Ausgleich Inn
Renaturierter Flussabschnitt erste Bewährungsprobe bestanden

Beim jüngsten Hochwasser hat das Renaturierungsgebiet bereits wunschgemäß funktioniert. | Foto: Agnes Dorn
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Vor wenigen Tagen wurde Tirols größte Renaturierungsmaßnahme abgeschlossen. Bauherrn Tiwag und Land zeigen sich zufrieden mit dem Ergebnis.

STAMS. Im Oktober 2021 startet die TIWAG als begleitende Ausgleichsmaßnahme des Erweiterungsprojekts Kühtai umfangreiche Revitalisierungsmaßnahmen am Inn zwischen Stams und Rietz. Nun wurden die Wasserbauarbeiten des regionalen Vorzeigeprojekts abgeschlossen und mit dem Hochwasser vor wenigen Tagen einem ersten Härtetest unterzogen.

Tiwag-Vorstand Alexander Speckle, LH-Stv. Josef Geisler, Projektleiter Klaus Feistmantl und Ökologe Martin Schletterer zeigen sich mit dem Ergebnis zufrieden. | Foto: Agnes Dorn
  • Tiwag-Vorstand Alexander Speckle, LH-Stv. Josef Geisler, Projektleiter Klaus Feistmantl und Ökologe Martin Schletterer zeigen sich mit dem Ergebnis zufrieden.
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„Die vielfältigen Maßnahmen, die wir hier entsprechend der gewässerökologischen und na-turkundefachlichen Rahmenbedingungen umgesetzt haben, schaffen für Flora und Fauna am Inn neue Lebensräume“, erklärte TIWAG-Vorstandsdirektor Alexander Speckle bei einem Lokalaugenschein. Sofort nach Fertigstellung des 3,5 Kilometer langen Projektgebiets siedelten sich umgehend die ersten Vögel, darunter der Flussuferläufer, an, wie Tiwag-Ökologe Martin Schletterer schwärmt.

Bündel an Maßnahmen

Neben der Ausweitung des Inns und der Schaffung von neuen Wasser- und Uferbereichen umfasst das 13 Millionen Euro teure Projekt auch die Umsetzung einer Fischaufstiegshilfe am Rietzer Bach, die den zwei Meter hohen Absturz nun tierfreundlich ergänzt. Für die Zukunft wird die Renaturierungsfläche nun ganz dem Inn überlassen, der hier schalten und walten können wird, wie es ihm beliebt.

Zu der Renaturierungsmaßnahme gehört auch die Flussaufstiegshilfe vom Rietzer Bach. | Foto: TIWAG/droneproject
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So wurde beim jüngsten Hochwasser bereits viel Material von den beiden eigens angelegten Inseln durch den Strom entfernt und flussabwärts getragen. Nur der Uferbereich ist befestigt, um dem Fluss doch etwas Einhalt zu gebieten. "Es gibt schon einen Paradigmenwechsel im Wasserbau", befindet Energie-Landesrat LH-Stv Josef Geisler. Nun würde man wesentlich stärker auf Ausweitung statt auf Einengung des Flussbetts setzen. Er meint: „Die vorbildhafte Umsetzung dieses Projekts zeigt auch, dass in Tirol die Wasserkraftnutzung im Einklang und Ausgleich mit der Natur möglich ist.“

Biodiversität und neue Lebensräume

Der Inn weist in Tirol mit insgesamt 150 Kilometern zwischen Fließ und Kirchbichl die längste freie Fließstrecke eines Flusses in Österreich auf, wurde aber auch im Laufe der Zeit in vielen Bereichen eingeengt, begradigt und verbaut. Die Flusssohle hatte sich eingetieft, viele Au-zonen trockneten aus.

Der Inn als lebendiger und wandelbarer Lebensraum darf sich hier wieder frei entfalten. | Foto: Agnes Dorn
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Auf einer Länge von rund drei Kilometern wurden daher zwischen Stams und Rietz die be-stehende Ufersicherung entfernt und das Gewässerbett um bis zu 75 Meter aufgeweitet, damit der Inn künftig eigendynamisch wirken kann. So entstanden vielseitige Lebensräume für Gewässer- und Landlebewesen, beispielsweise Ruhig- und Flachwasserzonen, Seitenarme, Naturufer, Schotterflächen und Inseln, die in den letzten 150 Jahren verschwunden waren – unter anderem durch Landnutzung, Eisenbahn- und Autobahnbau. Der Hochwasserschutz für die angrenzenden Siedlungsflächen und die Autobahn bleibt durch die Maßnahme ebenfalls zukünftig sichergestellt, wie Projektleiter Klaus Feistmantl erläutert..

