Klinikum Grieskirchen
Stellenwert der Ernährung im Gesundheitswesen
In einem Social-Media-Posting kritisiert Haubenkoch Paul Ivic im November einen "äußerst fragwürdigen Speiseplan im Krankenhaus". Wir haben am Klinikum-Standort Grieskirchen nachgefragt und durch Küchenchef Hannes Zeininger und Diätologen Manfred Braun interessante Einblicke in die Krankenhaus-Küche erhalten.
GRIESKIRCHEN. In seinem Posting schreibt Ivic, Küchenchef und Geschäftsführer des vegetarischen Restaurants Tian in Wien und der einzige Koch Österreichs, der mit rein vegetarischer Küche einen Michelin-Stern erkocht hat, unter anderem: "Abgesehen davon, dass das alles nichts mit Schonkost zu tun hat, braucht es nach einem operativen Eingriff Speisen, die einem dabei helfen, wieder zu Kräften zu kommen und eine Ernährung, die die Heilung fördert. Dass sich Krankenhäuser nach wie vor verweigern, für ihre Patienten Verantwortung zu übernehmen, finde ich persönlich fragwürdig und erbärmlich."
Nach welchen Anforderungen wird der Speiseplan im Klinikum Grieskirchen erstellt ?
Küchenleiter Johannes Zeininger: Der Speiseplan wird in erster Linie den Anforderungen unserer PatientInnen entsprechend gestaltet. Die große Bandbreite macht diese Aufgabe vielfältig. Wir versorgen Kinder und Jugendliche mit Essstörungen, Mütter auf der Entbindungsstation bis hin zu Menschen mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern auf der Akutgeriatrie.
Wie viele regionale Produkte werden verarbeitet?
Zeininger: Der prozentuelle Anteil von Lieferanten aus der Region liegt bei rund 60 Prozent. Viele davon stammen aus dem Bezirk. Direkt vom Bauern kaufen wir Milch, Joghurt, Äpfel, Getreide, Eier, Sauerkraut, ÖL und Gemüse. Wild beziehen wir von der Jagdgemeinschaft Michaelnbach.
Ergibt sich eine Änderung des Speisenangebots aufgrund der wachsenden Zahl an Menschen, die sich vegetarisch/vegan ernähren, aus religiösen Gründen Fleisch ablehnen oder an Allergien und Unverträglichkeiten leiden?
Zeininger: Da sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an. Derzeit besteht unser Speisenangebot zu 75 Prozent aus fleischlosen Gerichten. Diese Umstellung der Ernährungsgewohnheiten spiegelt sich hauptsächlich im Mitarbeiterspeisesaal wieder. Im Durchschnitt haben wir dort mehr vegetarische Gerichte als Fleischgerichte.
Diätologe Manfred Braun: In Punkto Unverträglichkeiten, wie etwa Laktose, Fructose oder Gluten, steigt die Zahl der Patienten. Diese können wir durch eine individuelle Versorgung und Beratung unterstützen.
Kommen bei der Erstellung des Speiseplans ErnährungsberaterInnen zum Einsatz?
Zeininger: Wir beschäftigen DiätologInnen, wie etwa Manfred Braun, die als Bindeglied zwischen Patient, Medizin und Küche wirken. Sie beraten die Küchenleitung bei der Speiseplanerstellung und überwachen die Speisenportionierung. Im Bereich der Diätmenüs überprüfen sie diese auf ernährungsphysiologische Anforderungen. Bei der Speisenzubereitung stehen sie den KüchenmitarbeiterInnen zur Seite.
Wie häufig wechselt der Speiseplan? Spielen saisonale Verfügbarkeiten eine Rolle?
Zeininger: Grundsätzlich haben wir einen Speiseplan, der sich in fünf Wochen wiederholt. Die meisten Patientinnen und Patienten werden also täglich ein anderes Angebot an frisch zubereiteten Speisen zur Auswahl haben. Aktionswochen sorgen für Abwechslung. Die Bandbreite reicht von Fisch-, Wild-, Kürbis-, Knödel- bis hin zu Jahreszeiten-Wochen. Manche Gerichte schaffen es in den regulären Speiseplan. Der logistische Aufwand ist bei diesen Veränderungen eine Herausforderung. Ein Küchenbetrieb im Krankenhaus hat im Hintergrund Rezepte und abgestimmte Diätpläne sicherzustellen, Nährwerte und Kalorienberechnungen bereitzustellen, Hygienerichtlinien einzuhalten, Warenverfügbarkeit sicherzustellen und Informationen an beteiligte Mitarbeiter zu leisten. Einfach eine gute Idee zu haben ist zu wenig.
Sämtliche Krankenhaus-Angestellte sowie Mitarbeiter der Rettungsorganisationen können ebenfalls Ihr Speisenangebot nutzen. So gesehen lautet auch die Frage: Wie viel Geld wird in die gute Ernährung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert?
Zeininger: Wir sehen uns für die Angestellten verantwortlich, sie mit ausgewogener, gesunder Kost zu versorgen. Im Speisesaal werden neben einem Salatbüffet, Getränken und einem Dessert auch drei verschiedene Hauptspeisen zur Wahl angeboten. Vormittags steht kostenlos eine Portion Obst zur Verfügung. In Summe ermöglicht das Verpflegungsangebot eine ausgewogene Ernährung – mit einem Schwerpunkt auf vegetarische Speisen. Wir sind mit diesem Angebot sehr erfolgreich und haben die Besucherzahlen in den letzten zwei Jahren über 20 Prozent steigern können.
Versorgt die Krankenhaus-Küche weitere Einrichtungen der Region?
Zeininger: Mit Essen auf Rädern versorgen wir Menschen in fünf Gemeinden der Region, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. In Summe sind es rund 80 Essen pro Tag, von Hausmannskost über leichte Vollkost bis hin zu Diabeteskost.
Kann es bei den immer kürzer werdenden Aufenthalten eine Art von Ernährungsberatung für Patienten geben, die wegen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt & Co behandelt werden?
Braun: Natürlich! Beim Erstellen der Diagnose im Klinikum bieten wir Diätberatungen und Schulungen bei Stoffwechselerkrankungen an. Das Beratungsangebot umfasst Einzelberatungen sowie Gruppenschulungen bei Typ 2 Diabetes, die etwa auch einen Kochkurs in unserer Lehrküche beinhalten.
Welche Bedeutung spielt die Ernährung(-sbildung) im Gesundheitsbereich selbst?
Zeininger: In den vergangenen Jahren hat das Thema Ernährung am Klinikum Standort Grieskirchen als Teil der Therapie an Stellenwert gewonnen. Beginnend mit den Patienten auf geriatrischen Stationen, die eine unterstützende Versorgung von hochwertigen, zum Teil hochkalorischen Speisen zum Wiedererlangen ihrer Kräfte brauchen, über die spezielle Versorgung von magersüchtigen PatientInnen bis hin zur Versorgung von krankhaft übergewichtigen Menschen.
Braun: Bei Diagnosestellung von Stoffwechselerkrankungen – wie etwa erhöhtes Cholesterin, erhöhte Harnsäure, Übergewicht, Diabetes und so weiter – bietet die Diätologie im stationären Bereich Beratungen zur Umstellung in Richtung einer gesünderen Ernährungsweise an. Somit erlernt der Patient Alternativen zur bisherigen Ernährung.
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