Groteske um Biotop droht zu eskalieren
Paradox: Obwohl die Stadtgemeinde um die Illegalität eines Biotop-Konstruktes weiß, handelt sie nicht. Die Nachbarn, die ihr Hab und Gut von den 500 Tonnen Wassermassen gefährdet sehen, überlegen nun eine Amtsmissbrauchsklage gegen den Klosterneuburger Bürgermeister.
KLOSTERNEUBURG (cog). „Jahrelang schmiss man die heiße Kartoffel im Kreis herum. Jetzt hat man eine Lösung gefunden, bei der sie in der Luft schwebt und sich keiner mehr die Finger verbrennen muss“, ärgert sich Kurt Stadler. Er wohnt mit seiner Familie am Ölberg neben dem Essigproduzenten und Kammersänger Herwig Pecoraro. Die heiße Kartoffel: eine sieben Meter hohe Aufschüttung zum Nachbargrundstück, in die ein Biotop eingebettet wurde.
„Das Ding ist ja gefährlich“
„Heiß“ deswegen, weil der Bau in Pecoraros Garten nicht in seiner jetzigen Form eingereicht und der Baubescheid von der Gemeinde deswegen wieder zurückgezogen wurde. Ein Abrissantrag flatterte den Pecoraros allerdings nie ins Haus. Es passierte nämlich überhaupt nichts. Stadler und seine Frau kämpften sich bis zum Verwaltungsgerichtshof durch. Im Frühling wurde ihnen Recht gegeben: Die Gemeinde sei säumig, denn eine Entscheidung müsse sein. Seither „schwebt“ die heiße Kartoffel. Der Gemeinderat hat die Sache zwar an die erste Instanz (Baubehörde) zurückverwiesen – und somit dem Tadel des Verwaltungsgerichtshofes genüge geleistet –, eine Entscheidung dort blieb allerdings aus. Der Bau muss aufgrund seiner massiven Abweichungen von den ersten Plänen vollkommen neu bewertet werden. Und in diesem Stadium hängt die Causa jetzt. Stadler ist fassungslos: „Das Extreme daran ist, dass das Ding ja gefährlich ist! Da ist Gefahr im Verzug, aber das wird ignoriert.“ Er und Peyer sind verzweifelt und überlegen, sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden: „Wir haben keine Rechtsmittel mehr. Aber das, was der Bürgermeister da macht, ist vorsätzlicher Amtsmissbrauch.“
Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP) verwehrt sich gegen diese Vorwürfe: „Alle Beteiligten werden zu ihrem Recht kommen. Wir verschleppen sicher nichts, der Fall wird natürlich so schnell wie möglich bearbeitet.“ Er verweist auf die hohe Arbeitslast und personelle Veränderungen in der Baubehörde. Zur angedrohten Amtsmissbrauchsklage gegen seine Person meint Schmuckenschlager: „In Klosterneuburg ist die Baubehörde erster Instanz nicht dem Bürgermeister, sondern dem Stadtamt zugeordnet.“
„So ist niemandem geholfen“
Volksanwaltschafts-Jurist Peter Kastner stellt klar: „Nachdem der Fall im Mai an die erste Instanz zurückverwiesen wurde, hätte dort innerhalb einer dreimonatigen Frist – zuzüglich Zustellungszeitraum – eine Entscheidung getroffen werden müssen.“ In einem Ermittlungsverfahren gehöre rasch geprüft, ob der Bau in seiner jetzigen Form bewilligungsfähig ist. Kastner: „Es ist niemandem geholfen, wenn die Behörde nicht entsprechend rigoros vorgeht.“ Denn auch der Bauwerber brauche Rechtssicherheit.
„Haben damit nichts zu tun“
Herwig Pecoraro will sich aus dem Streit zwischen der Familie Stadler-Peyer und der Stadt heraushalten: „Damit haben wir nichts zu tun. Wir haben immer alles gemacht, was von uns verlangt wurde, und Pläne nachgereicht.“ Ob er sich – ein Vorwurf seitens seiner Nachbarn – speziell behandelt fühle? „Aber nein. Das wäre ja furchtbar! Vor dem Gesetz sind alle gleich.“
Und was sagt Volksanwältin Gertrude Brinek zu dem Fall?
IM INTERVIEW: „Anrainer sind Gelackmeierte“
BEZIRKSBLATT: Was ist in der Causa Pecoraro (Anm.: siehe Bericht rechts) schief gelaufen?
GERTRUDE BRINEK: „Die Gemeinde hat nur auf Drängen hin einen windelweichen Baustopp verhängt. Windelweich deshalb, weil sie diesen nicht exekutiert; d. h. sie schaut zu oder weg. Dabei ist die Gefahr, dass der Hang rutscht, nicht von der Hand zu weisen.“
BEZIRKSBLATT: Wer hat die Verantwortung zu tragen?
GERTRUDE BRINEK: „Die Gemeinde hat zu verantworten, dass durch ihr Säumigwerden Fakten geschaffen wurden, die sich nicht mit dem Plan decken. Das Konstrukt jetzt zu überprüfen, ist ein Wahnsinn. Da bedarf es Probebohrungen, Kameras, Aufgrabungen.“
BEZIRKSBLATT: Welche Vorgangsweise schlagen Sie vor?
GERTRUDE BRINEK: „Das Bewilligungsverfahren muss rasch stattfinden, denn im Moment wurde ein Bau gesetzeswidrig errichtet. Und den Beweis, dass er in seiner jetzigen Form bewilligungsfähig ist, sollte nicht der Steuerzahler zahlen müssen, sondern den müsste der Bauwerber bringen. Das kann die Gemeinde einfordern.“
BEZIRKSBLATT: Ein Unikum? Oder gibt es in Österreich viele Fälle, die so gelagert sind?
GERTRUDE BRINEK: „Es ist leider ein durchgehendes Problem. Bei mir liegen hundert solche Fälle. Auch aus Klosterneuburg gibt es noch weitere. Am Anfang steht immer ein Bürger, der sich denkt: Ich bau’, was ich will – und Gemeinde wie Behörde sind nicht entschlossen genug, ‚Stopp‘ zu sagen. Und die Anrainer sind die Gelackmeierten. An dieser Stelle muss die Verwaltungsreform beginnen. Die Behörde muss rasch und mutig handeln und sich an die Gesetze halten. Sonst muss man klar sagen: Das ist illegal.“
Interview: Cornelia Grobner
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