Probebohrungen in Tirol & Bayern
DB & ÖBB: "Wir können das BBT-Zulauf-Projekt nur gemeinsam weiterbringen"

Franz Lindemair (Sprecher DB Großprojekte Süd), Torsten Gruber (Planer DB), Martin Gradnitzer (Planer ÖBB) und Christoph Gasser-Mair (Sprecher ÖBB Tirol, v.l.)
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  • Franz Lindemair (Sprecher DB Großprojekte Süd), Torsten Gruber (Planer DB), Martin Gradnitzer (Planer ÖBB) und Christoph Gasser-Mair (Sprecher ÖBB Tirol, v.l.)
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BEZIRK/BAYERN (nos). Abseits jüngster tagespolitischer Störfeuer, wie zuletzt von der bayerischen CSU, sehen sich die Planer der Nord-Zulauftrasse zum Brenner-Basis-Tunnel (BBT) gut im Zeitplan und bewerten die Diskussionen in den Gemeindeforen, auch mit den Bürgerinitiativen in Tirol und Bayern, als "emotional, aber immer konstruktiv".

Projekt jenseits tagespolitischer Sprechblasen

Ohne die von verschiedenen Politikern, besonders jüngst in Bayern, getätigten Aussagen über die Notwendigkeit des Ausbaus der Bahnstrecke zwischen München und Langkampfen direkt zu kommentieren, halten Thorsten Gruber (DB) und Martin Gradnitzer (ÖBB) fest, dass es seit Jahren bestehende Verträge und Abkommen zum BBT-Projekt gibt. Die Frage nach der Notwendigkeit des viergleisigen Ausbaus stellt sich für die beiden Projektleiter nicht, denn das Argument, es gäbe noch freie Kapazitäten auf der Bestandsstrecke, sei zu kurz gegriffen. "Wir haben derzeit noch 20 marktfähige Trassen auf der Bestandsstrecke frei", erklärt Gruber, "aber die brauchen wir bis zur Fertigstellung des Nord-Zulauf-Ausbaus auch. Stellen sie sich vor, wir wären bereits jetzt am Limit, das wäre ein großes Problem!" Die 20 noch "befüllbaren" Verbindungen seien so etwas wie eine Reserve für den steigenden Warenverkehr in den kommenden 20 Jahren bis zur geplanten Inbetriebnahme des Nordzulaufs. Ist der viergleisige Ausbau fertig gestellt, können bis zu 400 Züge täglich zwischen München und Verona verkehren. Das allerdings ist nur die "Bemessungsgröße" der Planer, also die Zahl, die das Neubau-Projekt zu leisten im Stande sein müsse, um für die kommenden Generationen ein Auslangen zu finden.
Das "Jahrhundert-Projekt" BBT, so die beiden Planer, sei so langfristig ausgelegt, dass Vielen der Überblick über das große Ganze fehle, zumal seit Jahrzehnten bereits Vorarbeiten, Bestandsstreckenertüchtigungen und Planungen auf der gesamten Achse München-Brenner-Trient-Verona erfolgten. Diese würden in den einzelnen Regionen aufgrund der räumlichen und zeitlichen Distanzen nicht als Teile des Gesamtprojekts "Brennerkorridor" wahrgenommen. Zudem übersteigt die Gesamtdauer auch bei weitem jene von Legislaturperioden oder Politikerkarrieren. "Wir halten den Zeitplan so ein, wie sich die aktuellen Engpässe ergeben", führt Gruber dazu aus, "es muss nicht alles gleichzeitig auf der Achse in Betrieb gehen, die Taktung folgt dem Verkehrswachstum. Man muss das als Prozess verstehen, das läuft über viele Jahrzehnte." Das Gesamtsystem "Brennerachse" bestehe aus vielen Elementen, eines davon ist etwa der BBT, ein anderes die Baumaßnahmen in Franzensfeste oder die Umfahrung Trient. Deshalb sei es auch kein Problem, dass der Nord-Zulauf zwischen Rosenheim und Langkampfen mit Fertigstellungsziel 2038 einige Jahre nach dem BBT selbst in Betrieb gehen werde.

Mit Blick auf die geäußerten Zweifel von Abgeordneten hielten DB und ÖBB auch fest, dass mit dem "Vertrag von Rosenheim", einem Staatsvertrag von 2012, dem "Brenner Aktionsplan", dem laufend revisierten "Bundesverkehrswegeplan" der BRD sowie in zahlreichen weiteren Vertragswerken und Beschlüssen von der EU-Ebene abwärts die Notwendigkeit des Ausbaus der Schiene auf der Brennerachse und der Auftrag zur Planung der neuen Trasse klar verankert sei. Tiroler Oppositionsparteien forderten bereits die Prüfung einer Klage zur Vertragserfüllung.
"Wir haben einen gesetzlichen Bedarfsnachweis für dieses Projekt", stellt Gruber mit Blick auf den Bundesverkehrswegeplan klar. Dieser werde etwa alle fünf Jahre überprüft und alle zehn Jahre überarbeitet. Darin wird durch von Expertisen und Gutachten der Bedarf an Verkehrswegen aller Art anhand von Prognosen zu Waren- und Personenverkehr, Regionalentwicklung und weiter Faktoren festgehalten, um langfristige notwendige Infrastrukturmaßnahmen planen zu können: "Der Bund hat den Bedarf bereits ganz klar nachgewiesen!" Dass dieser Nachweis mit einer kommenden Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans plötzlich vom Tisch sei, daran glauben die Planer nicht, sie gehen aufgrund ständig steigender Zahlen was den Transit- und Warenverkehr angeht eher vom Gegenteil aus: "Es ist drängender denn je hier etwas zu tun am Brenner!"

