"Ich hatte es satt, angelogen zu werden"

Unrasiert seit 30. August: Einem Wetteinsatz zufolge will sich Sepp Schellhorn bis zum Wahltag nicht mehr rasieren.
  • Unrasiert seit 30. August: Einem Wetteinsatz zufolge will sich Sepp Schellhorn bis zum Wahltag nicht mehr rasieren.
  • hochgeladen von Stefanie Schenker

Herr Schellhorn, Sie sind in Goldegg noch gemeindepolitisch für die ÖVP tätig?
SEPP SCHELLHORN:
"Ja, ich bin in der Gemeindevertretung und nachdem ich der einzige Wirtschaftstreibende im Ortskern bin, werde ich diese Verantwortung auch weiterhin wahrnehmen. Laut ÖVP-Statut ist die Kandidatur für eine andere wahlwerbende Partei ein Ausschließungsgrund – bisher ist aber vonseiten der ÖVP kein entsprechendes Schreiben eingetroffen."

Auf Landesebene unterstützen Sie nach wie vor ÖVP-LH Wilfried Haslauer?
SEPP SCHELLHORN:
"Ich habe ihn im Wahlkampf unterstützt und dafür stehe ich ein. Ich schätze ihn als Politiker, und das ist meine Entscheidung."

Warum dann die Kandidatur für NEOS?
SEPP SCHELLHORN:
"Ich bin ein Wirtschaftstreibender und im bürgerlich-liberalen Lager zu Hause. Ich habe in der Vergangenheit gesehen, wie sich die Bünde innerhalb der ÖVP gegenseitig vernichten, das war nie meine Sache. Und ich bin überzeugt, die ÖVP wird implodieren. In den vergangenen 20 Jahren hat sie nichts für den Mittelstand getan, und das hat mich geärgert. Ich hatte es satt, angelogen zu werden. Wenn Vizekanzler Michael Spindelegger von einer 'Entfesselung' spricht, dann müsste er endlich die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern abschaffen. Und dass er es ernst meint mit 'Entfesselung', das nehme ich ihm nicht mehr ab. Deshalb engagiere ich mich bei NEOS."

Was hat NEOS, was sonst niemand hat?
SEPP SCHELLHORN:
"Wir meinen es ernst damit, dass mehr im Geldbörsel bleiben muss, die kalte Progression bewirkt ja, dass man selbst bei höherem Lohn weniger Gehalt herausbekommt. Und das Anlügen bei den Pensionen muss ein Ende haben. 2014 werden mehr Menschen in Pension gehen als ins Arbeitsleben eintreten. Und ich will hier mitgestalten, damit es anders wird."

Pensionsalter erhöhen, Privilegien abbauen – das klingt ja alles ganz gut, aber die derzeitige Regierung (und die davor) reden seit Jahrzehnten von der Erhöhung des Pensionsalters, ohne dass es da merklich Bewegung gibt. Können das dann ein paar NEOS-Abgeordnete im Parlament ändern?
SEPP SCHELLHORN:
"Ich glaube, dass sich im Bund nicht mehr Rot-Schwarz ausgehen wird, die Zeichen stehen auf eine Dreier-Koalition und da werden wir Gesprächspartner sein und unsere Ideen einbringen. Pensionen über 5.000 Euro müssen um 15 Prozent gekürzt, das Antrittsalter hinaufgeschraubt werden. Und ich finde es unfair, wenn man jene, die sich privat etwas gespart haben, jetzt mit einer Reichensteuer noch einmal bestraft."

Wenn Sie Pensionen über 5.000 Euro kürzen wollen, dann müssen Sie ja in bestehende Pensionsverträge eingreifen – denn diese Pensionsmodelle sind ja jetzt schon Auslaufmodelle, für die Jungen gibt es das sowieso nicht mehr. Glauben Sie wirklich, dass Sie das schaffen?
SEPP SCHELLHORN:
"Wenn wir über 'Reiche' reden, dann müssen wir auch über gerechte Pensionen sprechen. Wir dürfen niemandem mehr versprechen, dass er mit mehr als 2.000 Euro in Pension gehen kann."

Als Vater von drei Kindern haben Sie ein authentisches Bild von unserem Bildungssystem.
SEPP SCHELLHORN:
"Vor 30 Jahren hat es vielleicht gereicht, wenn nur ein Elternteil arbeiten ging, das ist heute nicht mehr so, dazu kommen viele Alleinerzieher. Was wir wollen, ist eine Startgerechtigkeit für alle Kinder. In Lend im Pinzgau gibt es einen Schulversuch in einer Volksschule mit hohem Migrationsanteil, in der es in den ersten drei Jahren keine Noten gibt, und zusätzlich gibt es einen Drei-Jahresplan, der auf Montessori aufbaut. Erst in der vierten Klasse gibt es dann – als Vorbereitung auf die Schullaufbahn danach – Noten. Das ist meiner Meinung nach ein Modell, das allen eine Chancengleichheit einräumt. Denn jetzt können 18 Prozent der Volksschüler nach vier Jahren nicht richtig lesen, schreiben oder auch nicht rechnen. Und dieses knappe Fünftel aller Kinder haben wir damit von vornherein von einer Chancengleichheit ausgeschlossen."

