Marianne Hengl
Ein Interview mit dem blinden Extrembergsteiger Andy Holzer

Extrembergsteiger Andy Holzer in Interview | Foto: RollOn Austria
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TIROL. Wie geht ein behinderter Extrembergsteiger mit der aktuellen Situation um? Welche Ängste hat er? Sieht er sich selbst als Vorbild? Diese und viele andere Fragen werden im Interview mit Extrembergsteiger Andy Holzer beantwortet. Ein Interview von Marianne Hengl.

Interview

Andy, wie händelst du momentan deinen Alltag?
Für mich hat sich nicht viel verändert. Ich gehe innerhalb meines Ortsgebiets spazieren. Mit den Dolomiten und dem Tristacher See vor der Haustür habe ich natürlich wunderbares Glück. Wobei ich mich strikt an die Vorgaben halte.

Du erzähltest mir heute, du gehst alleine im Wald spazieren. Wie funktioniert das, wenn man blind ist?
Allein durch den Wald spazieren gehen, das ist schon ein erhöhtes Risiko. Haushaltsfremde Personen dürfen mich nicht begleiten und meine Frau hat dazu auch nicht immer Lust. Mir ist es aber sehr wichtig, dass ich meinen Körper in Bewegung halte. Ich versuche auf Wegen zu gehen wo nicht viele andere Menschen unterwegs sind, um Kollisionen zu vermeiden, gerade jetzt wo ein Mindestabstand eingehalten werden soll.

Wie setzt du dich mit dieser Herausforderung (Quarantäne) auseinander und auf welche Weise sprichst du dir Mut zu?

Aufgrund meiner Blindheit befinde ich mich schon mein ganzes Leben lang in einer Art Quarantäne und für mich herrschten immer schon erschwerte Bedingungen, um vor die Türe zu kommen. Einfach rein ins Auto sitzen und weg fahren ging wegen meiner Blindheit nie. Daher habe ich mein Leben immer schon gut organisieren müssen und wie ich aus dem Haus komme. Reines Management, sozusagen. Diese lebenslangen Erfahrungen sind mir momentan eine große Hilfe in dieser derzeitigen Krisenzeit. Weil man immer schon mit Einschränkungen und Hindernissen leben und umgehen musste, stellen die derzeitigen Maßnahmen für mich persönlich keine so großen Barrieren dar. Wir Behinderte sind abgehärtet und nicht so zimperlich.

Ungewissheit macht Angst. Was glaubst du, wohin führt uns jetzt diese Reise?
Ich befürchte, dass eine gefährliche und schwierige Zeit vor uns liegt. Viele Menschen haben Visionen, die ihnen nun genommen werden, speziell den jungen Leuten, die ins Berufsleben einsteigen. Als Blinder ist man es gewohnt die Übersicht nicht zu verlieren, umso schwerer tut sich jemand, der ganz am Anfang steht.
Sorgen macht mir auch die Willkür der Menschen, die auf hoher Ebene steuern. Man hat das Gefühl, es geht gar nicht mehr um das Virus, sondern ein paar Täler versuchen sich in den Hauptnachrichten gegenseitig fertig zu machen. Das zwischenmenschliche fehlt dabei. Diese Willkür finde ich gefährlicher und schlimmer als einen Unfall, Blindheit oder das Virus.
Auf meine persönliche Ebene bezogen ist es so, dass derzeit meine Planungen für das Jahr 2020 auf dem Boden bzw. auf dem Eis liegen. Für das Jahr 2021 gibt es bereits Projekte. Ob es im Jahr 2022 möglich sein wird, die heuer geplanten Vorhaben nachzuholen und stattfinden zulassen bleibt offen.

Welche deiner Erfahrungen bringen uns in dieser Zeit weiter?
Um mich persönlich braucht sich keiner Sorgen machen, mir geht’s gut. Nur andere motivierend mitzunehmen oder zum Umdenken und Veränderungen in diversen Bereichen anzuregen, dazu ist mir momentan die Vision genommen worden.

Hast du eine Idee - bitte öffne uns eine kleine Tür zur neuen Welt

Ehrlich gesagt sehe ich keine kleine Tür zu einer neuen Welt. Ich sehe viel mehr die Willkür der Regierenden und fürchte mich jeden Tag davor, was ihnen nun wieder einfällt. Mir kommt vor, als ob es gar nicht mehr um das Virus selbst geht, sondern alle tun so, als ob es um das Überleben geht. Aber es geht um das Leben. Das Überleben ist nicht Sinn unseres Lebens. In meinem Buch „Mein Everest“ habe ich das schon beschrieben. Der Everest hat mich das Leben gelehrt. Speziell während dem Aufstieg zum Gipfelsieg, während gleichzeitig mein Vater gestorben ist.

