Sommergespräch 2022
Rammel (Junge Grüne): "Viele Junge haben Existenzängste"

Im Juli und August finden traditionell politische Sommergespräche statt. Wir haben in diesem Jahr auch die jeweiligen Jugend-Vorsitzenden der Kärnten Parteien zu einem solchen in Form eines Video-Interviews geladen. Diesmal ist Benjamin Rammel von den Jungen Grünen (Grüne) dran.

KÄRNTEN. Wir treffen Benjamin Rammel an einem seiner Lieblingsplätze und zwar im Villacher Rosengarten, einem "grünen Herzen" mitten in der Draustadt, wie der Landesgeschäftsführer der Jungen Grünen meint.

Benjamin, danke für die Einladung hier in den Rosengarten nach Villach. Warum ist dieser Platz so besonders für dich?
Ich habe mir mit der Wahl schwer getan, Kärnten ist sehr schön. Es gibt sowohl in den Städten, als auch außerhalb wunderbare Orte. Zuerst wollte ich den Silbersee nehmen, aber dort wäre es sehr laut gewesen. Mit einem ruhigen, grünen Herzen in Villach identifiziere ich mich aber und daher sind wir hier.

Was waren deine Anfänge, wie bist du in die Politik gekommen und was hat dich damals dazu motiviert?
Ich würde mich als sehr jungen Quereinsteiger sehen. Bis zu meinem Studium in Graz hatte ich sehr wenig mit aktiver Politik zu tun, hatte nur ein paar Berührungspunkte mit der ÖH. DIe Entscheidung, wirklich politisch aktiv zu werden, kam 2018/19 nach meiner Rückkehr in Kärnten. Ich habe dann mit den Grünen in Villach Kontakt aufgenommen, weil ich ziemlich ähnliche Ansichten hatte und dachte: Okay, die Expertise, die ich aus dem Studium mitgebracht habe, könnte dort auch etwas bringen.

Warum gerade die Grünen? Sie sind ja in Kärnten traditionell nicht so stark, wie in anderen Bundesländern - warum bist du, im politischen Sinne, für eine Minderheit eingetreten?
Ja, das ist es doch - warum für Minderheiten eintreten!? Die Grünen haben in Kärnten, wie auch im Bund, gute Ansätze, Ideen und auch wichtige Ansätze und Ideen. Es ist auch für die Jugend wichtig, dass man deren Interessen vertritt. Zumindest mich hat keine andere Partei abholen können.

Bei Blick auf die Jungen Grünen hat man den Eindruck, es wäre eine "Crazy Truppe" - würdest du das bestätigen? Besonders, wenn man es sich optisch ansieht, bist du nicht der typische Vertreter der Jungen Grünen.
Grundsätzlich hast du es richtig gesagt, obwohl ich statt "crazy" eher "divers" sagen würde. Am Ende geht es darum, in einer Partei die Gesellschaft abzubilden. Es geht darum, die Interessen zu vertreten und wenn wir nicht divers wären, also wenn wir nur die alten weißen Männer wären, dann würden wir nur die alten weißen Männer vertreten. Wir wollen aber jede Schicht und jedes Interesse in der Gesellschaft vertreten. Aber jeder Mensch hat eine crazy Seite und den einen oder anderen Tick und das ist etwas Schönes.

Aber es ist ja spannend, dass gerade du bei den Jungen Grünen in Kärnten ganz vorne stehst. Du fällst ja jetzt nicht besonders als Grüner auf, was bei anderen von euch eher doch der Fall wäre. Spannend, dass die Jungen Grünen in Kärnten einen weißen Mann als Obmann haben.
Das wird bei uns immer basisdemokratisch gewählt. Aber das heißt in keinster Weise, dass ich diese Interessen nicht vertreten kann. Nur, weil ich ausschaue wie ein weißer Mann mit schwarzen Haaren, heißt das nicht, dass ich andere Menschen nicht vertreten kann.

Du bist zwar ein junger und politisch aktiver Mensch, aber würdest du dich als Jungpolitiker bezeichnen.

