17-Jähriger aus dem Bezirk Jennersdorf
Vom "Milchgesicht" zum bewaffneten Tankstellen-Räuber
Weinend und verzweifelt die Mama. Versteinert der Vater. Vor ihnen ihr geliebter, 17-jähriger Sohn. Auf der Anklagebank. Im Saal 7 des Landesgerichtes Eisenstadt. Als U-Häftling. Nach einem bewaffneten Raubüberfall auf eine Tankstelle. Weil ihm das Taschengeld ausgegangen war... Vor einem Schöffensenat musste das „Milchgesicht“ nunmehr Rede und Antwort stehen. Sich zu seiner Tat bekennen. Am besten Ausreden befreit. Das tat der schüchterne Montessori-Schüler auch. Zeigte sich vollends geständig. Schwor seinem kriminellen Ausrutscher ab. Versprach absolute Abstinenz von Drogen und Alkohol. Und traf mit seinem ehrlichen Outing auf Richterinnen mit Verständnis und Weitblick. Sowie einen Staatsanwalt mit Herz. Trotz Schuldspruch kam es zu einem lebensbejahenden Urteil.
BEZIRK JENNERSDORF. Rund 10 Wochen ist er her. Der 13. Juni. Ein wahrlich rabenschwarzer Montag für den erst 17-jährigen Burgenländer aus dem Bezirk Jennersdorf. Mit seiner bisher schlechtesten Entscheidung seines Lebens. Packte er doch bereits zu Hause ein Klappmesser ein. Mit dem festen Vorsatz, einen Raubüberfall zu verüben. „Warum haben sie diese Tankstelle ausgesucht?“, fragte Richterin Mag. Gabriele Nemeskeri. „Weil sie in der Nähe war!“, würgte sich der jugendliche Angeklagte aus der Kehle.
"Dann habe ich mein Messer ausgepackt!"
„Wie kommen sie auf diese Idee? Wie kommen sie darauf, einen Überfall zu starten?“ „Das verstehe ich selbst nicht wirklich!“ Pause. „Mein Taschengeld hatte ich schon ausgegeben. Deshalb!“ „Sie sind dann zu dieser Tankstelle. Was haben sie gemacht?“ „Ich bin in die Station gegangen. Es waren aber zu viele Leute anwesend. Also bin ich wieder raus und habe gewartet. Bis zur Sperrstunde.“ „Und dann?“ „Dann habe ich mein Messer ausgepackt und bin wieder hinein!“
„Das ist ein Überfall! Geld her!“
Laut Anklage legte der maskierte Täter unter Vorhalt der Waffe einen Rucksack auf das Kassenpult und sagte: „Das ist ein Überfall! Geld her!“ Das Opfer, ein Slowene, Mitte 50, Stationsleiter der Tankstelle im steirischen Fehring, schilderte als Zeuge: „Es lief im Fernsehen noch das Fußball-Ländermatch Österreich-Dänemark, als ich das Messer sah. Natürlich war ich geschockt. Hatte Angst. Aber ich bemerkte auch die Unsicherheit des Täters. Er sprach total leise. Daher habe ich mich geweigert, ihm Geld zu geben.“
"Verschwinde. Noch gibt es keine Verletzten"
„Verschwinde bitte, ist besser für dich. Noch gibt es keine Verletzten. Alles ist gut. Es ist bis jetzt nichts passiert“, redete das Überfalls-Opfer auf den Räuber ein. Der daraufhin am Absatz kehrtmachte und flüchtete. „Alles in allem dauerte das etwa 40 Sekunden. Als der Täter draußen war, schlug ich Alarm.“ Resümierend sagte der Tankwart in Richtung des Angeklagten: „Schon ein Wahnsinn, in so jungen Jahren sich sein ganzes Leben zu zerstören, wegen einer kleinen Krise!“
„Entschuldigung. Es tut mir aufrichtig leid!“
Da stand der jugendliche Täter auf und sagte: „Entschuldigung. Es tut mir aufrichtig leid!“ Der Tankwart nickte und verließ den Saal. Ausgeforscht wurde der Räuber einige Wochen nach dem Überfall, anhand der Bilder aus den Überwachungskameras. Am 8. Juli klickten die Handschellen. „Bekennen sie sich schuldig?“, fragte die Richterin. „Ja!“ Dann kam der Lebenslauf des Burgenländers zur Sprache. Der Grund zur Sorge gab.