Ein eitler und erfolgsverwöhnter Materialist will als der beste, reichste und intelligenteste Mensch auf der Welt bewundert werden. Wie lautet dein Rat um ihn auf das Wesentliche zu lenken?
Das Wesentliche ist: Das Leben.
Alle horten, versichern sich gegen alles Mögliche, um sich der Verantwortung zu entziehen. Derzeit werden Verordnungen und Ratschläge für fast jede Lebenslage aufgestellt. Gefühlt alle 15 Minuten kommt die Werbeeinschaltung „Ich besuche meine Oma nicht“, was eine Menge Geld kostet, sogar Turnübungen auf der Matte werden im Fernseher vorgezeigt, damit die Bevölkerung weiß, wie sie sich zu Hause fit halten kann. Mir kommt vor, als ob wir als Volltrottel verkauft werden. Kommt als nächstes eine Anleitung, wie wir abends mit dem Geschlechtsverkehr umzugehen haben? Es braucht keinen der uns sagt „Bitte gehen Sie nicht im Pyjama zum Frühstücken“. Wir werden alle dadurch ferngesteuert und verunsichert. Die Gefügigkeit der Gesellschaft wird ausgenutzt. Ich habe davon gehört, dass Nachbarn sich gegenseitig bei der Behörde anzeigen und angeben, wie oft dieser das Haus verlassen hat und weggefahren ist.

Plötzlich leben wir alle in einer gemeinsamen Welt. Diese hat uns derzeit mit dem Corona Virus fest im Griff. Glaubst du, dass das Motto „ich schau auf dich und du schaust auf mich“ ein längerfristiges Umdenken mit sich bringt?
Nein, das hört sich auf, spätesten wenn du deine Miete nicht mehr zahlen kannst. Das wissen nur viele noch nicht. In den letzten 15 Jahren haben es die Regierungen nicht geschafft ein ausgeglichenes Haushaltsbudget zustande zu bringen. Jetzt verspricht die Regierung Unterstützungsmaßnahmen ‚Koste es was es wolle‘. Sobald dieses Geld über Sparmaßnahmen wieder hereingeholt wird und Menschen keinen Job und kein Geld mehr haben, dann wird nicht mehr auf die anderen geschaut.

Du als Andy Holzer hast bei vielen eine Vorbildfunktion, wo du auch als Coach die Menschen aufbaust:
Ich setzte derzeit nur auf Wahrheit und die Realität. Wir tappen alle im dunklen und fragen uns, wo das Licht ist? Ich bin es gewohnt blind zu sein, momentan ist es finster.
Ich kann nicht wie viele andere Persönlichkeiten positiv eine Videobotschaft besprechen, dass alles wieder gut wird und wir zusammenhalten sollen. Das ist nicht echt, nicht die Realität.

Hat Andy Holzer, ganz persönlich, momentan Angst?
Ich habe keine Angst um mich. Aber die derzeitige Situation ist gefährlich für die Gesellschaft, das macht mir Angst.

Mit welcher Botschaft möchtest du den Menschen Mut zusprechen?
(„gar keine“ – Cool bleiben). Der Andy darf auch einmal keine Botschaft haben. Das ist wahrscheinlich die richtigste und wichtigste der Botschaften.

Wie /welchen Beitrag leistest du derzeit für die Gesellschaft?
Bei mir leben einige Menschen unter meinem Dach. Ich habe Wohnraum geschaffen, wo beispielsweise Familien, die in Quarantäne müssen, leben. Eigentlich wäre dies ja gar nicht meine Aufgabe, sondern die einer Gemeinde, aber ich habe es dennoch gemacht. Das genügt für mich als Hilfestellung der Gesellschaft. Ich kann nicht die ganze Welt retten.

Viele Menschen sind in dieser schweren Zeit im Einsatz für andere. Wem möchtest du, als Zeichen der Dankbarkeit, heute symbolisch drei Sterne vom Himmel holen?
Bischof Hermann Glettler; für mich ist er eine Persönlichkeit, der unverblümt spricht und die Welt nicht ferngesteuert betrachtet. Bischof Hermann Glettler lässt sich nicht blenden. Ich lasse mich auch nicht blenden, als Blinder.

Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Für wen fühlst du dich in deinem Leben ganz besonders verantwortlich?

Für mich selbst. Wir Menschen geben die Verantwortung gerne an andere Ebenen ab. Jeder von uns sollte Verantwortung für sich selbst übernehmen.

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