Platz für Diskurs
Kunstinstallation vor dem Lueger-Denkmal in Wien eröffnet
Die neue Kunstinstallation von KÖR (Kunst im öffentlichen Raum), von den Künstlern Nicole Six und Paul Petritsch, wurde heute vor dem Lueger-Denkmal eröffnet. Sie soll zum Diskurs über den einstigen Bürgermeister, dessen damalige populistische Politik von Antisemitismus und Rassismus geprägt war, anregen. Die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen demonstrierten bei der Eröffnung: Für sie gehört Lueger "runter vom Podest".
WIEN/INNERE STADT. Seit 1926 steht die Statue des ehemaligen Bürgermeisters Karl Lueger auf dem gleichnamigen Platz. Lueger verstand es schon zu Lebzeiten geschickt, einen beispiellosen Kult um seine Person aufzubauen und die Menschen als „Modernisierer und Anwalt der kleinen Leute“ in seinen Bann zu ziehen. Mit radikal rassistischer Rhetorik machte er einen neuartigen populistischen Antisemitismus zu seinem politischen Programm und legte damit Weichen für künftige Rechtspopulisten.
Dennoch gibt es in ganz Wien zahlreiche Denkmäler, Gedenktafeln und Straßen, die nach Lueger benannt sind. Das größte davon ist das Denkmal am Karl-Lueger-Platz, eine riesige Bronzefigur, die immer wieder beschmiert wird und im Diskurs der Öffentlichkeit steht. Seit Jahren gibt es einen Diskurs, wie man mit den Erinnerungszeichen umgehen soll.
"Lueger Temporär" für ein Jahr, danach etwas fixes
Die Installation "Lueger Temporär", von den Künstlern Nicole Six und Paul Petritsch, soll die Spuren Luegers in der Stadt aufzeigen. In Wien auffindbare Lueger gewidmete Erinnerungszeichen – von Büsten bis zu Tafeln – wurden von ihnen vermessen und dokumentiert. Sechzehn dieser Artefakte wurden in Form ihrer Umrisslinien in Originalgröße auf dem Lueger-Platz versammelt.
Dabei soll sie vor allem zu Schau stellen, wie vielfach und auf unterschiedlichen Ebenen sich Lueger ins Gedächtnis der Stadt Wien eingeschrieben hat. Zudem soll die 39 Meter lange Holzkonstruktion zum öffentlichen Diskurs anregen. Sie verbinden die spezifischen Fragen, die das Denkmal aufwirft, mit der übergeordneten Frage, wie wir heute mit den dunklen Seiten unserer Geschichte umgehen wollen.
"Lueger gehört vom Sockel geholt!"
Davon sichtlich verärgert sind unter anderem die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen, die während der Pressekonferenz vor dem Denkmal demonstrierten. Auf ihrem Schild zu lesen war: "Antisemitismus thematisieren, nicht bunt dekorieren".
"Die Kunstinstallation weist in keine Weise auf den Antisemitismus von Karl Lueger hin. Es ist eher eine Beschmückung", kritisiert Shashi Turkov, Präsidentin der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen, scharf. Für sie gebe die Installation der Person Lueger einfach nur mehr Raum. Als einzige Lösung sieht die Aktivistin eine vollkommene Entehrung des Denkmals: "Die Person muss vom Sockel geholt werden. Lueger muss von diesem Platz wegkommen und der Platz muss auch unbenannt werden, so wie es auch die Initiative "Platz da!" verlangt hat", so Turkov.
Und auch die Wiener Landtagsabgeordnete und Sprecherin für Kultur der Grünen, Ursula Berner, fand sich bei der Eröffnung ein und übt Kritik: "Ich befürchte, dass mit dieser Installation einfach nur eine Erhöhung der Person Karl Lueger stattfindet, ohne dass der Kontext für die Leute klar ist und nicht zum Ausdruck kommt, was die Künstler damit aufzeigen wollten." Für sie findet zu wenig zusätzliche Vermittlung vor Ort statt.
Die Kunstinstallation "Lueger Temporär" wird nun ein Jahr vor dem Denkmal stehen. Danach soll es eine permanente Installation geben, deren Konzept im Frühjahr präsentiert werden soll. "Wenn alles passt, könnte es im Herbst 2023 zu einer Aufstellung kommen", erklärt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) im Interview mit der BezirksZeitung.
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