Abhängigkeit hat viele Gesichter

- Zigaretten, Einkaufen, Alkohol und Medikamente sind die am weitesten verbreiteten Süchte in Land.
- Foto: Fotolia/Lorenz Timm
- hochgeladen von Florian Uibner
Jeder achte Österreicher ist süchtig: Zigaretten, Einkäufe und Alkohol sind am weitesten verbreitet.
BEZIRKE (fui). "Die klassische Suchtpersönlichkeit gibt es nicht", erklärt Ingo Fuhrich, stellvertretender Leiter der pro-mente-Einrichtung Erlenhof, einer Therapiestation für Suchtabhängige in Prambachkirchen. "Unsere Klienten stammen aus sozialen Verhältnissen, die sehr breit gefächert sind – aus gut situierten Familien genauso wie aus zerrütteten Familienverhältnissen", so Fuhrich.
Jeder achte ist süchtig
Mehr als eine Million Menschen in Österreich sind süchtig: Alkohol, Drogen, Medikamente, Tabak, Computer, Einkaufen, Glücksspiele – Sucht hat viele Facetten. Unangefochten an der Spitze steht nach wie vor die Zigarette, gefolgt von der Kaufsucht und dem Alkohol.
Am Erlenhof werden vor allem Menschen therapiert, die von Opiaten, Schmerzmitteln (Benzodiazepine) und vergleichbaren Suchtmitteln abhängig sind. Ein Trend, den Fuhrich feststellt: "Wir bemerken sehr deutlich, dass die Zahl junger Menschen mit schwerer Abhängigkeit stark zugenommen hat." Für das Abdriften in eine Abhängigkeit gibt es viele Faktoren, meint Fuhrich: "Oft hat es mit einer Art Selbstheilungsversuch zu tun, einer Stärkung des Selbstwertes. Wenn zum Beispiel jemand, der sonst eher schüchtern oder kontaktscheu ist, sich durch eine bestimmte Substanz stärker fühlt, mehr aus sich herausgeht, wird das speziell am Anfang als sehr positiv empfunden." Gleichzeitig wirken diese Stoffe immer auch auf die Psyche. Besonders die Methamphetamine, mit dem bekanntesten Vertreter Crystal Meth, verstärken Psychosen.
Online-Drogen-Handel
Um an Drogen oder Schmerzmittel zu gelangen, gibt es viele Möglichkeiten. In den vergangenen Jahren hinzugekommen ist der Online-handel, erklärt Oberstleutnant Friedrich Lechner vom Bezirkspolizeikommando Grieskirchen und Eferding. "Eine richtige Drogenszene gibt es aber in den beiden Bezirken nicht. Lediglich in den Randgebieten zu Wels stellen wir mehr Verstöße fest", sagt Lechner. Von 2016 auf 2017 stieg die Zahl der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz von 160 auf 200 – ein Plus von 25 Prozent. "Das hört sich nach viel an, ist aber in absoluten Zahlen nur ein geringer Anstieg", so Lechner. Dieser Anstieg habe mit einzelnen Ermittlungserfolgen zu tun, die gleich eine große Zahl an Anzeigen nach sich ziehen.
Beratungstellen
Angehörigen von Abhängigen rät Fuhrich, "ohne Panikmache und Vorwürfe das Gespräch zu suchen". Außerdem steht dem Betroffenen eine Vielzahl unterschiedlicher Beratungsstellen in den Bezirken zur Verfügung:
• Alkoholberatungsstelle Eferding: Tel. 0664/6007 2895 61 (Mo, Di, Do, Fr von 8 bis 12.30 Uhr), Stephan-Fadinger-Straße 4, 4070 Eferding
• Alkoholberatungsstelle Grieskirchen: Tel. 0664/6007 2895 60 (Mo, Di, Do, Fr von 8 bis 12.30 Uhr), Manglburg 17, 4710 Grieskirchen
• Psychosoziale Beratungsstelle pro mente: Tel. 07248/66321, Sportplatzstraße 18, 4710 Grieskirchen
• Beratungsstelle des OÖ Familienbundes: Tel. 07272/5703, Starhemberg-#+straße 7, 4070 Eferding
• Therapiestation Erlenhof der pro mente OÖ: Tel. 07277/6913 (Mo bis Fr von 8 bis 12 und 13 bis 16 Uhr), Taubing 7, 4731 Prambachkirchen
• Circle – Drogenberatung: Tel. 07242/45274, Dragonerstraße 22, 4600 Wels
• Beratung für Hörgeschädigte mit Suchtproblematik OÖ: Termine per SMS an Tel. 0664/6007 2142 25
Sachlichkeit statt Abschreckung
Kommentar von Florian Uibner
Jeder achte Österreicher hat ein Suchtproblem. Lange Zeit wurde Sucht vor allem mit bestimmten Personengruppen in Verbindung gebracht, für die man auch wenig schmeichelnde Worte wie zum Beispiel "Giftler" fand. Eine Sucht entsteht aber nicht von heute auf morgen. Sie hat viele Gesichter und zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. Die Faktoren für das Abdriften in eine Abhängigkeit sind vielfältig: Persönlichkeit, Umfeld sowie Art der Suchtmittels haben wesentlichen Einfluss. Und egal, ob jemand Tabak und Alkohol, Cannabis oder Meth konsumiert oder sich beim Einkaufen bis über beide Ohren verschuldet: Sucht ist eine Krankheit. Sachliche Informationen helfen Menschen, Risiken besser einschätzen zu können. Bloße Abschreckung ist gut gemeint, schafft bei vielen Gefährdeten aber sogar eine größere Anziehung.
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.