Und nach der Volksschule? Brauchen wir da möglichst viele verschiedene Schulen, eine Gesamtschule für alle, Ganztagesschulen oder Halbtagesschulen für jene, deren Mütter zu Hause sind?
SEPP SCHELLHORN:
"Es muss unterschiedliche Schultypen geben, es sollten Elternrat und in den höheren Schulen auch ein Schülerrat entscheiden, welche Lehrer an der Schule unterrichten – und nicht das Parteibuch. Freilich muss man auch die Arbeitsplätze der Lehrer verbessern, die sind noch wie vor 30 Jahren. Ein Lehrer darf nicht einmal einen eigenen Computer mitnehmen."

Kinderbetreuung wird immer als Plan B gesehen – für den Fall, dass die Mutter eben doch nicht nur zu Hause ist. Damit hat das immer ein bisschen den Geruch nach armen Kindern von Rabenmüttern. Dass die Väter in diesem Bild keine Rolle spielen, ist eine andere Geschichte ....
SEPP SCHELLHORN:
"Wir müssen möglichst früh Kinderbetreuung anbieten, sonst können die Familien keine Reserven aufbauen. Der Besuch einer Krabbelstube fördert ja auch die soziale Kompetenz der Kinder und wenn möglichst viele Kinder in eine Krabbelstube gehen, dann wächst hier eine neue Generation heran, die mögliche Migrationsunterschiede gar nicht mehr sieht. Und ich finde es zum Beispiel unfair, dass der Kindergarten etwas kostet, das Studieren aber nicht."

Kommen wir zum Wahlkampf: Sie haben sich in pinken Badeshorts auf die Surfwelle am Almkanal getraut. Vielleicht unbewusst, aber dennoch haben Sie es dabei mit Ihrem nackten Oberkörper Heinz Christian Strache und Frank Stronach gleich getan.
SEPP SCHELLHORN (lacht):
"Ich will nicht sagen, dass ich der Jüngere oder Frischere bin, aber ich wollte damit natürlich schon ein Zeichen setzen, nämlich, dass wir uns für Jugendliche einsetzen. Und die Almkanalwelle war dafür ein perfekter Platz, weil die Jugendlichen sie gefordert und anfangs auch gegen Widerstände durchgesetzt haben. Dass die Badeshorts pink waren, ist natürlich bewusst gewählt gewesen."

Apropos Stronach, Sie stehen ja als Gastronom und Ex-Hotelierspräsident mit beiden Beinen fest im Leben eines Unternehmers. Was halten Sie von der Sozialpartnerschaft?
SEPP SCHELLHORN:
"Ich bin gegen die Zwangsmitgliedschaft, stelle aber nicht die Kompetenzen der Gewerkschaft oder der AK in Frage. Nur, wenn die einzelnen Sozialpartner ohnehin gute Arbeit leisten, dann wird es ja ohnehin ausreichend freiwillige Mitglieder geben, oder? Ich will mir meine Interessensvertretung jedenfalls lieber selber aussuchen können. Durch die verfassungsmäßige Verankerung der Sozialparnerschaft wird das System Österreich gebrochen, Schattenregierungen machen ein Land unregierbar. Man sieht ja: Wir sind Bremsern wie Fritz Neugebauer ausgeliefert, mit solchen Bremsern ist kein moderner Staat zu machen. Und deshalb muss diese verfassungsrechtliche Verankerung der Kammern aufgelöst werden."

Enkeltaugliche Zukunft: Das klingt sehr nett, aber wie soll das ausschauen?
SEPP SCHELLHORN:
"Um nur bei den Finanzen zu bleiben: indem es der Staat auch einmal schafft, Schulden zurückzuzahlen, zum Beispiel. Es gab in der gesamten zweiten Republik nur einen Finanzminister, nämlich Reinhard Kamitz, der zwei Mal einen Budgetüberschuss zusammenbrachte. Das war in den 60er-Jahren."

Wahlkampf, Job, Familie: Wie bringen Sie das unter einen Hut? Oder anders gefragt: Warum wollen Sie sich mit der Politik überhaupt noch etwas Zusätzliches aufhalsen?
SEPP SCHELLHORN:
"Ich mache es nicht für mein persönliches Ego, und ich bin auch nicht politikverdrossen. Aber ich hatte die Wahl, mich entweder jeden Tag wahnsinnig über unsere Politiker zu ärgern oder selber einen Beitrag zu leisten."

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