Ausbildungs-Abbrüche. Drogen. Alkohol.
Nach 9 Jahren Montessori-Schule brach der Beschuldigte nach rund zwei Monaten das „Poly“ ab und beendete nach nur 11 Monaten die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war er arbeitslos. „WARUM haben sie die Lehre abgebrochen?“, wollte der Staatsanwalt wissen. Nach einem sehr, sehr langen Schweigen folgte ein: „Es war alles ok. Aber eben nicht das, was ich mir vorgestellt habe.“ „Was ist mit den Drogen? Dem Alkohol?“ „Das ist vorbei. In der Haft hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Das war der falsche Weg, den ich da eingeschlagen habe!“
Rauer Umgangston und Angst vor Mithäftlingen
„Ich lese aus Einvernahme-Protokollen, dass sie mit dem rauen Umgangston im Poly und auch in der Lehre nicht umgehen konnten. Sogar leichte Depressionen bekommen haben und Suizidgedanken hegten. Warum brechen sie dann eine psychologische Therapie ab?“ Schweigen des Angeklagten. „Sie müssen sich helfen lassen und ihr Leben in den Griff bekommen. Und nicht gleich aufgeben, wenn es mal nicht so toll läuft!“ „Ja!“ „Gehört habe ich auch, dass sie Angst vor den Mithäftlingen haben. Es ihnen im Gefängnis deshalb nicht gut gegangen ist!“ „Ja. Das stimmt!“
"Will nicht der böse Staatsanwalt sein...!"
Der Staatsanwalt eröffnete sein Abschluss-Plädoyer mit den Worten: „Die Schuldfrage steht ja außer Frage. Schwierig ist es, dafür Sanktionen gegen sie zu finden, die der Tat und ihrer Persönlichkeit entsprechen!“ Und weiter: „Für mich ist es kein Vergnügen, einen 17-Jährigen anzuklagen. Der böse Staatsanwalt zu sein, der einem jungen Mann die Zukunft verbaut. Sie machen auf mich den Eindruck, dass sie in ihrem Wesen kein gewaltbereiter Mensch sind!“ Nach zahlreichen Tipps für ein „normales Leben“, mit Beruf und ohne Suchtmittel, forderte er eine angepasste Bestrafung.
"Keine Kleinigkeit. Reden von schwerem Raub!"
Verständnisvoll entschied der Schöffensenat unter Richterin Mag. Gabriele Nemeskeri, die zuvor noch festhielt: „Was sie gemacht haben, ist keine Kleinigkeit. Wir reden hier von schwerem Raub. Das Strafmaß für jugendliche Täter beträgt bis zu 7,5 Jahre.“ Dann verkündete sie das nicht rechtskräftige Urteil: „Schuldig. 15 Monate Haft, davon 14 Monate bedingt auf drei Jahre. Zudem müssen sie mit einem Bewährungshelfer zusammenarbeiten!“
Mit blauem Auge davongekommen und enthaftet
Und beendete den Prozess mit: „Sie sind mit einem blauen Auge davongekommen. Nützen sie ihre Chance. Da wir die bisherige Haftzeit anrechnen, werden sie noch heute aus dem Gefängnis entlassen. Sie sind ein freier Mensch. Ich bin guter Hoffnung, dass wir sie hier nie wieder sehen.“ In diesem Moment konnten erstmals auch die sorgendurchfluteten Eltern durchatmen, die schweren Herzens die Verhandlung verfolgt hatten.
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