Die ewige Suche nach Liebe

Am Ende bleibt nur noch die Desillusionierung:  Anna (Sara Nunius) und ihr Gelieber Wronski | Foto: Timo Senff
  • Am Ende bleibt nur noch die Desillusionierung: Anna (Sara Nunius) und ihr Gelieber Wronski
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Schon das eindrückliche erste Szenenbild lässt die eigentliche Tragödie in diesem launenhaften Liebes- und Lebenskarussell erahnen: ganz egal, wie auch immer es im Inneren wirklich aussehen mag, Hauptsache, man sieht im Außen noch einigermaßen gut aus und weiß irgendwie den Schein zu wahren. Daran scheint sich auch 138 Jahre nach Erscheinen von Tolstois Gesellschaftsroman Anna Karenina nicht wirklich viel verändert zu haben. Daher war es zweifelsohne eine gute Wahl, den jungen aufstrebenden Tiroler Modedesigner Markus Spatzier mit der Einkleidung der sieben Figuren von Armin Petras mustergültig reduzierter Schauspielfassung dieses 1200-Seiten-Meisterwerks zu betrauen. Spatziers imposante Kostüme spielen ganz offenkundig mit dem morbid Endzeitigen von Gesellschafts- und Lebensentwürfen und halten dem unweigerlichen Verfall fast trotzig prachtvolle Elemente von Rüstung, Uniform, Tracht entgegen. Und wenig verwunderlich steckt er dabei als Einzige die junge Kitty, die sich einen wahrhaftigen Rittmeister an ihre Seite träumt und natürlich prompt enttäuscht werden wird, weil der sich leider auf die wilde, in eng anliegende Hosen und Korsage gewandete Anna steht, in ein regelrechtes Jungmädchen-Zuckerlkleid und verpasst ihr sogar rosa Haare. Das Outfit erscheint in Susanne Schmelchers glasklarer und fesselnder Inszenierung tatsächlich wie eine Innenhaut der Außenhaut. Denn viel von ihrem Innenleben zeigen werden uns die sieben nicht, möglicherweise, weil es ihnen selbst nicht so wirklich bewusst ist, was sie umtreibt, wo es sie hintreibt. Zwar suchen sie alle in irgendeiner Weise nach Lebens- und insbesondere natürlich Liebesglück, doch fatalerweise liegt die Einlösung oder Erfüllung desselben stets in den Händen eines jeweils auserkorenen oder eingebildeten anderen, also einem du, das dadurch unweigerlich zur Projektionsfläche werden muss. Denn wer könnte diesen ganzen überbordenden Sehnsüchten, die ja dem eigenen permanenten Wunsch nach Selbstoptimierung und Selbstwert entspringen, wirklich auf Dauer standhalten. Insofern muss natürlich auch die von Armin Petras in die Neuzeit geholte Anna Karenina letztlich scheitern: Ihr Absolutheitsanspruch ist schlichtweg nicht überlebensfähig, der Preis zu hoch. Immerhin wird auch sie ihr Kind zurücklassen müssen. Und genau darin liegt die eigentliche Faszination dieses Stücks: dass wir diesen unglückseligen und wenig reflektierten Glückssuchern in ihren Irrungen und Wirrungen mit aufgerissenen Augen zusehen, wohl wissend, wie das alles enden wird und uns trotzdem in so manchem wieder erkennen. Das Ensemble läuft dabei einmal mehr zur absoluten Höchstform auf: denn Sara Nunius (Anna), Helmuth A. Häusler (Karenin), Kristoffer Nowak (Annas Bruder Stefan), Ulrike Lasta (seine Frau Dascha), Marion Fuhs (Daschas Schwester Kitty), Benjamin Schardt (Lewin) und Timo Senff (Rittmeister Wronski) erweisen sich vor allem in den Interaktionen allesamt als wahre Meister/innen der subtilen Andeutung.

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