Wenn Taschentücher zum fixen Mobiliar gehören

Ein Teil des Teams vom Frauenhaus Pinzgau: Rosina Kirchner (diplomierte Lebens- u. Sozialberaterin), Sonja Hartl (Leitung Finanzbereich) und Anna Maria Bichler-Hotter (diplomierte Sozialpädagogin).
  • Ein Teil des Teams vom Frauenhaus Pinzgau: Rosina Kirchner (diplomierte Lebens- u. Sozialberaterin), Sonja Hartl (Leitung Finanzbereich) und Anna Maria Bichler-Hotter (diplomierte Sozialpädagogin).
  • hochgeladen von Klaus Moser

SAALFELDEN/PINZGAU. Gewalt in der Familie ist nach wie vor ein Tabuthema. Vor allem Frauen müssen in einer Beziehung oft kaum vorstellbare physische, aber auch psychische Qualen erleiden. Das Frauenhaus Pinzgau sorgt für höchst professionelle Hilfestellung für in Not geratene Frauen. Das Bezirksblatt hat die für den Pinzgau, Pongau und Lungau zuständige Einrichtung in Saalfelden besucht.

Egal ob Inländerinnen, Migrantinnen, junge Frauen, ältere Damen und quer durch alle gesellschaftliche Schichten - das in Saalfelden situierte Gebäude war schon Anlaufstelle für viele Frauen. Die Einrichtung bietet insgesamt Platz für fünf Frauen, Unterschlupf finden aber selbstverständlich auch deren Kinder. Jedes der Gewaltopfer hat ein eigenes Zimmer, eine Küche steht jeweils zwei Personen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es auch ambulante Beratungen und eine Notfallnummer, unter der rund um die Uhr jemand erreichbar ist. Insgesamt gibt es sieben fixe Mitarbeiterinnen, von der Juristin bis zur Sozialpädagogin.

Die Frauen entscheiden selber
„Oft haben wir den Eindruck, die Menschen glauben, wir sind ein Gefängnis. Tatsache ist aber, dass alle, die zu uns kommen und unsere Hilfe in Anspruch nehmen, dies freiwillig tun und hier auch selbstverantwortlich leben“, erklärt Anna Maria Bichler-Hotter, diplomierte Sozialpädagogin. „Wir versuchen den Frauen lediglich Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Viele müssen erst wieder lernen, sich selbst zu spüren. Das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein ist bei manchen oft gar nicht mehr existent. Wichtig ist aber: „Die Frau enstscheidet bei uns immer selbst, was sie will.“

Das erste Gespräch
Zum fixen „Mobiliar“ eines jeden Raumes gehören Taschentücher für tränenreiche Phasen - zwangsläufig. Denn viele der Hilfesuchenden sprechen das erste Mal über die erlebte Gewalt, die sie teilweise schon über viele Jahre hinweg ertragen müssen. Von Missbrauch im Kindesalter, über Vergewaltigung, Schlägen, Gewalt an den eigenen Kindern bis hin zu brutalem Psychoterror sehen sich die Betreuerinnen im Frauenhaus mit den unglaublichsten von Leid geprägten Geschichten konfrontiert. „Besonders schlimm ist, dass viele Frauen die Schuld bei sich selbst suchen. Für Gewalt gibt es aber keine Rechtfertigung, das muss vielen erst einmal klar werden. Teilweise werden die Frauen von ihren Männern aller ihrer Rechte und persönlicher Gegenstände beraubt. Das geht manchmal sogar soweit, dass sie eingesperrt werden, kein eigenes Geld besitzen, ja nicht einmal telefonieren dürfen. Zu Isolationszwecken übernehmen die Männer dabei sogar das Einkaufen“, so Bichler-Hotter.

Das engagierte Team im Frauenhaus arbeitet mit ihren „Klientinnen“ daran, wieder „zurück in ein geordnetes Leben“ zu finden. Die Hilfestellung reicht dabei von der Begleitung zum Sozialamt, Gericht, Rechtsanwalt und Behörden über Beratungsgespräche bis hin zu Mithilfe bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Kurzum: Die Frauen werden darin unterstützt, sich wieder eine Existenz aufzubauen.

