Lesbisches Paar
Die kleine Mia hat zwei Mamas

Im Oktober 2020 hat das Paar geheiratet. Diesen Februar kam die gemeinsame Tochter Mia zur Welt.  | Foto: Eris Wedding
3Bilder
  • Im Oktober 2020 hat das Paar geheiratet. Diesen Februar kam die gemeinsame Tochter Mia zur Welt.
  • Foto: Eris Wedding
  • hochgeladen von Elisabeth Klein

Katharina Artner ist 28 Jahre alt und Volksschullehrerin in Freistadt, wo sie auch geboren und aufgewachsen ist. Derzeit ist sie jedoch in Karenz, denn vor einigen Wochen bekamen sie und ihre Frau Anna ihr erstes Kind. Gemeinsam mit der 27-jährigen Kunststofftechnikerin und Tochter Mia wohnt sie in Linz. Im Interview mit der BezirksRundschau spricht die frisch gebackene Mutter offen über ihre Homosexualität, gleichgeschlechtliche Ehen, Homophobie und Angst vor Andersartigkeit sowie darüber, wie wichtig Aufklärungsarbeit ist, auch und vor allem in Schulen. 

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie lesbisch sind?
Das Thema Homosexualität war für mich nie etwas Ungewöhnliches. Als ich fünf Jahre alt war, hat mir mein Großcousin Bernhard erzählt, dass er schwul ist und so habe ich erfahren, dass auch Männer in Männer verliebt sein können. Natürlich war ich überrascht, denn das wusste ich vorher nicht, aber ab diesem Zeitpunkt war das für mich normal. Vor einigen Jahren wurde mein Großcousin Bernhard zu meiner Großcousine Johanna.

Ich habe ihn immer bewundert, wie offen und selbstbewusst sie mit ihrer Transsexualität umgeht. Sie ist Stewardess und war schon des Öfteren im Fernsehen, hat einen eigenen YouTube-Kanal und auch ein Buch veröffentlicht. Später war dann meine beste Freundin lesbisch und auch meine Cousine hatte eine Beziehung mit einer Frau. Ich hatte also in meinem Umfeld immer mit dem Thema zu tun und bin daher schon immer sehr offen gewesen. Meine erste Freundin hatte ich mit 20. Ich habe sie bei einem Konzert kennengelernt und mich in sie verliebt. Es ging mir dabei aber nicht darum, dass sie eine Frau war, sondern einfach um sie als Person, um den Charakter. 

Haben Sie als Teenager auch Jungs getroffen?
Ja, bis zu meinem 20. Lebensjahr habe ich nur Jungs getroffen. Ich hatte auch eine längere Beziehung, als ich 17 Jahre alt war. Nach meiner ersten Freundin habe ich dann aber nur noch Frauen getroffen und kann mir jetzt keine Beziehung mehr mit einem Mann vorstellen. Ich kann mir generell nichts mit jemand anderes als meiner Frau vorstellen, egal ob mit einem Mann oder einer Frau.

Gab es dann so etwas wie ein Outing?
Ein klassisches Outing im Sinne von „Ich bin lesbisch“ gab es nicht. Ich habe einfach erzählt, dass ich mich in eine Frau verliebt habe und jetzt mit ihr zusammen bin.

Anna Nguyen und Katharina Artner sind seit sieben Jahren ein glückliches Paar.  | Foto: Privat
  • Anna Nguyen und Katharina Artner sind seit sieben Jahren ein glückliches Paar.
  • Foto: Privat
  • hochgeladen von Elisabeth Klein

Wie hat Ihr Umfeld reagiert?
Natürlich waren die Menschen in meinem Umfeld zuerst überrascht, aber da ich in einer sehr offenen Familie groß wurde, war das kein Problem. Meine damalige Freundin wurde offen aufgenommen. Auch in meinem Freundeskreis war das kein Thema. Meine Genration ist in Bezug auf das Thema Homosexualität generell sehr aufgeschlossen. Außerdem hatte ich zu dieser Zeit einige homosexuelle Freundinnen und Freunde, für sie war das ja sowieso normal.

Wann und wie haben Sie ihre jetzige Frau Anna kennengelernt?

Anna habe ich 2014 kennengelernt, nachdem meine vorherige Beziehung zu Ende war. Wir haben uns ganz klassisch beim Fortgehen in Linz mit gemeinsamen Freunden kennengelernt. Obwohl wir uns davor schon einmal kurz gesehen haben, wurde ich erst bei einer Halloween-Feier richtig auf sie aufmerksam. Danach haben wir viel miteinander geschrieben und haben uns dann immer wieder getroffen. Ganz normal also, in der heutigen Zeit schon fast altmodisch.

