Der ideale Klang der Meistergeigen
Der ideale Klang ist tägliche Herausforderung Wilfried Ramsaier-Gorbachs im ältesten Geigenbaugeschäft Wiens.
INNERE STADT. "Die Reparatur einer alten Meistergeige ist eine große Verantwortung und ich bin selbstverständlich konzentrierter als bei einer Schülergeige. Grundsätzlich gehen meine Mitarbeiter und ich an jeden Auftrag mit Bedacht und großer Ehrfurcht vor dem Instrument heran", sagt Wilfried Ramsaier-Gorbach.
In seinem Geigenbauatelier kümmert er sich nicht nur um die Reparatur, sondern auch um die Restauration und Klangeinstellung der sensiblen Streichinstrumente. Kommt es etwa zu einem Tausch des Stimmstocks, der "Seele" eines Streichinstruments, herrscht bei den feinsinnigen Kunden oft schon im Vorfeld Nervosität: Entscheidet doch die richtige Platzierung dieses unscheinbaren Bauteils über Wohl und Wehe des Klangs – dabei geht es um Bruchteile von Millimetern. "Es ist ein bisschen wie bei einer Operation am offenen Herzen. Aber wenn man weiß, was man tut, klingt das In-strument nachher stets besser als zuvor", beruhigt der Geigenbaumeister.
Geigenbau mit Tradition
Der geborene Stuttgarter absolvierte seine Gesellenzeit bei Meister Otmar Lang, seinem Vorgänger im kleinen Geschäftslokal direkt im Musikvereinsgebäude. Seit 1995 ist Wilfried Ramsaier-Gorbach selbst Geigenbaumeister, 2002 übernahm er das seit 1871 bestehende Geschäft von seinem Lehrmeister.
"Etwa alle 100 Jahre muss man den Bassbalken einer Geige tauschen", lautet ein Grundsatz von Geigenbauern. So denkt man in Ramsaier-Gorbachs Branche eher langfristig: Muss doch das Holz, aus dem die Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässe schließlich entstehen, zuvor schon einige Jahrzehnte lang gelagert werden. Nur so können sich die Profimusiker auf die akustische Kraft und Reinheit verlassen, schließlich herrschen auch beim Publikum allerhöchste Qualitätsstandards. "Vieles kann man reparieren, aber bei jahrhundertealten Streichinstrumenten ist manches auch nicht reversibel. Darum ist Hektik immer fehl am Platz." Man glaubt es ihm, herrscht in seinem Atelier doch eine Art gespannter Ruhe, ähnlich wie kurz vor dem Beginn eines Orchesterkonzerts.
Der verheiratete Vater dreier Kinder erzählt von seinen Anfängen als Geigenbaumeister: "Als meine Tochter drei oder vier Jahre alt war, meinte sie: ‚Der Papa soll das Geschäft wieder verkaufen, weil er nur mehr so selten zu Hause ist.‘ So hat der Beruf mein Familienleben sicher sehr beeinflusst. Aber dieses Schicksal teile ich mit vielen Selbstständigen." Er hadert aber nicht damit: "Dass ich diesen Beruf machen darf, ist ein Segen und ein großes Geschenk."
Wilfried Ramsaier-Gorbachs Kunden vertrauen ihm ihre wertvollen Instrumente an, zu denen sie beim täglich stundenlangen Üben eine enge Beziehung aufgebaut haben: "Es ist ein Vertrauensbeweis und eine große Verantwortung. Aber wenn man etwa ein Baby von Freunden auf den Arm nehmen darf, ist die Verantwortung noch viel größer: Denn ein Baby ist viel wertvoller, als eine Geige es je sein könnte."
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