Wien
Unruhe und Demo vor Start des Christkindlmarkts am Rathausplatz
Eine Initiative von abgelehnten ehemaligen Standbetreibern plant eine Demo im Rahmen des Starts des Christkindlmarkts am Wiener Rathausplatz. Der Stadt Wien und dem ehemaligen Veranstalter werfen sie Korruption, Amtsmissbrauch und "Zuschanzen" vor. Auch der Rücktritt des WK-Präsidenten wird gefordert.
WIEN/INNERE STADT. Der Christkindlmarkt am Wiener Rathausplatz ist als Sehenswürdigkeit in ganz Europa bekannt. 16 Jahre lang hatte hier ein SPÖ-naher Verein das Sagen. Doch seit einigen Monaten hat eine Tochterfirma der Stadt Wien die Verantwortung: die Stadt Wien Marketing GmbH. Nach einer öffentlichen Ausschreibung hat eine unabhängige Kommission nach bestimmten Kriterien entschieden, wer heuer die Standplätze bekam. Das Ergebnis: weniger Marktstände, mehr Unruhe.
Denn wie die BezirksZeitung bereits berichtete, wurden im vergangenen Juli Mitarbeiter des Unternehmens von einem langjährigen Markthändler bedroht, der in diesem Jahr keinen Stand bekommen hat. Laut Stadt Wien Marketing wurden ein Marktkoordinator und seine Familie bedroht. Die Polizei sprach gegen den Tatverdächtigen ein Annäherungsverbot aus.
Danach beruhigte sich die Lage. Monate später, eröffnet heute (19. November) der Wiener Christkindlmarkt am Rathausplatz mit vielen Neuigkeiten. Das nehmen die abgelehnten Markthändler zum Anlass, um zu protestieren. Eine Aussendung zur Demo ist prall gefüllt mit Vorwürfen gegen die Stadt Wien, die Marketing GmbH, den ehemaligen Veranstalter sowie die Wirtschaftskammer Wien.
Hinter der Demo am Samstag ab 16 Uhr steht die Initiative "Rettet den Christkindlmarkt". Die Demo mit "weihnachtlich dekorierten Stelltischen und Transparenten" ist gegen die "korrupte Neu-Vergabe der Marktstände" gerichtet. Und weil viele von den abgelehnten Markthändlern "vor dem finanziellen Ruin" stehen.
Stadt wird Korruption vorgeworfen
Neben Vorwürfen gegen den ehemaligen Veranstalter (mehr dazu unten), spricht die Initiative von "roten Rathaus-Freunden", Korruption und Amtsmissbrauch. Man behauptet, dass einem der Geschäftsführer der Stadt Wien Marketing der Posten als eine Art "Schweigegeld" zugeschanzt wurde. Für alle Anschuldigungen habe man "zahlreiche Beweise und Zeugen".
Auch die oben erwähnte Drohung und Morddrohung gegen den Marktkoordinator wäre eine fälschliche Beschuldigung. Eine deswegen gestellte Wache bei der jüngsten Pressekonferenz war eine "lächerliche Inszenierung", "übles Framing" und eine "klassische Täter-Opfer-Umkehr".
Die Tochterfirma der Stadt Wien sagte im BezirksZeitung-Gespräch, dass alles transparent gelaufen ist und öffentlich ausgeschrieben wurde. Die Vorwürfe prüft man derzeit rechtlich, weshalb man sich noch in Schweigen hüllt. Eine Anfrage an die Stadt Wien blieb bis Freitagabend unbeantwortet.
Ehemaliger Veranstalter weist Vorwürfe zurück
Laut der Initiative übertrug die Stadt Wien in der Saison 2004/2005 dem Veranstalter Akan Keskin und dem "Verein zur Förderung des Marktgewerbes" (VzFM) die Organisation. Die 16 Jahre waren nach Angaben der betroffenen Standler "schreckliche Jahre".
Nachdem Keskin erfahren hatte, dass er den Christkindlmarkt in diesem Jahr nicht mehr veranstalten darf, wurde auf der VzFM-Homepage trotzdem die Bewerbung für den Christkindlmarkt offen gelassen.
Der Vorwurf des "Zuschanzens" von Ständen durch den Obmann Keskin weist man auf BezirksZeitung-Anfrage zurück. Laut der Initiative soll der Obmann fünf Marktstände selbst übernommen oder an seine Familie "zugeschanzt haben". Die Entscheidung, wer die Stände bekommt, erfolgte jedes Jahr neu: "Da diese in der Vergangenheit von einer unabhängigen Jury nach einem fachlich nachvollziehbaren Punktesystem getroffen wurde, weisen wir den Vorwurf des 'Zuschanzens' von Ständen durch den Obmann entschieden zurück".
In den 16 Jahren soll Keskin die Marktfahrer unter Druck gesetzt haben. Die Initiative behauptet, dass ihnen gedroht wurde, wenn Standler Kritik an ihm üben würden. Ebenso sollen Frauen, die am Christkindlmarkt gearbeitet haben, diskriminiert worden sein. Weiters ist die Rede von Keskins "Wutausbrüchen" gegenüber den Ausstellern in all den Jahren.
Diese Vorwürfe sind für den Verein "noch weniger nachvollziehbar". Man habe stets "auf eine enge Kooperation zwischen dem Veranstalter und den Standbetreibern gesetzt". Wie ein Sprecher sagte, wurde in "all den Jahren von keinem einzigen der Kollegen ein derartiger Vorwurf vorgebracht".
Rechtsstreit mit Standlern
Und noch einen Vorwurf gab es gegen Keskins Verein. Im vergangenen Jahr war der Christkindlmarkt wegen des letzten Lockdowns etwa 20 Tage kürzer als geplant. Der Vorwurf: Einige Marktfahrer haben einen Teil der Pauschalmiete nicht zurückbezahlt bekommen: "Vier Rechtsgutachten belegen nun den juristischen Standpunkt der Marktfahrer. Trotzdem verweigert Keskin bis heute die Auszahlung". Angeblich ist die Rede von fast 150.000 Euro.
Der Verein weist auch diesen Vorwurf als "unwahr" zurück. "Fakt ist, dass dem VzFM durch die damals kurz vor Marktbeginn verfügten Sicherheitsauflagen Mehrkosten entstanden sind, deren Aufteilung im Rahmen der Endabrechnung von einigen Standbetreibern bestritten wurde". Eine einvernehmliche Lösung war nicht möglich, weshalb man es nun auf dem Rechtsweg klären will. Sie sehen dem Verfahren jedoch "gelassen entgegen".
Rücktritt von WKW-Präsident gefordert
Neben den Vorwürfen wurde in der Aussendung mangels Unterstützung der Rücktritt des Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck gefordert. Laut der Initiative will es sich Ruck "nicht mit seinen mächtigen roten Freunden verscherzen und opfert dafür die Marktfahrer".
Von der Wirtschaftskammer Wien (WKW) heißt es, dass die Stände am Christkindlmarkt öffentlich ausgeschrieben worden waren und dass jedes Unternehmen sich an dem Verfahren beteiligen konnte. "Die WKW unterstützt die Wiener Unternehmen, mit einer Fülle an Services und Beratungsleistungen. Etwa zu Förderungen, in Fragen der Unternehmensführung, aber auch in Rechtsfragen".
Zur Info: Die Demo der Initiative "Retten den Christkindlmarkt" ist ab 16 Uhr vor dem Burgtheater, auf der Seite des Café Landtmann, geplant.
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