Sicherheits- und Notfallplan
Jenen Hilfesuchenden, die das Team ambulant oder per Telefon betreut, wird auch umfassend geholfen. „Oftmals geht es nur darum die Wahrnehmung der Frauen zu sensibilisieren. Kurz bevor die Situation endgültig eskaliert, kann so das Schlimmste verhindert werden. Das beginnt bei einfachen Dingen wie die Telefonnummer der Polizei und des Frauennotrufs Innergebirg im Handy einzuspeichern, über die Festlegung eines Fluchtweges bei drohender Gefahr oder der Vorbereitung eines ,Fluchtkoffers‘, in dem sich die wichtigsten persönlichen Gegenstände und Dokumente befinden, wenn eine Frau fluchtartig die Wohnung oder das Haus verlassen muss. Auch die Kenntnis des Gewaltschutzgesetzes ist unumgänglich und dient der Sicherheit. Ist man erst einmal in der Gewalt-spirale drinnen, fällt es einem oft schwer, reflexartig eine vernünftige Entscheidung zu treffen.“

„Männerverbot“
Im Frauenhaus herrscht striktes „Männerverbot“, das gilt auch für Angehörige der Frauen wie Brüder oder Väter. Dahingehend sind Treffen nur außerhalb des Frauenhauses möglich. Zudem sei es nicht einfach zu wissen, wie schnell sich Frauen überzeugen lassen, „dass sich der Lebenspartner in Zukunft ändern wird. Etwas Romantik, ein schönes Essen und ein Strauß Blumen reichen oft schon aus, dass die Frauen Hoffnung schüren, dass alles wieder gut wird. Nach ein paar Tagen oder Wochen werden sie dann aber wieder mit der traurigen Realität konfrontiert.“
Es gibt aber auch viele schöne Momente, die die Mitarbeiterinnen in ihrem Arbeitsalltag erleben. Beispielsweise wenn eine Frau den Absprung wirklich schafft und sich ihre Existenz neu aufbaut. Auch kleine Erfolge und Anlässe wie Geburtstage, Weihnachten oder Ostern werden im Frauenhaus in der Gemeinschaft gefeiert. „Am wichtigsten ist für die Frauen die Erkenntnis, dass die Drohungen der Männer - ihnen bei einer Trennung die Kinder wegzunehmen oder dass sie alleine finanziell nicht über die Runden kommen würden - nicht stimmen. Es gibt immer eine Lösung, egal wie groß die Probleme auch zu sein scheinen“, sagt Sonja Hartl, die Leiterin des Finanzbereiches im Frauenhaus. „Was sehr gut funktioniert, ist zudem die Zusammenarbeit mit der Polizei, den Behörden und anderen Einrichtungen. Im Innergebirg besteht eine hervorragende Vernetzung. Bezirksinspektionskommandant-Stellvertreter Kurt Möschl und sein Team beispielsweise unterstützen uns, wo es nur geht und sind immer rasch zur Stelle, wenn ein Notfall eintritt“, sagt Bichler-Hotter.

Zahl der Wegweisungen steigt
Unter‘m Strich steigen die Wegweisungen (wenn Männer der Wohnung verwiesen werden). Die Frequenz im Frauenhaus und die Gewalt im Allgemeinen sind gleichermaßen im Steigen. „Grund dafür ist vor allem der gesellschaftliche Druck. In Zeiten der Krise kämpfen die Menschen immer mehr mit Existenzängsten. Sie stehen immer mehr unter Druck, das lässt Streitsituationen immer schneller und vor allem heftiger eskalieren als früher“, ergänzt Sonja Hartl.
In den vergangenen 13 Jahren wurden im Frauenhaus Pinzgau 304 Frauen und 314 Kinder aufgenommen. Außerdem wurden bisher 1.118 ambulante Beratungen und zudem 5531 telefonische Beratungen bis inklusive dem Jahr 2010 durchgeführt. „Wir danken allen Frauen, die den Mut hatten und haben, sich aus der Gewaltspirale zu befreien“, so Sonja Hartl.

Zur Sache:

Die Definition von Gewalt gegen Frauen
Folgendes halten die Vereinten Nationen in einem internationalen Dokument fest: „Gewalt gegen Frauen ist die Manifestation der historisch gewachsenen Machtungleichheit zwischen Männern und Frauen, die zur Dominanz der Männer über Frauen, zur Diskriminierung und Behinderung von Frauen geführt hat. Gewalt ist einer der entscheidenden sozialen Mechanismen, durch den Frauen in einer untergeordneten Position gehalten werden“.

Deklaration der
Vereinten Nationen
zur Eliminierung
von Gewalt 1993

KONTAKT
Erreichbarkeit für Frauen:
Tel. 06582 / 743021
E-mail: frauenhaus@aon.at
FrauenNOTRUF Innergebirg: 0664 / 5006868

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