Impfen: Skepsis im Wienerwald steigt

Der Impfplan 2014 emp­fiehlt bereits im ersten Lebensjahr elf Immunisierungen, die von der Krankenkasse bezahlt werden. | Foto: Archiv
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Milliardengeschäft oder präventive Maßnahme – ein kleiner Nadelstich löst große Diskussionen aus. Immer mehr Eltern verweigern die empfohlenen "Jaukerl".

REGION WIENERWALD (mh). Grippewelle, Masern-Epidemie, HPV-Virus und mit der ersten Frühlingssonne auch die Zecken. Derzeit sind die Medien voll von Impfempfehlungen. Doch immer mehr Skeptiker vermuten, dass Impfungen mehr schaden als nützen, zum Beispiel Allergien, Krebs oder Alzheimer auslösen können. Tatsache ist: Das Impfen ist ein Milliardengeschäft. In Österreich bezahlt die Kasse für Kinder bis zum zweiten Lebensjahr elf Impfungen, zehn weitere werden empfohlen. Die Bezirksblätter hörten sich in der Region Wienerwald um.

Impfkritische Haltung
"Impfreaktionen" bei Bekannten waren für Gabriele Pech aus Eichgraben Auslöser für ihre impfkritische Haltung: "Ein zweijähriges Mädchen bekam nach der Zeckenimpfung Neurodermitis, ein anderes Kind konnte nach der Injektion den Arm drei Tage lang nicht bewegen. Da beginnt man zu überlegen!" Die Mutter entschied nach einer "Nutzen-Risiko-Abwägung", den Impfschutz ihres heute neunjährigen Sohnes zum Kindergarteneintritt auf Tetanus und zu Schulbeginn auf Masern-Mumps-Röteln zu beschränken. Auf alle anderen empfohlenen Impfungen habe sie verzichtet. "Als Vor­sichts­maß­nah­me haben wir in den ersten Jahren große Menschenansammlungen vermieden und waren mit dem Kind in keinen Krankenhäusern, War­te­zim­mern, Einkaufszentren oder auf Urlaub im Ausland!", erzählt die gelernte Einzelhandelskauffrau.

Nichtgeimpfte profitieren von Geimpften
Kinderärztin Raffaela Hammerl emp­fiehlt in ihrer Praxis in Eichgraben generell, die Kinder impfen zu lassen. "Aber ich respektiere auch die Meinung von Eltern, die nach reichlicher Überlegung Kinder nicht impfen lassen." Den meisten sei allerdings der sogenannte "Herdenschutz" nicht bewusst: "Die Nichtgeimpften profitieren davon, dass die anderen geimpft sind und bedenken nicht, dass sie für die anderen unter Umständen eine Gefahr sind", sagt die Ärztin und Mutter.

Zur Sache
Herdenschutz oder Herdenimmunität bedeutet, dass so viele Menschen gegen ein Virus immun sind, dass es sich nicht mehr ausbreiten kann. Das konnte mit den Pocken laut WHO 1980 weltweit erreicht werden, bei den Masern haben beispielsweise die USA dieses Ziel erreicht.

INTERVIEW
Gabriele Pech, Mutter in Eichgraben, im Gespräch mit den Bezirksblättern

Bezirksblätter: Sie bezeichnen sich selbst als "impfkritisch". Wie sind sie zu dieser Haltung gekommen?

Gabriele Pech: Mein Sohn ist jetzt neun Jahre alt. Zu überlegen begonnen haben wir erst, als ein Kind im Familienkreis Neurodermitis als Impfreaktion auf die zweite Zeckenimpfung bekommen hat. Das Kind war damals um die zwei Jahre alt und es hat fast ein Jahr gedauert, bis sie die Neurodermitis mit dem Homöopathen wegekriegt haben. Dann hat es es eine zweite Impfreaktion gegeben, bei der ein Kind seinen Arm drei Tage lang nicht mehr bewegen konnte. Das war der Auslöser, warum wir uns beim Hausarzt, bei Freunden und im Internet informiert haben. Wir haben nach einer "Nutzen-Risiko-Abwägung" entschieden, unseren heute neunjährigen Sohn zum Kindergarteneintritt auf Tetanus und zu Schulbeginn auf Masern-Mumps-Röteln zu beschränken. Auf alle anderen empfohlenen Impfungen haben wir verzichtet.

