Glaube ans Christkind: Der Zauber währt nicht ewig

Der Glaube ans Christkind nimmt von ganz allein ab. | Foto: ChristArt/Fotolia
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BEZIRK (wey). Alles ist dunkel. Die Kleinen versuchen, durch einen Spalt in der Wohnzimmertür einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Aber erst als das Glöckchen läutet, dürfen sie rein. Der Christbaum erstrahlt im Kerzenschein und darunter liegen die Geschenke. "Das Christkind war da!"
Bei der Frage, ob man Kinder über dessen Existenz aufklären soll oder nicht, scheiden sich die Geister. "Der Glaube an Phantasiegestalten wie Nikolaus, Christkind, Osterhase usw. ist für Kinder wichtig. Er unterstützt die soziale und moralische Entwicklung des Kindes", sagt dazu die Psychologin Alexandra Steiner aus Kirchdorf. "Zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr beeinflusst die sogenannte `magische Phase´ das Denken des Kindes. Es versucht sich die Welt zu erklären, verfügt aber noch nicht über die Fähigkeit, die realen Zusammenhänge zu erkennen. Das Kind hat eine große Vorstellungskraft und viel Phantasie, die in der Vorweihnachtszeit mit Freude ausgelebt werden kann. Zudem vermitteln die Geschichten vom Nikolaus und Christkind wichtige Werte. Der Glaube an die Phantasiegestalten nimmt von alleine ab. Mit ca. fünf, sechs Jahren kommen meist Zweifel darüber auf. Dies zeigt, dass das Kind die magische Phase überwunden hat und ein wichtiger Entwicklungsschritt passiert ist. Auch wenn der Glaube an das Christkind verschwindet, die Erinnerungen an diese magische Zeit und die positiven Gefühle dazu werden gut abgespeichert."

Verantwortungsvolle Begleitung der Eltern ist wichtig

Barbara Reiterer, Ärztin und Psychotherapeutin aus Micheldorf, dazu: "Es ist absolut nicht wichtig, dass Kinder an das Christkind glauben dürfen. Aber es ist von großer Bedeutung, dass Eltern, die es vorziehen, dem Kind vom Christkind zu erzählen, es dann auch verantwortungsvoll und sorgend begleiten beim `Absturz´ aus dieser `Schwindelei´. Wenn das gut gemanagt wird, bleibt der Vertrauensbruch des Kindes bewältigbar. Sollte das nicht passieren kann es beim Kind große Verunsicherung auslösen: `Was kann ich ihnen denn noch glauben?´ Diese Schaden kann fallweise größer und anhaltender sein als das Zauberglück, das ja nur von kurzer Dauer ist.

Ich denke, dass es nicht das große Thema ist, ob man Kindern das Christkind und seinen Zauber ermöglicht/zumutet, es ist mehr die Frage, wie Eltern mit dem Thema umgehen. Man kann dem Kind, wenn es dem eigenen Wunsch entspricht, schon `Märchen´ erzählen, sollte es dann aber liebevoll und schonend begleiten bei der unweigerlichen Realitätsanpassung, die ja meist mit Kindergartenbeginn geleistet werden muss. Viele Kinder heute sind `aufgeklärt´, ob das jetzt gut ist oder nicht. Aufgeklärte Kinder haben manchmal eine besonderen Spaß dran, `gläubige´ Kinder zu informieren und zu überzeugen. Vielleicht auch unbewusst mit dem Motiv, einen Zauber zu zerstören, den sie selber auch gerne empfinden würden.

Die Frage, die für mich weit wesentlicher erscheint, ist diese: Muss es denn sein, dass man dem Kind gerade diesen Zauber ermöglicht, ist die Welt doch (auch) so vielfältig zauberhaft, und sollten wir den Kindern nicht jene Zauberwelt nachdrücklicher eröffnen, die voller Zauber bleibt lebenslang? Schneeflocken anschauen, Vögel füttern, Kekse backen (und sich die Zeit nehmen es auch wirklich zum Erlebnis werden zu lassen in einer warmherzigen und ungestressten Atmosphäre, wo auch einmal etwas passieren kann, ohne dass gleich etwas passiert?

