Filmland Kärnten 2019
Trends am Cannes Film Markt 2019

- Logo des Cannes Film Market
- Foto: Marché du Film - Festival de Cannes
- hochgeladen von Christine Trapp
Egal welcher Film gewinnt, der Wettbewerb ist nur der glamouröse Aufputz für einen der größten Filmmärkte der Welt, den Film ist in Cannes in erster Linie die Ware für ein milliardenschweres Geschäft, das war schon immer so und dennoch ist 2019 einiges anders als sonst.
Streaming-Plattformen und Selbstvermarkter sind in aller Munde und haben zum ersten Mal dem traditionellen Filmrechtehandel schwer unter Druck gebracht. Waren es in den vergangenen Jahren noch die ungehemmten Auswüchse der Raubkopierer und illegalen Torrent-Plattformen, so hat sich jetzt sehr vieles zu Gunsten der (großen) Filmhersteller verändert, denn von Netflix, Amazon Prime abwärts haben sich unzählige Filmstreaming-Anbieter etabliert, gezeigt wird alles, vom verwerflichen kapitalistischen Spektakel, das nur dazu da ist um die Leute einzulullen bis zum Kunstfilmklassiker, selbst früher kaum verkaufbares und fast ausschließlich auf die Filmfestivals als Aufführungsorte beschränkte Genres wie dem Experimentalfilm findet im Internetstreaming Seher, die gegen „kleine Münze“ ausgefallenste Filme aus den Filmwerkstätten von aller Welt sehen. Dazu kommen Dokumentarfilme sämtlicher Genres, von der gefälligen TV-Doku bis zum Film-Essay ist alles verfügbar und selbst das Kino aus dem Süden, kann ohne große Probleme auf den Displays in Europa und in den USA, wieder gegen Bezahlung, gesehen werden.
Die perfekt funktionierenden Bezahlsysteme sind es letztendlich, die diese „kapitalistische“ Revolution ermöglicht haben, dann egal wo jemand den Film sieht, irgendwo bekommt ein Filmemacher/eine Filmemacherin, eine Filmproduktionsfirma, ein Filmkollektiv oder welche Herstellerform auch immer, letztendlich tatsächlich wieder „kleine Münze“ via Paypal, Money Transfer, Bitcoins oder auch Sepa überwiesen.
Filmhubs, also auf die Vermarktung von Filmen im Internet spezialisierte Vertriebsfirmen, platzieren Filme aus aller Welt, ebenfalls weltweit auf sämtlichen verfügbaren VoD-Plattformen, jede Filmemacherin / jeder Filmemacher kann so seinen Film überall zur Vermarktung anbieten und natürlich auch wieder Geld einsammeln, ohne sich auch nur aus der Wohnung zu bewegen, abgerechnet wird monatlich, bis halbjährlich, je nach dem, wie groß die Einnahmen sind, kleinere Beträge werden monatlich abgerechnet, allerdings erst nachdem man mindestens 100,-- US-Dollar Umsatz gemacht hat. Größere Beträge, ab etwa 1.000 US-Dollar werden halbjährlich ausgezahlt.
Das Problem der neuen Vertriebsformen ist, dass eben nur ‚kleine Münze‘ zwar sicher, aber über einen relativ langen Zeitraum verteilt beim Produzenten einlangt, ein Film muss jedoch vorfinanziert werden.
Daher haben die großen Filmländer, wie die USA, England, Italien, Spanien und ganz Lateinamerika begonnen einen „Low Cost“ Filmmarkt aufzubauen. Ein Geschäftsmodell, das es im Fernen Osten, VR China, Hongkong, Taiwan, Japan, Thailand usw., bzw. in Arabien schon lange gibt.
Dieses System begünstig den, der es versteht seinen Film selbst vorzufinanzieren, der Film muss daher möglichst kostengünstig sein.
Die Filmfördersysteme in Italien, jeder der mindestens 15 Tage und mehr dreht bekommt automatisch Geld, egal was gedreht wird, kein Genre ist ausgeschlossen oder Spanien, hier werden bei Filmen mit einem Budget von zirka 1.000 bis 2 Millionen Euro 67 % der Kosten vom Staat gefördert, allerdings erst im Nachhinein. Defacto gibt es das Fördergeld erst 1 Jahr nach Veröffentlichung des Films.
Auch diese beiden Fördersysteme begünstigen jene Filmemacher, die in der Lage sind, die Vorproduktion aus eigenen Mitteln zu finanzieren, das meistens durch einen eigenen bereits vorhandenen Filmstock ermöglicht wird.