Welche Folgen hatte ihre Entscheidung, nicht alle Impfungen mitzumachen?

Pech: Als Vor­sichts­maß­nah­me haben wir in den ersten Jahren große Menschenansammlungen vermieden und waren mit dem Kind in keinen Krankenhäusern, War­te­zim­mern, Einkaufszentren oder auf Urlaub im Ausland. Wir haben auch dafür gesorgt, dass unser Sohn in keinen mehrgruppigen Kindergarten mit 150 Kinder kommt, sondern in ein eingruppiges Haus. Unser Kind geht jetzt nicht in die Nachmittagsbetreuung im Hort. Unser Sohn ist nicht mehr oder weniger krank als ein andere. ich denke, seine Immunabwehr ist recht gut, weil wenn irgendwelche Magen-Darm-Viren für regelrechte Epidemien sorgen, ist unser Kind das einzige, das nicht krank wird.

Haben Sie dadurch Einschnitte in Ihrem Leben in Kauf nehmen müssen?

Pech: Wir haben einen großen Garten, wir haben Spielplätze, wir sind viel draußen., Wir sind keine Leute, die jeden Samstagvormittag "shoppen" gehen. Es war für uns kein Einschnitt, weil wir uns einfach draußen getroffen haben und unser Kind in keine Kinderkrabbelgruppe gegangen ist. Ich bin noch immer zu Hause bei meinem Kind, es geht noch immer in die Volksschule und er ist jetzt nicht in einer "Aufbewahrungsstätte". Wir haben ja geimpft, aber wir haben die Impfungen an das Alter und die Entwicklung des Kindes angepasst. Für uns war es nicht notwendig, dass wir einem Säugling eine Sechsfachimpfung geben. Wir haben im ersten Jahr einen Kinderarzt gehabt, der auch homöopathisch behandelt hat und der immer zu uns nach Hause gekommen ist und so haben wir uns gut aufgehoben gefühlt.

Wie sind die "fehlenden" Impfungen von ihrem Umfeld aufgenommen worden?

Pech: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns nie jemand gedrängt hat, weder die Mutterberatung, noch unsere Hausärztin. Wir sind nie schief angeschaut worden, weder in der Schule noch im Kindergarten.

INTERVIEW
Raffaela Hammerl, Kinderärztin in Eichgraben, im Gespräch mit den Bezirksblättern

Bezirksblätter: Ist Impfen eine völlig harmlose Sache?

Dr. Raffaela Hammerl: Wie bei allen Sachen gibt es auch bei Impfungen Pro und Contra. Man muss abwägen, was die Vorteile und was die Nachteile sind. Es gibt einen Österreichischen Impfplan, bei dem die Nutzen-Risiko-Rechnung sehr ausführlich überlegt wurde. Ausserdem werden Impfstoffe, bevor sie zugelassen werden, streng geprüft.

Geben Sie diese Empfehlungen eins zu eins an Ihre Patienten weiter?

Hammerl: Ich versuche die Patienten neutral aufzuklären. Ich bin als Ärztin verpflichtet, die Patienten über den Nutzen der Impfungen, über die Nebenwirkungen und über die Folgen der Krankheiten, gegen die geimpft wird, aufzuklären. Dann müssen die Patienten selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder impfen lassen wollen oder nicht. Ich empfehle generell, die Kinder impfen zu lassen, aber ich respektiere auch die Meinung von Leuten, die sagen, sie haben sich das reichlich überlegt und lassen das Kind nicht impfen oder wählen nur spezielle Impfungen aus.

