Theaterkritik
„Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ im Projekttheater Hall Sudhaus

Das Theaterstück läuft noch bis 3. April im Sudhaus Hall | Foto: Projekttheater Hall
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  • Das Theaterstück läuft noch bis 3. April im Sudhaus Hall
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  • hochgeladen von Michael Kendlbacher

Dichte dramatische Inszenierung von George Taboris’ „Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ im Projekttheater Hall Sudhaus.

HALL. Lustig ist das Stück ja nicht, obwohl man immer wieder dabei lachen muss. Aber Taboris’ Kunst besteht ja darin, die Antworten auf die schrecklichen Erfahrungen in der Nazizeit in Sarkasmus, Selbstironie und absurdem Humor zu kleiden. So lässt er seinen Protagonisten Alfons Morgenstern, einziger Überlebender seiner Familie im Holocaust, in unserer Zeit, also nicht 1938, sondern 1996, in die alten Ängste von damals eintauchen und paranoisch die Zeit von damals wieder als Gegenwart erleben. Dass damit verborgener, aber auch schon wieder sichtbarer Antisemitismus von heute im „gemütlichen“ Wien gemeint wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Spielleiter Hermann Freudenschuss meistert seinen Part mit starker Hand, aber einfühlsam genug, kein leichtes Unterfangen, haben doch neun Akteure die Aufgabe, sich jeweils in 21 wechselnden Rollen zu verwandeln. Die Figur des Alfons Morgenstern ist die zentrale Säule des Stücks, Kurt Benkovic wird den Anforderungen dieser Figur mit großer Spielfreude, souveräner Komödiantik und sprachlicher Sicherheit in hohem Maße gerecht, Christina Nessmann wirkt überzeugend als seine Frau Angela, Erich Thummer verkörpert glaubwürdig den von sich eingenommenen Psychiater, der vor keinem Experiment mit seinem Patienten zurückschreckt, Hans Peter Höllriegl ist der dröhnend überzeugte Schnitzelwirt, Gogo Moser kann als dement wirkender Gast, als Hausmeister Putz und als Gorillamutter im Zoo seine Verwandlungsfähigkeit beweisen, Ilse Gallister, Arthur Bliem, Lorenz Penz und Heinz Schnaiter müssen sich ebenfalls in mehreren Rollen bewähren, u.a. als Tiere im Zoo, bei denen Morgenstern auch keinen Trost z finden vermag. Die musikalische Untermalung der fünf Szenen wandelt sich von walzerseligen Melodien bis zur klagenden jiddischen Klarinette Ostgaliziens. Aber: nach all dem Schrecken lässt man sich am jüdischen Friedhof von Wien das Brot mit einem Schnitzel schmecken, vertrautes Lebensmittel quasi als gesicherte Ingredienz der Geborgenheit. So eine dichte, repetierende Anklage und hartnäckiges Erinnern kann als Literatur leicht scheitern. Tabori kann es aber, auch weil er es selbst erlebt hat. Und er verpackt seine Mahnungen nicht mit triefendem Moralin, sondern er kreiert stattdessen anspruchsvolle Theaterkunst. Gespielt wird bis zum 3. April, im Haus Lobkowitz in der ehemaligen Saline Hall darf Theater wieder leben.

Eine Theaterrezension von Peter Teyml

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