Seltene Vögel siedeln sich an

Raubäume und Fischunterstände sowie Totholz und Steine bieten Reptilien und Käfern neuen Unterschlupf. Auch der Zwergrohrkolben, eine früher für den Inn typische Pflanze, wurde im Zuge des Projekts neu angesiedelt. „Besonders erfreulich und ein Beleg für die Qualität der umgesetzten Maßnahmen ist, dass sowohl Flussregenpfeifer als auch Flussuferläufer, zwei europaweit seltene Vogelarten, sich im Gebiet der Ausgleichsfläche angesiedelt haben und an den Uferflächen brüten“, erklärt TIWAG-Ökologe Martin Schletterer: „Wir appellieren daher an die Bevölkerung, in der Brutzeit (April - August) auf die Tiere Rücksicht zu nehmen und die Schotterflächen nicht zu betreten.“ Zudem gewährleiste die Dimension dieser Revitalisierung auch eine positive Wirkung auf flussauf- und flussabgelegene Abschnitte und stelle insbesondere in fischökologischer Hinsicht eine bedeutende Maßnahme dar.

Seltene Vögel wie dieser Reiher nutzen das neue Gebiet bereits als Lebensraum. | Foto: Agnes Dorn
  • Seltene Vögel wie dieser Reiher nutzen das neue Gebiet bereits als Lebensraum.
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Eine für die Natur ebenso positive Begleiterscheinung ist die Beseitigung von 9.500 Kubikmeter Müll, die im Zuge der Vorerhebungen entdeckt, fachgerecht ausgehoben und entsorgt wurden. Um das nun neu entstandene Naturgebiet zu schützen, fordert nun die Bürgerinitiative Feldring die Ausweitung des Schutzgebiets, da es in den östlich anschließenden Rietzer Innauen immer wieder zu Störaktionen durch Biker komme, die tiefe Reifenspuren in den Ufersandbänken hinterlassen würden. Auch auf der Nordseite des Inns östlich der Hängebrücke müssten regelmäßig Unmengen an Müll entfernt werden.

Je nach Wasserstand führt der Seitenarm mehr oder weniger bis gar kein Wasser. | Foto: Agnes Dorn
  • Je nach Wasserstand führt der Seitenarm mehr oder weniger bis gar kein Wasser.
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"Im Renaturierungsgebiet wurden auch schon Raftingboote beobachtet, die dort anlanden. Bergwacht und BI Feldring fordern deshalb unisono einen strengen Schutz in bestimmten Bereichen. In den Brutgebieten der Kiesbankbrüter soll ein saisonales Betretungsverbot die ungestörte Aufzucht der Küken bis zum Frühsommer ermöglichen. Um den Tieren mehr Rückzugsmöglichkeiten zu bieten, müsste das Schutzgebiet erweitert werden", so die Forderung von BI-Sprecher Gerd Estermann.

Umfangreiches Monitoring

Beim Land und der Tiwag gibt man sich diesbezüglich gelassen: Denn auch wenn das Gebiet durchaus schützenswert ist, so wolle man doch die Leute nicht davon abhalten, den Inn als Ausflugsziel zu nutzen, appellieren Speckle und Geisler an den Hausverstand der Erholungssuchenden. Die Wasserbauarbeiten und damit der größte Teil der unmittelbaren Bauarbeiten sind zwar abgeschlossen, das Projekt als Ganzes aber noch nicht: In den nächsten Monaten bzw. Jahren stehen für die ÖkologInnen der TIWAG noch umfangreiche begleitende Arbeiten auf dem Programm: Neben der Bekämpfung von Neophyten muss sich die Vegetation entsprechend entwickeln, einige Flächen benötigen zudem noch Pflege und Nachschau. Gleichzeitig wird ein umfassendes Monitoringprogramm umgesetzt. Die Nachbargemeinden sollen außerdem mit Informationen über Brutzeiten et cetera informiert werden.

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