Sie akzeptieren also, wenn Eltern nur bestimmten Impfungen zustimmen?

Hammerl: Ich frage die Eltern natürlich, woher sie ihre Informationen haben und bitte sie zu überlegen, wie verlässlich die Quellen sind, denen sie vertrauen. Auf Google findet man unter "Impfschaden" natürlich viel mehr Homepages von Impfgegnern als von Impfbefürwortern. Ich denke, dass die Bevölkerung momentan sehr verwirrt ist, was die Informationen bezüglich Impfungen betrifft. Impfen ist eine Präventionsmassnahme und der Nutzen der Impfung ist für den Patienten und die Eltern nicht unmittelbar sichtbar, denn viele schwere Erkrankungen, gegen die geimpft wird, z.B. Kinderlähmung oder Diphtherie, sind sehr selten geworden, und daher sind sich viele Leute gar nicht bewusst, wie verheerend die Folgen dieser Krankheiten sein könnten.

Die Skepsis gegenüber Impfungen ist in den letzten Jahren immer mehr gestiegen. Nachdem auch ich Mutter bin, habe ich mich natürlich auch gefragt, ob diese Skepsis berechtigt ist. Die Argumente der Impfgegner sind mir wohl bekannt: Inhaltsstoffe der Impfungen z.B. Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe, Antibiotika sollen der Gesundheit schaden. Auch Schwächung des Immunsystems, Förderung von Allergien, Autismus und plötzlicher Kindstod sollen die Folge von Impfungen sein, was zwar mittlerweile wissenschaftlich widerlegt wurde, aber immer noch als Meinung unter der Bevölkerung weit verbreitet ist. Die Informationen sind sehr vielfältig, und sie sind sogar für mich schwer zu durchschauen. Deswegen muss es für jemanden, der kein Arzt ist, erst recht schwer zu durchschauen sein, welcher Quelle man vertrauen kann. Unter dem Strich bin ich nicht nur als Ärztin sondern auch als Mutter zu dem Entschluss gekommen, dass Impfungen empfohlen werden können.

Sind alle empfohlenen Impfungen gleich wichtig?

Hammerl: Ich denke schon, dass manche Impfungen wichtiger sind als andere, aber generell ist es gut, sich an die Impfempfehlungen zu halten. Besonders wesentliche Impfungen sind Diphtherie, Tetanus, Polio, Keuchhusten und Mumps, Masern, Röteln. Es ist sehr wichtig, die Kinder schon im ersten Lebensjahr impfen zu lassen, denn gerade im ersten Jahr ist zum Beispiel Keuchhusten eine sehr schwere Erkrankung, an der unter Einjährige versterben können. Auch die Mumps-Masern-Röteln-Impfung ist sehr wichtig. Masern sind vielleicht für ein fünfjähriges Kind, das sich im Kindergarten angesteckt hat, nicht gefährlich. Aber das sechs Monate alte Geschwisterkind landet mit einer Masern-Lungenentzündung auf der Intensivstation. Oder die Mutter des Kindes, das sich im Kindergarten mit Röteln angesteckt hat, ist schwanger und bekommt ein Baby mit multiplen Fehlbildungen. Und wenn die Durchimpfungsrate zurückgeht, werden diese Leute die Masern, Mumps oder Röteln als Erwachsene bekommen, bei denen der Krankheitsverlauf weitaus schwerer als bei Kindern ist.

