Verfassungsgerichtshof-Präsidentin Brigitte Bierlein als Besuchermagnet bei Völkerverständigungsgesellschaft
KLOSTERNEUBURG (pa). Über 200 Personen -besonders politisch oder/und juristisch Interessierte aus NÖ und Wien - füllten den Festsaal der Raiffeisenbank in der Babenbergerstadt Klosterneuburg bis auf den letzten Platz. Das Thema des Vortrages, zu dem Josef Höchtl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung, geladen hatte, ist nicht nur hierzulande aktueller denn je. Niemand anderer könnte berufener sein, über die Aufgaben, Kompetenzen und auch Entscheidungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zu referieren, als Brigitte Bierlein, erste Frau an der Spitze dieser seit hundert Jahren bestehenden Institution.
Das aus Präsident, Vizepräsident, Richtern und Ersatzmitgliedern bestehende Gremium (also aus insgesamt 14 Persönlichkeiten sowie 6 Ersatzmitgliedern) wird vom Bundespräsidenten ernannt, ist in seiner Amtsführung unabhängig, entscheidet mit einfacher Stimmenmehrheit und tritt nach außen ohne „dissented opinion“ auf(sprich: gegenteilige Meinungen der jeweiligen Minderheit werden nicht veröffentlicht) . Seine Hauptaufgabe ist, Gesetze und Verordnungen auf deren verfassungsgemäße Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der VfGH ist somit zwischen Politik und Recht angesiedelt und fungiert daher gelegentlich auch als „negativer Gesetzgeber“. Weitere Höchstgerichte in Österreich sind der Verwaltungsgerichtshof, dessen Beschwerdeinstanz der VfGH darstellt, und der Oberste Gerichtshof, für dessen Entscheide der VfGH jedoch über keine Überprüfungskompetenz verfügt. Beschwerdeverfahren können auch von Amts wegen eingeleitet werden, wobei der VfGH zur allfälligen Mängelbehebung über das Mittel der Fristsetzung verfügt. Staatsverträge können erst nach deren Kundmachung überprüft werden.
Spektakuläre Fälle
Seit seiner Gründung vor rund hundert Jahren musste sich der Verfassungsgerichtshof – mit Unterbrechung in den Jahren des Naziregimes - mit einem breiten Spektrum von Fällen auseinandersetzen. Präsidentin Bierlein nennt als spektakulärste Fälle die Umstände um die letzten Bundespräsidentenwahlen und die Auseinandersetzung mit Fragen der Pornografie anlässlich der Premiere von Arthur Schnitzler´s Schauspiel „Der Reigen“ (das vor beinahe hundert Jahren). Als “jüngere“ Anlässe nennt sie die schrittweise Gleichschaltung der Pensionsantrittsgrenze für Frauen, die Ortstafelfrage in Kärnten, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Stiftungseingangssteuer oder Vorratsdatenspeicherung. Erwähnenswert seien auch Themen wie der „Bundestrojaner“, Ehe für alle, Stiefkindadoption, Personenstandsgesetz, Mindestsicherung, Krankenkassenfusionierung, Rauchergesetz, Bezahlung von Imamen oder Sicherheitshaft. Die Bedeutung des Verfassungsgerichtshofes könne am besten mit einem Zitat des Schöpfers der österreichischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, beschrieben werden: „Recht ist nicht alles, aber ohne Recht ist alles nichts.“
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