Marko Feingold: „Ich erinnere mich an über 100 Jahre“
Der älteste Holocaust-Überlebende Österreichs war zu Gast in der Alten Gerberei in St. Johann und sprach darüber, wie er vier Konzentrationslager überlebte.
ST. JOHANN (elis). Marko Feingold ist 104 Jahre alt. 1913 geboren, erzählt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg seit über 70 Jahren von seinen Erlebnissen und Erinnerungen an zwei Weltkriege, der Gefangenschaft in vier Konzentrationslagern und seinem Engagement für die jüdische Flüchtlingsorganisation "Bricha" (Flucht).
„Falls Sie mir nicht glauben, ich kann alles beweisen. Ich habe alle Dokumente mitgenommen. Manchmal glauben mir die Leute nicht“, so Feingold zu Michael Kerbler, ehemaliger Ö1 Redakteur, der das zweistündige Gespräch mit dem ältesten Zeitzeugen des Landes in der Alten Gerberei in St. Johann führte.
Feingold erinnert sich an seine Kindheit während des ersten Weltkrieges, an die Zwischenkriegszeit, „die besten Jahre meines Lebens“, die er als Geschäftsmann in Italien verbrachte und an den Tag im Februar 1938, an dem er mit seinem Bruder aus Italien nach Wien zurückkehrte, um die Reisepässe verlängern zu lassen und Fasching in Wien zu feiern.
"Das war kein Überfall"
Wenige Wochen später waren sein Bruder und er, nach einem Fluchtversuch in die Tschechoslowakei, in Gefangenschaft – im KZ Auschwitz, der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war vollzogen.
„Das war kein Überfall. Nein, die Menschen, die Frauen auf den Straßen von Wien fielen den deutschen Soldaten um den Hals, als sie in Österreich einmarschierten“, mahnt Feingold gegen den Mythos, Österreich sei das erste Opfer Nazideutschlands gewesen.
Auschwitz, Neuengamme, Dachau, Buchenwald – Feingold war Gefangener in all diesen Konzentrationslagern. „Wir litten unter Hunger und Kälte. Ich wog 30 Kilo und hatte Wunden am ganzen Körper. Jeden Tag rechnete ich damit zu sterben“, so Feingold.
„Wir müssen das alles kennenlernen und wissen. Eltern müssen das an ihre Kinder weitergeben. Ich bin ein Gegner jeder Diktatur, ob links oder rechts oder – nicht bös' sein, hier in Tirol – durch die Religion, auch die eigene“, so der Mann mit dem feinen jüdischen Humor zum Abschluss.
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