In diesem Zusammenhang spricht man auch von "Herdenschutz". Das bedeutet, wenn ein gewisser Prozentsatz geimpft ist, wird die Ausbreitung der Krankheit eingedämmt oder stirbt sogar aus. Das ist zum Beispiel mit den Pocken geschehen, daher muss heute keiner mehr gegen Pocken geimpft. Die Impfung nützt nicht nur dem, der sich impfen lässt, sie nützt auch den anderen rundherum. Oder umgekehrt formuliert, die Nichtgeimpften profitieren davon, dass die anderen geimpft sind und bedenken aber nicht, dass sie für die anderen unter Umständen eine Gefahr sind. Auch für solche Leute die sich gar nicht impfen lassen können, z.b. sehr kleine Babys oder Leute mit Immundefekt.

Was kann nach einer Impfung passieren?

"Impfreaktionen" treten sehr häufig auf. Das Immunsystem reagiert auf die Impfung, weil es Antikörper gegen die Erkrankung bildet. Das ist ja erwünscht und diese Antikörperbildung geht einher mit – relativ häufig – Fieber, Rötung, Schmerzen und Schwellung an der Injektionsstelle, allgemeiner Müdigkeit und Abgeschlagenheit, weil es für den Körper sehr anstrengend ist, diese Antikörper zu bilden.

Beispiele für "Impfnebenwirkungen" sind eine allergische Reaktion oder eine Gehirnentzündung, die in eins zu einer Million Fälle auftritt, also sehr ... sehr selten. Es ist viel wahrscheinlicher an Keuchhusten zu sterben, wenn man unter einem Jahr ist. Es ist also weitaus gefährlicher, die Krankheit durchzumachen.

Der "Impfschaden" schließlich ist ein Dauerschaden an dem Patienten. Das Risiko ist verschwindend gering. Gehäuft aufgetreten sind Impfschäden zu den Zeiten der Tuberkulose- und Pockenimpfungen, die es bei uns schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt.

Stimmen die Horrorgeschichten über Aluminium und andere Gifte im Impfstoff?

Impfungen brauchen Zusatzstoffe, um die Wirkung zu verstärken. Stoffe wie Formaldehyd, Aluminium und Antibiotika (Neomycin) sind in manchen gängingen Impfungen enthalten, allerdings in verschwindend kleinen Mengen. Wenn ich mich eine Woche lang ganz normal ernähre, nehme ich weit mehr Aluminium zu mir als in der Sechsfachimpfung drinnen ist. Formaldehyd ist auch in Kosmetika enthalten und ich möchte nicht wissen, wieviel Antibiotika ich unbewusst durch den Verzehr von Fleisch zu mir nehme. Durch die Umwelt nehmen wir also ständig Schadstoffe auf, daher sind die genannten Inhaltsstoffe von Impfungen nur zu einem sehr sehr kleinen Teil und auch nur vielleicht für unsere Gesundheit schädlich, auch wenn es viele Impfungen sind, die ein Kind bekommt. Unterm Strich nehme ich dieses Risiko in Kauf, damit ich oder mein Kind gegen gefährliche Krankheiten geschützt sind.

KOMMENTAR von Michael Holzmann
Mündige Patienten als Segen und Last
Wenn ich meinen Impfpass betrachte, wird mir bewusst, dass ich keine Zwanzig mehr bin. Das vergilbte Mäppchen mit seinen Stempeln längst pensionierter oder in die Ewigkeit abberufener Ärzte gibt einen Einblick in eine Zeit, als die Mediziner noch wirkliche "Götter in Weiß" waren. Niemand hätte damals infrage gestellt, was in uns gespritzt, geritzt oder uns auf scheinbar harmlose Zuckerwürfel getropft einverleibt wurde. Und mit den Informationen nahmen es die Mediziner auch nicht so genau. Dass bei der "Schluckimpfung" gegen die Kinderlähmung beispielsweise mit brandgefährlichem Lebendimpfstoff herumhantiert wurde, der echte Polio-Viren in unseren Stuhl beförderte, erzählte uns der Schularzt nicht. Aber vielleicht habe ich ja nicht aufgepasst. Die Eltern von heute machen das hingegen umso besser und das schmeckt weder allen Ärzten noch den Pharmakonzernen.

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