"Ältere sind der Politik wurscht"
Neues Taxisystem sorgt im Zickental für Verärgerung
Zwei Jahre lang hat Reinhold Kern seine Fahrgäste von zu Hause abgeholt, zum Arzt oder Supermarkt gebracht, ihnen die Einkaufstaschen getragen und sie wieder vor der Haustür abgesetzt. 2.621 Fahrten nach Güssing, Fürstenfeld oder Stegersbach hat der Fuhrpark des Kukmirner Taxiunternehmers seit November 2021 mit dem Zickental-Taxi absolviert, das die Gemeinden Kukmirn, Gerersdorf-Sulz, Heugraben, Rohr und Bocksdorf organisiert haben.
Haltestellen statt Direkt-Transport
Damit ist nun Schluss. Das Land hat dem Zickental-Taxi, dem Güssing-Taxi, dem Pinkatal-Taxi und dem Jennersdorf-Taxi den Förderhahn abgedreht und mit Anfang September ein landeseigenes Anrufsammeltaxi-System etabliert. Statt Abholung von und Transport zu einer bestimmten Hausadresse gibt es nun ein System mit mehreren Haltestellen pro Gemeinde.
Verschlechterungen befürchtet
Unter den älteren Stammfahrgästen des Zickental-Taxis herrscht darüber helle Aufregung. "Jede Woche bin ich mit dem Taxi gefahren. Ich habe einen Herzschrittmacher. Jetzt soll ich mit den vollen Einkaufssackerln von der Haltestelle heimgehen?", fragt sich Herta (82) aus Gerersdorf.
"Bis jetzt habe ich vor meinem Haus ein- und aussteigen können. In Güssing hat mich der Chauffeur zu jedem Arzt und hintereinander auch zu mehreren Geschäften gebracht", schildert Helga (62) aus Rohr, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gut zu Fuß ist.
Ältere Frauen betroffen
Es ist vor allem diese Zielgruppe, die das Anrufsammeltaxi bisher genützt hat. "80 Prozent der Fahrgäste sind ältere Frauen, die entweder ohne Führerschein sind oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selber fahren können und die zum Einkaufen, zum Arzt oder zu einer Therapie müssen", berichtet Taxiunternehmer Kern.
"Schreibtischhengste"
"Die älteren Leute sind der Politik wurscht. Die Schreibtischhengste haben keine Ahnung von der Praxis", ärgert sich Brigitte (76), die in Limbach "in der Einschicht" wohnt. "Das bisherige System hat hervorragend funktioniert. Ich verstehe nicht, warum es jetzt abgeschafft wird."
Keine Fürstenfeld-Fahrten mehr
Auch dass mit dem neuen Sammeltaxi (BAST) Fahrten ins nahe Fürstenfeld mit seinen Fachärzten und Fachgeschäften nicht mehr möglich sind, sorgt unter den alten Damen für große Empörung. Eine Ausweitung nach Fürstenfeld stehe aber in Diskussion, versuchen die Verkehrsbetriebe Burgenland auf Anfrage zu beruhigen.
Die Abholung von und der Transport zu bestimmten Adressen gebe es nicht mehr. erklärt Christian Uchann, Konzernsprecher der Landesholding Burgenland. Das BAST sei ein öffentliches Verkehrsmittel mit Fahrpreisen und kein Taxi, daher wurden Haltepunkte definiert. Für gebrechliche und gehbehinderte Personen werde aber in Absprache mit der jeweiligen Gemeinde ein "virtueller Haltepunkt" gesetzt und die Abholung von zu Hause durchgeführt.
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