Damit das Selbstfinanzierungssystem gut in Schwung kommt, war man in Italien, wie in Spanien innovativ und hat sich durchaus auf die Stärken der eigenen Filmgeschichte konzentriert und das Cinema Sociale in Italien neu belebt, also Filme, die gesellschaftskritische Themen aufgreifen und die in beliebten Genres, wie der Komödie und des Thriller, verpackt im Internet, aber auch in den Kinos und neuerdings auch im Fernsehen verhökert werden.
Zum Beispiel: „Il Nostro Ultimo“ von Ludovico Di Martino.
In Italien gibt es auch einen eigenen, auf Filme des „Cinema Low Cost“ spezialisierten Filmverleih, „Pablo Distribuzione“ des Filmproduzenten und Filmregisseurs Gianluca Arcopinto, der wiederum eng mit dem Cinema Nuevo Sacher von Nanni Moretti zusammenarbeitet. Nanni Moretti und Roberto Benigni kommen beide vom Cinema Sociale und haben jahrelang selbstfinanzierte Filme im do it yourself-Verfahren erfolgreich hergestellt.
In Spanien, wo jeder das Filmemachen als Geschäft versteht, wollte man in Sachen „Cine Low Cost“ nichts dem Zufall überlassen und hat das ‚Cine Quinqin‘ der 1970er und 1980er Jahre (dt. ‚Herumtreiber-Film‘) wiederentdeckt. Hier handelt es sich um Filme, deren Protagonisten meistens jugendliche Kriminelle sind, die in den Vorstädten von Barcelona, Alicante, Madrid und Bilbao, mit Drogenhandel und Kleinkriminalität den Lebensunterhalt bestreiten.
Erfolgreichster Film der Cine Quinqui ist aktuell der Film „Criando Ratas“ (dt. Ratten werden gezüchtet) von Carlos Salado. Den Produktionskosten von gerade einmal 5.000 Euro steht ein gewaltiges Interesse von 2,8 Millionen Sehern im Internet gegenüber.
Aber auch arrivierte Filmemacher sind auf den neuen Trend aufgesprungen. Einer der ganz großen des spanischen Kinos Alex de la Inglesia, vielfach ausgezeichnet und mit seinen kontroversen Filmen Stammgast in den Wettbewerben vieler internationaler Filmfestivals, hat die produktionstechnische Notbremse gezogen und setzt mit seinen beiden letzten Filmen stark auf Inhalte und weniger auf Spezialeffekte.
So hat sein mit Topstars des spanischsprachigen Kinos besetzter Psychothriller „El Bar“, Spanien 2017, nur noch 1,3 Millionen Euro und sein bisher letzter Film „Perfectos desconocidos“, (dt. Perfekte Fremde), Spanien 2017, nur noch 900.000 Euro gekostet, dem steht ein gewaltiges Einspielergebnis von rund 31 Millionen Euro gegenüber.
Ermöglicht wird diese vergleichsweise günstige Produktionsweise durch das in Spanien übliche Finanzierungssystem nach Höhe des Budgets. Es gibt mehrere Preisrichtlinien für Gagen von Cast und Crew, aber auch für den Verleih von filmtechnischen Geräten, Studiomiete usw. Außerdem hat Alex de la Inglesia die Drehzeiten reduziert. Drehte er für „El Bar“ noch 38 Tage, so waren es für „Perfectos desconocidos“ nur noch 18 Tage, alles im Studio in Madrid.
Unterstützt wird dieses neue Filmemachen der ‚Low Cost‘-Bewegung von einer breiten Öffentlichkeit, alle großen Zeitungen, aber auch TV- und Radiosender in Italien und Spanien, und neuerdings auch in Frankreich, das bisher noch nicht beim „Low Cost-Film“ dabei ist, berichten wöchentlich über die Neuerscheinungen der Billigfilme.
Und was tut sich im deutschsprachigen Raum? Nicht viel, ist man versucht zu sagen.
Billigfilme werden dort noch immer als amateurhaft von der Filmkritik und dem Publikum ignoriert. Es scheint, als wäre das Filmschaffen in Deutschland und Österreich stehengeblieben, ein Filmschaffen, das sich ganz am traditionellen, von staatlichen Filmförderstellen und öffentlich-rechtlichen TV-Sendern finanzierten, orientiert, und daher auch vollkommen in die Abhängigkeit des Staates geraten ist. Das mag diejenigen begünstigen, die es verstehen sich mit den Spielregeln dieses Finanzierungssystems zu arrangieren, aber wehe dem, wenn das System kippt, wie unlängst in Österreich (fast) geschähen. Dazu kommt noch, dass die Sehgewohnheiten des deutschsprachigen Publikums stark am us-amerikanischen Eventfilm und an amerikanische und deutsch TV-Serien ausgerichtet ist.
Man wird sehen, was noch möglich ist …



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