Zeigen Sie offen, dass Sie ein Paar sind?
Anna hat vietnamesische Wurzeln, ihre Eltern kommen beide aus Vietnam und in der vietnamesischen Kultur ist es nicht üblich, dass man seine Zuneigung in der Öffentlichkeit zeigt, egal ob hetero- oder homosexuell. Auf der Straße sind wir daher eher zurückhaltend. Auch innerhalb der Familie zeigt man das nicht so. Wenn wir aber unter Freunden oder bei meiner Familie sind, zeigen wir ganz normal, dass wir ein Paar sind, wie jedes andere Paar auch.

Waren Sie auch schon mal mit Inakzeptanz oder Homophobie konfrontiert?
Wenn wir draußen unterwegs sind, fallen uns schon oft die Blicke der anderen auf. Die Menschen fragen sich wahrscheinlich, wie wir zueinander in Beziehung stehen. Viele glauben, dass Anna ein Kind ist, weil sie so jung aussieht. Vor allem jetzt, wo wir ein Baby haben und Anna unsere Tochter gerne in der Trage trägt, können uns die Leute nicht einordnen. Das ist auch verständlich, weil Anna eben viel jünger aussieht, als sie ist.

Sie ist nämlich nur ein Jahr jünger als ich, also 27. Da wir aber öffentlich unsere Zuneigung nicht so zeigen, sind wir auch wenig mit Anfeindungen, Inakzeptanz oder Homophobie konfrontiert. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wir uns in Kreisen bewegen, in denen wir wissen, dass wir akzeptiert und willkommen sind.

Dennoch gibt es manchmal abwertende Kommentare?
Ja, eben deshalb, weil Anna so jung aussieht. Nach unserer Hochzeit wollte sie den Namen auf ihrem Führerschein ändern. Dazu waren wir zuerst bei der Polizei in Linz. Der erste Kommentar von dem Polizisten war: „Für wos? Fürn Radlführerschein?“ Oder einmal hat eine Nachbarin bei uns geklingelt. Anna hat die Türe geöffnet und die Nachbarin fragte: „Hallo, ist deine Mama zu Hause?“ Das klingt zuerst vielleicht ganz lustig, wenn man aber dauernd solche Kommentare hört, ist es das nicht mehr.

Es kommt auch immer darauf an, wie die Leute etwas sagen. Einmal hat eine Kassiererin beim Hofer zu mir gesagt: „Da haben Sie aber einen geschickten Jungen.“ Als ich ihr dann sagte, dass das meine Frau ist, war es ihr unangenehm und sie hat sich entschuldigt. Sie hat sich sogar dann einige Tage später noch einmal bei Anna entschuldigt, als sie wieder dort war. Das ist total okay, die Kassiererin war nett und hat es nicht böse gemeint.

Man sieht auch nicht auf den ersten Blick, dass Anna eine Frau ist, weil sie sich nicht typisch weiblich kleidet. Wenn aber Menschen von vornherein abwertend reagieren, wie beispielsweise der Polizist oder einmal ein Verkäufer in der Trafik, der zu Anna sagte: „Du bekommst das sicher nicht, du bist noch nicht 16!“, dann ist das nicht in Ordnung. Man kann das auch anders formulieren oder bei Unsicherheit einfach zuerst den Ausweis verlangen.

Im Oktober 2020 hat das Paar geheiratet. Diesen Februar kam die gemeinsame Tochter Mia zur Welt.  | Foto: Eris Wedding
  • Im Oktober 2020 hat das Paar geheiratet. Diesen Februar kam die gemeinsame Tochter Mia zur Welt.
  • Foto: Eris Wedding
  • hochgeladen von Elisabeth Klein

Wann haben Sie geheiratet und wie war das?
Geheiratet haben wir im Oktober 2020. Geplant war die Hochzeit eigentlich für April 2020, aber dank Corona mussten wir sie in den Herbst verschieben. Ich war dann schon im sechsten Monat schwanger, was eigentlich anders geplant war. Trotzdem war der Tag genau so, wie wir ihn uns vorgestellt haben. Wir haben uns standesamtlich nur im engsten Familienkreis getraut und am Abend mit unseren Freundinnen und Freunden gefeiert.

Es war ein sehr emotionaler Tag, den wir bestimmt nie vergessen werden. Aber auch am Standesamt gab es einen unangenehmen Vorfall. Bei der Anmeldung, kurz vor der Trauung, saßen Anna, ich und unsere Brüder, die unsere Trauzeugen waren, im Büro mit einer Standesbeamtin. Sie warf einen Blick auf uns alle und fragte: „Und wer ist nun der Bräutigam?“ Wir konnten zuerst gar nicht glauben, dass sie das wirklich gefragt hat. Sollte man nicht normalerweise etwas besser auf eine Hochzeit vorbereitet sein und wissen, wen man vor sich sitzen hat? Zu allem Überfluss war die nächste Frage, nachdem sie unsere Ausweise schon gesehen hatte, ob Anna denn Deutsch spreche. Wir waren fassungslos. Zum Glück war das nicht die Standesbeamtin, die uns dann anschließend getraut hat.

