustufe am Matzleinsdorfer Platz eingeleitet, wobei man vor allem die auf dem Gürtel geführte Straßenbahn unter die Erde verlegte. Übrigens zum ersten Mal in Wien. Diese unterirdische „Ustrabahn“ wurde so zum Vorläufer der heutigen U-bahn.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.