Ich hätte zwei andere Begriffe lieber: Der erste wurde mit "junger Quereinsteiger" eh schon erwähnt. Der zweite ist Hobby-Politiker oder Freizeit-Politiker. Ich glaube, es ist in meiner jetzigen Wahrnehmung so: Alles, was ich an politischem Engagement mache, passiert aus Eigeninteresse - ich bekomme dafür nichts. Ich kenne viele Menschen, die Politiker sind, die sich vom Geld treiben lassen und das sollte es nicht sein.

Du bist der erste Mann in diesem Kreise der Jungen Grünen in Kärnten. Wie lange würdest du diese Funktion noch ausüben?
Grundsätzlich setze ich mir keine Deadline - ich werde gewählt oder nicht gewählt. Laut Statut geht es bis 30, daher habe ich noch vier Jahre vor mir. Wenn es gewünscht ist, mache ich es gerne. Aber wenn jemand anderes kommt, der jünger, engagierter oder besser ist, das kann man nicht ausschließen, dann kann die Person das gerne übernehmen. Ich bin aber auch nicht alleine die Spitze: Es gibt den Landessprecher und es gibt ein Vorstandsteam - ich bin also nicht die alleinige Spitze.

Die Grünen sind im Bund in der Regierung, hat aber eine sehr schwere Zeit erwischt. Wie zufrieden bist du mit der Performance deiner Partei im Bund?
Du sagst es richtig: Es ist eine schwere Zeit und wenn man darüber nachdenkt, wie viel passiert ist, obwohl Krise auf Krise gefolgt ist und die nächste Krise, die Klima-Krise, klopft auch schon fest an die Türe, dann ist das gut - in Sachen Energie, in der Landwirtschaft, im Sozialen und im Bildungsbereich. Vieles hätte auch in den 20 Jahren zuvor passieren können, daher kann man der jetzigen Regierung nicht die Schuld an allem geben, was noch nicht umgesetzt wurde.

Aber es gibt "Haus- und Hofthemen" der Grünen, die aktuell ein bisschen auf der Strecke bleiben. Ein Thema ist Tempo 100 - hierzu gibt´s sogar bei den Grünen sehr unterschiedliche Meinungen. Wie siehst du das?
Ich bin lange nach Klagenfurt gependelt, damals leider noch mit einem fossilen Fahrzeug. Für mich hat´s keinen Unterschied gemacht, ob ich 100 oder 130 gefahren bin - meistens ist es baustellenbedingt eh ein 80er. Wenn man mit diesem kleinen Eingriff in die Privatssphäre der Autarkie bzw. der Unabhängigkeit von Öl und Gas näher kommt, dann gerne.

Also zusammengefasst: Ja zu Tempo 100?

Wie gesagt: Es gibt viele Möglichkeiten. Das ist immer auch das Problem der regierenden Parteien. Aus der Opposition heraus ist es immer leicht zu sagen: Macht´s das oder macht´s das. Als Regierung braucht man aber ein Konzept, das volkswirtschaftlich durchgerechnet werden muss und wo man auch sehen muss, ob es technologisch durchführbar ist.

Du hast damals gesagt, dass du die Strecke Villach-Klagenfurt mit fossilen Transportmitteln hinter dich gebracht hast. Wie sieht es jetzt aus - Öffis oder Elektroauto?
Grundsätzlich Elektroauto incoming, es its bereits bestellt. Der Rest geht über Öffis. Gott sei Dank leben wir aktuell in einer digitalisierten Welt, man muss nicht mehr wegen jedem Meeting nach Klagenfurt fahren oder wohin fliegen. Man kann sehr vieles online machen, es gibt also auch Mittel und Wege, um das zu vermeiden.

Wenn wir noch einmal kurz auf die Bundespolitik schauen: Euer Bundesvorsitzender Werner Kogler ist jemand, der polarisiert, aber durchaus bei den eigenen Mitgliedern gut ankommt. Bist du persönlich ein Verfechter von ihm?
Ja, sehr stark sogar. Er ist ein verbindender Mensch. Er überlässt die Themen den Ministerien und schaut, dass er der Verbindende ist und nicht der Hervorpreschende. Ich habe ihn schön öfters getroffen und es ist im persönlichen Gespräch genau gleich.

