Wien - Ein kurzer Abriss

Wenn an der Alten Donau das Leben in die Stadt einzieht, der aussterbende Nachtdunst noch vereinzelt an den Häusern hängt und die ersten Sonnenstrahlen leise in den Prater einfallen, die Stadt mit ihren unzähligen roten Ampeln vergeblich versucht, sich gegen die Belagerung zu schützen, dann ist Morgen in Wien. Sankt Stephan ragt aus den Straßen heraus, überstrahlt alle Bauten, deren Mauern Geschichten vergangener Tage erzählen und ihre Besucher wie Kinder mit einer Umarmung begrüßen. Vereinzelt stehen Straßenmusiker an den Ecken, untergegangen in der ignoranten Menschenmenge der Moderne. Nur manches Kind bleibt überwältigt wie vor einem Weihnachtsbaum stehen und lässt sich von den Musiken verzaubern. Fiaker drehen ihre Runden und führen fremde Menschenaugen durchs Zentrum, die durch die Unterstützung von übergroßen Fotoapparaten jene Bilder festzuhalten versuchen, die im Fotoalbum ihrer Herzen keinen Platz mehr finden. Die Stadt, kaum lässt sie sich davon beirren und doch leiden viele Geschichten unbemerkt hinter verfallenen Mauern.
Unter grauen Wolken tropft der Regen von den Wänden, die in der durch die Zeiger der Uhr erzeugten Hektik völlig durchnässt wie große anonyme Betonklotze wirken, denen man einst vergessen hat, Leben einzuhauchen. Zwischen Straßenrändern und künstlich errichteten Baumoasen wird der Ölfilm an der Oberfläche der Pfützen in den Untergrund jener Stadt geleitet, in der einst der Kaiser regierte. Die kitschigen Auslagen mancher Souvenirläden erinnern noch an die Tage, als Oberst und Zofe sich freundlich grüßten, sich täglich Mädchen in den jungen Kaiser verliebten und im Saal der Hofburg zum Feste Wiener Walzer getanzt wurde. Damals, als die Sorgen der ungarischen Nachbarn durch den rauen Ostwind in die Stadt getragen wurden, während andere nach Ischl in die Sommerfrische fuhren. Anstrengungen der Moderne prallen heute ab an den Wänden längst vergessener Tage und der Versuch, manch dunkle Stunde der Vergangenheit auszulöschen, scheitert im Blitzgewitter touristischer Neugierde. Man liebt sie heute, die Vergangenheit. Menschen durchlaufen sie, eingedeckt mit Stadtplänen und Rucksäcken, sie sonnen sich in ihrem Licht bevor sie braun gebrannt wieder abreisen, Wien seinem Schicksal überlassen und ein wenig von der Sonne Wiens und seiner Geschichte in die Ferne tragen.
Kaum jemand widersteht dem Kaffeeduft, der einem in die Nase steigt, sobald man den Kopf wieder aus dem unterirdischen Verkehrschaos ans Tageslicht bringt. Versüßt durch die Kostprobe einer Sachertorte verbringen erschöpfte Touristenmengen den Bruchteil einer Stadtführung in einem der bekannten Kaffeehäuser, die einst dem Wiener Adel für den Austausch von Neuigkeiten ihre Türen öffneten. Zufrieden bevölkern sie danach wieder die Straßen, die Taschen gefüllt mit süßen Mehlspeiserinnerungen. Sie werden umkreist von halbleeren Straßenbahnen, deren Glocken manch verträumten Fußgänger aus der Ferne ins Stadtgeschehen zurückholen und dabei geschwächt darauf aufmerksam machen, dass auch die Tram noch am Leben ist. Erst wenn die Nacht wieder einfällt und die Schaufenster sich verdunkeln, leeren sich allmählich die Gassen, in denen sich nun herrenlose Hunde ungestört vergnügen, um die Spuren der letzten Stunden aufzulesen. Gleichzeitig verfällt die Stadt, zugedeckt mit dem dunklen Tuchent der Nacht, im mit zähem Nebel aufgepolsterten Nachtlager erschöpft in ihren Tiefschlaf. Wien bleibt Wien und ist doch anders.

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