Corona: Raus aus der Isolation
Kinder brauchen soziale Kontakte

Eltern sind gefordert, veränderte Stimmungen ihrer Kinder zu erkennen, die Signale ernst zu nehmen, mit ihnen darüber zu reden und ihnen Sicherheit zu vermitteln. | Foto: Fotolia/Sandra Neumann
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  • Eltern sind gefordert, veränderte Stimmungen ihrer Kinder zu erkennen, die Signale ernst zu nehmen, mit ihnen darüber zu reden und ihnen Sicherheit zu vermitteln.
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Für ihre psychosoziale Reifung brauchen Kinder und Jugendliche permanent soziale Kontakte. Deshalb ist es laut Kinderpsychologe Adrian Kamper aus Grieskirchen dringend an der Zeit, die aufgrund der Corona-Pandemie notwendige Überbrückungszeit schrittweise zu reduzieren und zu beenden.

BEZIRKE GRIESKIRCHEN, EFERDING. Schulen und Vereine sind geschlossen, der Kontakt mit den Nachbarskindern oder den Großeltern nicht erlaubt. Es wird von Senioren gesprochen, die aufgrund des Besuchsverbotes an Einsamkeit leiden. Die verhängten Maßnahmen treffen aber in gleichem Maße auch unsere Kinder und Jugendlichen. „Allen Menschen wurde extrem viel abverlangt ,um den Verlauf der  Pandemie zu dämpfen. Insbesondere von Kindern und Jugendlichen wurde ein sehr hoher Solidarbeitrag verlangt. Sie benötigen für ihre psychosoziale Reifung und Entwicklung permanent soziale Kontakte. Also ein soziales Umfeld vom Elternhaus, den Großeltern, Verwandten, befreundeten Familien hin zu  altersgleichen Freunden im Kindergarten, in der Schule, in Vereinen“, erklärt Prim. Dr. Adrian Kampert, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Klinikumstandort Grieskirchen.

Ende der Isolation wichtig

Analoges  Beziehungserleben ist das Substrat der Gehirnreifung und ist nicht ersetzbar. Gestik und Mimik, Worte, Tonfall, Lautstärke und die emotionale Atmosphäre sind das Elexier der Hirnreifung, wenn es am direkten Gegenüber oder in der Gruppe erlebt wird. „Digital gestaltete Ersatzangebote wie soziale Medien, das Telefon oder Video-Chats können die Zeit überbrücken, wenn der direkte soziale Austausch nicht möglich ist. Nun ist es aber dringend an der Zeit, diese notwendige Überbrückungszeit  schrittweise zu reduzieren und zu beenden“, appelliert der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie.Gerade die Kinder benötigen ihre direkten sozialen Kontakte. Angefangen von der Krippe über den Kindergarten bis in die Schule ist die alterspassende Lebenswelt für die Entwicklung wichtig. Aus diesem Grund fordert Kamper: „Es braucht offizielle, klare Signale der nächsten Schritte und erkennbare Handlungen, die Familien und Kindern anzeigen, dass  die Krisenzeit vorbeigeht. Durchhalteparolen und die Bitte, Geduld zu haben, genügen nach so vielen Wochen nicht mehr.“

Verschärfung bei Vorbelastung

„Die abverlangten, inhaltlich richtigen Einschränkungen, haben insbesondere für psychisch vorbelastete, kranke Kinder und Jugendliche eine weitere Verschärfung dargestellt. Wobei das Ausmaß der Folgen erst erkennbar werden wird“, so Kamper. Der Spezialist für die kindliche Psyche erklärt weiters: “Es gibt Studien aus ähnlichen Situationen, die uns als Kinder-und Jugendmediziner große Sorge bereiten. Die Außenwelt, etwa Schule und Hort, hat für vorbelastete, psychisch kranke Kinder mitunter den  sicheren stabilen Ort der Tagesgestaltung dargestellt. Diese sind Mitte März schlagartig weggebrochen. Wenn zuvor bereits soziale und psychische Hilfsangebote und Behandlungen in Anspruch genommen wurden sind diese gleichzeitig weggefallen, was zu einer Verschärfung der Krise führt.“

Rechtzeitig reagieren

Kinder und Jugendliche jeder Altersstufe können eine Depression entwickeln. Selbst Kleinkinder im Alter von null bis drei Jahren können bereits Symptome zeigen. Die Hinweise haben viele Gesichter und reichen altersabhängig von vermehrtem Weinen, Stimmungsschwankungen, Teilnahmslosigkeit, Aggression, Schlaf- und Essstörungen oder Konzentrationsschwächen, unangemessenen Schuldgefühlen oder Selbstkritik bis hin zu Suizidgedanken. Hier sind Eltern gefordert, veränderte Stimmungen ihrer Kinder zu erkennen, die Signale ernst zu nehmen, mit ihnen darüber zu reden und ihnen Sicherheit zu vermitteln. Wenn Kinder weinen, weil sie Freunde und Familie vermissen, sollte gemeinsam nach Lösungen gesucht und Hoffnung gegeben werden. „Es ist davon auszugehen, dass die Zahl derer steigen wird, die nachhaltige Ängste entwickeln können. Es ist zu hoffen, dass Belastungsreaktionen und Ängste genauso wie depressive Stimmungslagen mit dem Hochfahren der sozialen Umwelt bei möglichst vielen Kindern rückläufig sind“, so Kamper. Er rät allerdings ganz klar: „Es sollte nicht zugesehen werden nach dem Motto ‚das vergeht wieder oder wächst sich aus‘. Vielmehr sollten die entsprechenden medizinischen, psychosomatischen sowie Kinder-und Jugendpsychiatrischen fachlichen Versorgungsstellen in Anspruch genommen werden.“

Kontakt halten ist wichtig

Wie eingangs erwähnt ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen soziale Kontakte zu ermöglichen. Wo es möglich ist sollte, unter Wahrung der Vorgaben rund um körperlichen Distanz und Mund-Nasen-Schutz, ein direkter Gesprächs- und Sichtaustausch stattfinden. Das fällt auf dem Land mit eigenem Garten sicher einfacher als in Ballungszentren. Abschließend noch eine Information rund um das Suchtpotential digitaler Medien. „Meines Wissens nach gibt es für das Volksschulalter keine Daten oder Studien, was den Konsum digitaler Medien an sich betrifft. Untersuchungen sind erst ab dem Jugendalter vorhanden und da sind die fachlichen Suchtkriterien mitunter erfüllt. Home learning als Quelle für die Entstehung einer Sucht würde ich als fake news bezeichnen, sollte das so dargestellt werden,“ so Kamper, Facharzt am Department für Psychosomatik für Säuglinge, Kinder und Jugendliche des Klinikum Wels-Grieskirchen am Standort Grieskirchen.

Zur Sache
Kontakt zur psychosomatischen Ambulanz​ am Klinikum Wels-Grieskirchen
Diagnostik und Behandlung Dr. Adrian Kamper

Eltern sind gefordert, veränderte Stimmungen ihrer Kinder zu erkennen, die Signale ernst zu nehmen, mit ihnen darüber zu reden und ihnen Sicherheit zu vermitteln. | Foto: Fotolia/Sandra Neumann
Dr. Adrian Kamper leitet das Department für
Psychosomatik für Säuglinge, Kinder und Jugendliche
der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am  Klinikum-Standort Grieskirchen. | Foto: Klinikum Wels-Grieskirchen
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