Eine durchaus andere Person ist Olga Voglauer in Kärnten. Wie würdest du die Performance ihrer Person und der Grünen in Kärnten generell einschätzen?

Es ist unsere Aufgabe zur Zeit aufzuzeigen, was nicht funktioniert - das passiert mit Olga. Ich glaube, dass sie in Kärnten eine sehr gute Performance abliefert, vor allem in Themen, die uns und mir wichtig sind. Man denke an den Energie-Masterplan, der gerade liegen gelassen wird. Auch die Raumordnung oder der Bodenschutz interessieren niemanden und da müssen wir jetzt den Finger in die Wunde legen. Das macht sie und das machen wir gut.

Glaubst du, dass es sich bei der Landtagswahl mit dem Einzug ausgehen wird?
Es ist eine Notwendigkeit. Es ist wieder Wahlkampf und man kennt es: Jede Partei rühmt sich wieder damit, wie nachhaltig sie doch ist. In den folgenden Jahren sieht man dann, was wieder passiert. Im Bund sieht man, dass wirklich etwas weitergeht und das ist in Kärnten auch notwendig. Es braucht uns einfach, sagen wir so.

Es braucht euch, aber würdest du so mutig sein und sagen, dass ihr es schafft?
Ja, das schaffen wir. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Trend, die Menschen, die Stimmung und auch wir dafür bereit sind.

Um das zu schaffen, wird es auch junge Leute bei euch brauchen. Du bist wahrscheinlich die prädestinierte Person als Jugend-Spitzenkandidat. Wird das dann auch so sein?

Ist sogar schon veröffentlicht worden - im Wahlkreis Villach/Villach Land gerne. Auf Landesebene aber nicht, denn da habe ich mich dazu entschieden, Expertinnen und Experten vorzulassen, die für die Themen, die wir bespielen wollen, die besseren Kandidaten sind.

Wenn wir auf die thematische Ebene kommen: Die Pandemie beschäftigt uns ja leider weiterhin, daher eingangs eine persönliche Frage: Bist du selbst geimpft?
Drei Mal, ich hatte keine Nebenwirkungen und auch noch nie Corona.

Die Pandemie hindurch begleitet uns die Frage der Impfpflicht polarisierend mit. Deine Meinung dazu?
Es ist eine sehr viel diskutierte Frage. Grundsätzlich Menschen zu etwas zu verpflichten ist heikel und schwierig. Ich bin da eher ein Vertreter der anderen Seite, also zu sagen: Machen wir es mit Überzeugung - dasselbe gilt ja für den Klimawandel. Das wäre notwendiger gewesen, also wenn der Informationsstand gegeben ist, dann kann man eine Pflicht starten. Aber mit der Pflicht zu starten war vielleicht nicht der beste Ansatzpunkt.

Für die Jugend in Kärnten ist die Abwanderung ein brennendes Thema. Gibt es da Konzepte deiner- bzw. eurerseits, um dem entgegenzusteuern?
Ich bin das komplette Gegenbeispiel. Ich bin 2014, mit 18 Jahren, nach Graz gegangen und bin aktiv zurückgekommen. Oft wurde ich gefragt: Wieso? Die Idee wäre aber eigentlich zu fragen, warum ich weggegangen bin. Das erste Thema ist hier die Bildung. Die FH Kärnten und Uni Klagenfurt sind stark, müssen aber mehr Außenwirkung haben. Das zweite Thema ist, dass wir in Kärnten eine sehr interessante grüne Industrie haben - wir schaffen es aber nicht, die Fachkräfte zu bekommen. Wir haben es schön, wir haben die Arbeitsplätze, also muss man fragen, woran es liegt.

Möglicherweise spielt auch das leistbare Wohnen eine Rolle. Könnte man mit Konzepten dahingehend versuchen, die jungen Leute hier zu behalten?