Darf man in Österreich als gleichgeschlechtliches Paar offiziell heiraten?
Ja, seit 1. Jänner 2019 dürfen auch gleichgeschlechtliche Paare in Österreich offiziell heiraten.

Was bedeutet es für Sie, verheiratet zu sein?
Wir haben aus Liebe geheiratet. Es bedeutet für uns, dass wir zusammengehören und uns nichts mehr trennen kann. Wir sind nun eine Familie und es bedeutet mir sehr viel, dass Anna meinen Namen angenommen hat. Es war uns wichtig, dass wir alle drei denselben Namen tragen. 

Wie war das dann mit Ihrem Kind, war klar, wer es bekommt?
Dass wir ein Kind wollen, wussten wir schon länger. Für uns war auch von vornherein klar, dass ich das Kind bekommen werde. Anna hatte nie das Bedürfnis, selbst schwanger zu werden. Nachdem wir uns 2019 eine Eigentumswohnung in Linz gekauft haben, stand dem Wunsch auch nichts mehr im Wege. Wir wandten uns an eine Kinderwunschklinik und im Mai 2020 wurde ich gleich nach dem ersten Versuch der In-Vitro-Fertilisation schwanger. Im Februar 2021 kam dann unsere Tochter Mia Anna zur Welt.

Hat Tochter Mia jetzt einfach zwei Mamas?
Ja genau. Wir sind beide Mamas für Mia, es gibt keinen Vater und keine stereotype  Rollenverteilung. Wobei es in der heutigen Zeit sowieso nicht mehr so sein sollte, dass die Frau alleine für den Haushalt und die Kinder zuständig ist und der Mann arbeiten geht. Da aber auch ein männlicher Part im Leben eines Kindes wichtig ist, gibt es ja genügend männliche Bezugspersonen in der Familie.

Haben Sie Bedenken, dass Mia in der Schule deswegen mal "gemobbt" wird?
Ich mache mir schon Gedanken, wie das sein wird, wenn Mia in den Kindergarten bzw. in die Schule kommt. Da wir aber sehr offen mit unserem Leben umgehen, werden wir das auch weiterhin so handhaben, dass wir einfach mit den Pädagogen und Pädagoginnen darüber sprechen, damit das Thema vielleicht auch im Unterricht besprochen wird. Es gibt viele gute Bilderbücher zum Thema Familienformen und auch zum Thema gleichgeschlechtliche Eltern und Regenbogenfamilien.

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Kinder von Grund auf sehr aufgeschlossen sind und gut mit dem Thema umgehen können. Das Problem sind meistens nicht die Kinder, sondern die Eltern und wie sie das Thema mit den Kindern besprechen. Wenn die Mama oder der Papa sagt, dass Homosexualität nicht normal ist, und dass Homosexuelle schlechtere Menschen wären, dann wird das Kind das auch glauben.

Katharina und Anna leben gemeinsam in Linz.  | Foto: Privat
  • Katharina und Anna leben gemeinsam in Linz.
  • Foto: Privat
  • hochgeladen von Elisabeth Klein

Sie sind selbst Volksschul-Lehrerin, haben Sie da gute Ideen, wie man das im Unterricht angehen könnte?
Für mich als Lehrerin war dieses Thema auch immer etwas schwierig. Meine Chefin und alle meine Kolleginnen und Kollegen wussten, dass ich in einer Beziehung mit einer Frau lebe und das war auch nie ein Problem. Sie waren alle sehr aufgeschlossen. Schwieriger war es bei den Kindern, denn ich wusste, dass einige noch nie davon gehört hatten, dass auch Frauen in andere Frauen verliebt sein und heiraten können. Für andere war das ganz normal, da es auch in ihren Familien gleichgeschlechtliche Paare gab. Ich finde es wichtig, Kinder aufzuklären, damit es nicht zum Tabuthema wird. Vielleicht hilft es auch manchen Kindern, die selbst homosexuell sind, zu wissen, dass es nichts Schlimmes ist. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Im Grunde führen wir ein ganz normales Leben als Familie, so wie man es sich wünscht. Wohnung, Hochzeit, Kind und Katzen. Vielleicht sogar etwas spießig, aber uns gefällt es, wir sind sehr glücklich mit unserem Leben. Und ich hoffe, dass auch für die Gesellschaft das Thema Homosexualität irgendwann ganz normal wird.

Danke für das Gespräch. 

Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Freistadt auf MeinBezirk.at/Freistadt

Neuigkeiten aus Freistadt als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Freistadt auf Facebook: MeinBezirk.at/Freistadt - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Freistadt und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.