Beim Christkind und den dazugehörigen Engeln sind die Kinder ja doch immer auch frustriert, dass sie es/sie gerade nicht mehr gesehen haben, die Erwachsenen jedoch schon noch… Was der allergrößte Zauber für Kinder ist, ist auch der am schwersten zu bewerkstelligende: ein ruhiges Beisammensein, jeder der Erwachsenen sorgt gut dafür (nicht erst um die Weihnachtszeit) dass es ihm gut geht. Um dann den Zauber des Beisammenseins zu erleben. Ruhig, langsam, warmherzig, die Zugehörigkeiten geklärt. Ein Biotop für das `Kuscheltier´ Mensch.
Der ganze Zauber Christkind für manche Kinder überschattet von der Schwierigkeit geschiedener Eltern, das Fest zu gestalten. Das ist allerdings auch viel viel schwerer, als das Märchen vom Christkind zu erzählen."

"Wir lassen uns auf Fragen ein"
Wie man im Kindergarten mit dem Thema Christkind umgeht, erklärt Lydia Ballenstorfer vom Kindergarten Hellerwiese in Kirchdorf: "Kinder übernehmen in der Norm die Weihnachtstraditionen, die in der Familie üblich sind. Im Kindergarten liegt der Schwerpunkt darauf, den Kindern zu erzählen, was wir zu Weihnachten feiern, nämlich die Geburt von Jesus, Gottes Sohn. Wenn uns Kinder daher die Frage stellen, ob es das Christkind gibt, nutzen wir diese Gelegenheit, um mit den Kindern in einen philosophischen Dialog zu kommen. Das bedeutet, dass sich wir Pädagoginnen zurücknehmen und den Kindern Selbstbildungsprozesse ermöglichen. Auf der anderen Seite unterstützen wir die Kinder, indem wir als Bezugspersonen zur Verfügung stehen, die interessiert und aufmerksam ihre Themen wahrnehmen, sie beim Selberdenken unterstützen und mit ihnen gemeinsam in einem ergebnisoffenen Prozess nachdenken. Wir lassen uns auf die Fragen der Kinder ein, geben keine vorschnellen Antworten und stellen mitunter auch eigene Antworten in Frage.
Dieses Philosophieren führt uns auch zur Dialogfähigkeit zwischen Kindern, die unterschiedlichen Religionen und Kulturen angehören, welche wir als Schlüsselkompetenz in einer globalisierten Welt sehen. Zur Vielfalt im Kindergarten gehört die Begegnung mit den unterschiedlichen Religionen und dies sollte sich nicht nur auf ein Fest im Jahr beziehen, sondern auf das alltägliche Miteinander."

"Glaube ans Christkind muss zur Werthaltung der Familie passen"

"Der Glaube ans Christkind muss grundsätzlich zur Werthaltung der Familie passen", sagt Sigrid Sperrer, Psycholin aus Kirchdorf, zu diesem Thema. "Heute gibt es zunehmend mehr Eltern, die das Gefühl haben, sie würden ihre Kinder belügen, würden sie sie ans Christkind glauben lassen. Ich persönlich glaube, dass es für Kinder keine Lüge, sondern vielmehr eine Bereicherung darstellt, mit dem Christkind auch in eine Welt des Zaubers und der Magie eintauchen zu können. Gerade im Vorschulalter spricht man vom "magischen Denken" der Kinder - in dieser Zeit lieben sie Geschichten und Phantasiewelten…. Und haben im Übrigen kein Problem, zwischen Realität und Phantasie zu wechseln. Bei manchen Kindern dauert diese Phase länger an und es gibt durchaus über 10-Jährige, die noch ans Christkind glauben. Dann ist meist schon eine gehörige Portion Zweifel dabei, aber man merkt auch, dass sie den Zauber noch gar nicht aufgeben wollen… Früher oder später kommt der Moment, an dem Kinder aufhören ans Christkind zu glauben, so wie sie aus einem Kleidungsstück `herauswachsen´. Wenn es um die Aufklärung der Kinder geht, sollten sich Eltern meines Erachtens zuerst damit beschäftigen, was Weihnachten für sie bedeutet und über diese Bedeutung mit den Kindern ins Gespräch kommen. Dann kann man das Christkind leichter vom Geschenkeüberbringer entkoppeln und vielleicht findet Jede und Jeder jenseits der materiellen Geschenke etwas Zauberhaftes an der Weihnacht…. Wünschen tät ich´s den Lesern!"

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