Auf alle Fälle. Es ist eines der wichtigsten Themen, wie man Städte entwickelt. Wenn man dort hinsieht: Das sind Leerstände und man muss sich fragen, warum das so ist. Oft sind es Spekulationsobjekte, oft wird der Wert dahinter nicht gesehen. Würde man dieses Gebäude renovieren, dann wären das optimale Wohnungen für junge Menschen - das Potential ist also da.

Thema Legalisierung bzw. Nicht-Legalisierung von Cannabis: Wie stehst du persönlich dazu?
Grundsätzlich ist das für mich ein Thema der Kriminalisierung. Wir reden über etwas, das hier Droge genannt wird, während Alkohol und Zigaretten als Genussmittel gesehen werden - trotzdem weiß man, dass die zwei letztgenannten Güter viel mehr Tote hervorrufen. Man sollte sich schon überlegen, ob es noch zeitgemäß ist, Cannabis als illegal zu verstehen. Einigen Menschen hilft Cannabis ja auch bei Krankheiten. Menschen werden da aber in die Kriminalität geschoben und daher würde ich es zumindest entkriminalisieren.

Hast du es selbst schon einmal versucht?
Ich habe in Graz studiert.

Alles klar, das kann jeder selbst interpretieren. Ein anderes Thema: Du bist viel unterwegs und sprichst viel mit jungen Menschen. Wo gibt´s die größten Probleme für die Jugend, warum sehen viele keine Perspektiven mehr?
Es ist vielleicht eine Floskel, aber die jungen Menschen leben aktuell von Krise zu Krise - von der Wirtschaftskrise zur Corona-Krise und weiter in einen Krieg, der an der Haustüre Europas klopft und unser tägliches Leben beeinflusst. Da fühle ich mich, wie viele andere junge Menschen, allein gelassen. Gerade in Bezug auf die Klimakrise kenne ich viele Menschen, die Existenzängste haben.

Wir haben vorhin über sehr viele grüne Politiker gesprochen. Gibt´s für dich Vorbilder aus den Reihen der Grünen oder von anderen Parteien, die du jetzt nennen könntest?
Will ich gar nicht, weil man sich dann immer an Themen, Interessen und Menschen bindet. Ich bin ich, habe meine Art zu reden und ich will niemand anderes sein.

Also es gibt niemanden, zu dem du hinauf schauen würdest?
Ich bewundere jeden, der in der Bundes- und Landespolitik aktiv ist, weil es ein Knochenjob ist. Man wird da angefeindet und es ist kein 40 Stunden-Job. Hut ab vor jedem, der das macht.

Bitte keine Politiker-Antwort: Wie lange planst du in der Politik zu sein und welche Funktion hast du am Ende deiner Karriereleiter über?
Wenn meine Rolle jemand ausfüllen kann, der es besser oder intensiver kann und der bessere Ideen hat, nehme ich gerne meinen Hut. Das Schlimmste sind die Sesselpicker-Politiker. Solange ich einen Mehrwert liefern kann, werde ich bleiben. Sollte ich einmal als Jungpolitiker altbacken sein, hätte es keinen Sinn, krampfhaft drinnen zu bleiben.

Aber es geht ja nicht nur um die Jugendpolitik. Du wirst ja vielleicht auch in Richtung der Funktionen Landeshauptmann, Minister oder EU-Abgeordneter träumen?

Ist alles im Rahmen des Möglichen, in meinem Fünfjahresplan ist es aber nicht drinnen - was danach passiert, das mag kommen, wie es will.

Aktuell gibt es also nur einen Fünfjahresplan?
Bis zu meinem 30. Geburtstag, also sagen wir vier Jahre.

Benjamin, ich danke dir fürs Gespräch. Sogar das Wetter hat ausgehalten, das dürfte am guten Draht der Grünen zum Wetter gelegen haben.

Das hat hoffentlich einen sehr guten Willen von oben.

"Viele Landesräte haben Hausaufgaben nicht gemacht"

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