„So gewinnen die Männer immer“
Wüstenrot-GD Susanne Riess-Passer über Frauen-Fallen im Job und eine Frauenpolitik, die nichts bringt.
BB: Sie sind eine Gegnerin der Frauenquote. Warum?
RIESS-PASSER: „Erstens ist die Frauenquote eine Herabwürdigung der Frauen. Ich kenne das ja aus der Politik, da heißt es, wir brauchen noch eine Frau und am liebsten eine, die nicht lästig ist. Zweitens fördert die Frauenquote die falschen Frauen bzw. die falschen Motive, warum eine Frau etwas werden sollte. “
BB: Was braucht es dann?
RIESS-PASSER: „Frauen müssen selbst auch aktiver werden. Frauen sind in den verschiedenen Institutionen immer die Frauensprecherinnen, während alle wichtigen Agenden von Männern, den Präsidenten geleitet werden. Wenn ich Frauen bei uns eine Führungsposition angeboten habe, war es lange so, dass sie mich gefragt haben ‚Glauben Sie wirklich, dass ich das kann?‘ während ich den Männern mühsam beibringen muss, dass sie etwas nicht können. Es mangelt den Frauen leider noch an Selbstbewusstsein.“
BB: Das ist aber ein Teufelskreis, der sich über Jahrzehnte hinweg festgefahren hat und an dem sich nichts ändern wird, wenn man nicht konkret dagegensteuert.
RIESS-PASSER: „Nein, es hat sich ja in den letzten Jahren schon sehr viel verändert, einfach weil sich die Gesellschaft verändert hat. Ich wollte früher Rechtsanwältin werden, bei der Hälfte meiner Bewerbungsgespräche bekam ich die Antwort ‚Wir nehmen keine Frauen, weil die werden immer schwanger‘. Heute ist das längst passé. Ich sehe die Probleme nicht so sehr bei Führungspositionen – denn ich glaube, es gibt keinen Vorstand, in dem eine Frau weniger verdient als ihre männlichen Kollegen –, sondern vielmehr bei den Frauen im beruflichen Alltag.“
BB: Haben Sie ein Rezept gegen die auseinanderklaffende Gehaltsschere?
RIESS-PASSER: „Ich sehe bei uns im Unternehmen – und da gibt es selbstverständlich gleiche Anfangsgehälter –, dass sich Frauen schwerer tun, weil sie wegen Kindererziehungszeiten Unterbrechungen haben. Solange wir die Gehaltsschemata an der Dauer der Branchen- und Betriebszugehörigkeit orientieren, gewinnen immer die Männer – einfach weil sie mehr Jahre zusammenbringen – und es verlieren immer die Frauen. Zöge man hingegen Leistung und Aufgaben als Bewertungsgrundlage und nicht die Anzahl der Jahre einer bestimmten Tätigkeit heran, dann sähe die Sache anders aus.“
BB: Was halten Sie von den derzeit diskutierten eigenen Kollektivvertragsverhandlungen für Frauen?
RIESS-PASSER: „Das ist ja wieder so eine Falle! Da werden die Frauen in eine Ghetto-Situation gebracht. Ein Weg kann es sein, die Karenzzeiten bei den Gehaltsvorrückungen miteinzubeziehen, aber das müsste man sich schon genau anschauen. Die Frage lautet: Wie bewerte ich Arbeitsleistung? Da geht es auch darum, den Betrieben mehr Freiheiten zu lassen – wir bei Wüstenrot haben zum Beispiel 187 verschiedene Arbeitszeitmodelle, weil wir dort, wo es geht, die Wünsche der Frauen berücksichtigen. Nur hört das die Gewerkschaft nicht so gerne, ebensowenig wie sie von anderen Entlohnungsmodellen als den gängigen etwas hören will. Solange die aber so bleiben wie sie sind, werden Frauen immer, immer, immer benachteiligt sein.“
BB: Helfen Teilzeitarbeitsmodelle den Frauen oder sind sie eher ein Karrierehemmer?
RIESS-PASSER: „Das ist auch so ein Problem. Eine Frau, die 25 oder 30 Wochenstunden arbeitet, hat meistens keine Chance auf eine Führungsposition. Bei Wüstenrot haben wir drei Teilzeit-Führungskräfte. Das geht aber nur, weil diese Frauen Partner haben, die auch einmal zu Hause einspringen. Sehr gut funktioniert bei uns auch der Außendienst für Frauen – vor zehn Jahren noch eine klassische Männerdomäne. Frauen sind unglaublich gut organisiert, jede entwickelt da ihr persönliches Modell. Manche arbeiten untertags von zu Hause und absolvieren ihre Kundenbesuche zwischen 17 und 20 Uhr – wenn der Partner schon zu Hause ist. Das ist – wenn sich Frauen drübertrauen – ein hervorragendes Modell, bei dem die Frauen ihre Arbeitszeit und auch ihren Verdienst selber steuern. Der österreichweit beste Außendienstmitarbeiter von Wüstenrot ist mit meilenweitem Abstand eine Frau.“
BB: Andere Länder haben durchgehende Ganztagesbetreuungsmodelle für Kinder – in Österreich werden ganztags arbeitende Mütter immer noch als Rabenmütter abgestempelt – sind die Österreicher im Vergleich hinterwäldlerisch?
RIESS-PASSER: „Ich glaube, die Österreicher wären schon soweit, wenn man ihnen dieses Thema gut verkaufen würde. Sie leben das ja auch in ihrer Realität. Und zwar schon seit Jahrzehnten – schauen Sie die bäuerlichen Familien an. Da sind es beide Elternteile, die viel arbeiten, und das Betreuungsmodell sind dort eben zufällig die Großeltern. Aber die Familien- und Frauenpolitik in Österreich ist leider sehr ideologiegeprägt, sie dient eigentlich nur der Profilschärfung der Parteien, die sich sonst ja inhaltlich kaum voneinander unterscheiden.“
BB: Wären Sie Frauenministerin, was wären wichtige politische Ziele?
RIESS-PASSER: „Die Frauenministerin tut mir eigentlich leid, weil man in dieser Funktion keine reale Macht hat, sondern nur Überzeugungsarbeit leis-ten kann. Was wir brauchen, ist kein ‚Tag der Frau‘, sondern Lösungen für Eltern und Kinder – unabhängig von Parteipolitik.“
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