Der aktuelle Stand zum Nord-Zulauf

München-Trudering ist der Bahnknoten, über den künftig mithilfe des dortigen Verladeterminals ein Großteil des europäischen Warenflusses, der über den Brenner muss, abgearbeitet werden soll – das "Nordende der Brennerchase". Bis Grafing besteht bereits eine viergleisige Verbindung nach Süden, hier sind Ertüchtigungen an der Bestandsstrecke in Vorplanung. Den ersten Neubaustreckenabschnitt sehen die DB-Planer in Großkarolinenfeld, hier sei eine Verknüpfungsstelle geplant, an der Bestands- und Neubaugleise zuammengeführt werden können – einen genauen Standort müsse man aber erst finden, so Gruber. Weiter südlich beginnen dann die aktuell noch nicht final trassierten Planungsräume für den Nord-Zulauf zum BBT: zwei erweiterte Planungsräume in und um Rosenheim sowie die vier gemeinsamen Planungsräume von ÖBB und DB zwischen Raubling und Langkampfen. Die Grobtrassenplanung hierfür wurde vor dem Sommer präsentiert – die BEZIRKSBLÄTTER berichteten.
Mit den Präsentationen der beiden planenden Bahnunternehmen sei ein "wichtiger Schritt gemacht" worden, so Gruber und Gradnitzer, "weil wir damit die echten Trassendiskussionen beginnen konnten", nicht nur in den dazu eingerichteten Gemeindeforen, sondern auch direkt vor Ort mit den Bürgern. So sei auch "wichtiges lokales Wissen aus der Region" in weitere Überlegungen mit eingeflossen, etwa durch Änderungsvorschläge von Bürgerinitiativen und Gemeinden, die auch ihre Zukunftsentwicklungspläne in den gemeinsamen Prozess einbrignen konnten. "Österreich macht das schon seit 20 Jahren, für uns war das eher etwas neues", meinte Gruber dazu, "wir wollen uns in Baxern auf diese Erfahrungen stützen". Daraus ergibt sich nach seiner Ansicht eine qualitativere Planung: "Der Dialog hat sich bewährt, er wird zwar teilweise durchaus emotional geführt – und das ist auch gut so – aber er ist immer konstruktiv. Hier wird nicht von vorne herein abgelehnt, sondern es gibt immer Vorschläge für Änderungen." 55 Prozent der zu Beginn der Planungen veranschlagten Kriterien für die Trassenfindung zwischen Rosenheim und Langkampfen seien aufgrund des feedbacks aus der Bevölkerung bereits überarbeitet worden, halten die Planer fest. "Es ist wichtig, dass hier diskutiert wird. Das ist ein Projekt für Generationen. Man darf nicht vergessen, die Bestandstrecke im Inntal ist 150 Jahre alt."
"Wir wollen am Ende ein Projekt haben das funktioniert, den gewünschten Effekt erzielt und wirtschaftlich konkurrenzfähig ist." Vorschläge wie jüngst aus Langkampfen und Kufstein werden "aktuell geprüft und werden sich sicher in den nächsten Plänen wiederfinden".

Was von Seiten der Bevölkerung zumeist zu allererst ins Treffen geführt wird, ist die Furcht vor steigender Lärmbelastung, weshalb eine Tunnellösung – wie in Tirol weitgehend bereits vorgemacht – auch für die Gemeinden Bayern  die erste Wahl wäre. "Im derzeitigen Planungsstand gibt es momentan zwei Kriterien, die zu einer Tunnellage geführt haben, weil es anders nicht möglich wäre die trasse zu führen", erklärt Gruber, "nämlich entweder einen Berg, den die Bahn nicht überwinden kann, oder ein geschlossenes Siedlungsgebiet." 2019 wollen die Planer von DB und ÖBB die Grobtrassenbewertungen angehen, also wenn der "Input" von Gemeinden und Bürgern vorerst abgeschlossen sei. Dann werden Faktoren wie Schallschutz oder die Querung von Autobahnen bewertet, bei allen derzeit angedachten und durch das Feedback überarbeiteten Varianten.""Ein Tunnel ist kein Selbstzweck, sondern folgt sachlichen und fachlichen Kriterien. Darum könne man derzeit auch keine Aussage über den geplanten Anteil von Tunnelkilometern an der Gesamttrasse machen, so Gruber. Ziel sei vielmehr ein "möglichst verträglicher Verlauf für die Region, der technisch machbar und genehmigungsfähig" ist.
Anfang 2020 wollen die Planer ihre Empfehlung für die Trassierung der Neubaustrecke präsentieren, dann folgt ein besonders wichtiger Meilenstein: "Es gibt noch einen Entscheidungspunkt", so Gruber, denn der deutsche Bundestag wird dem Trassenvorschlag und den damit verbundenen Kosten zustimmen müssen, bevor die Baumaßnahmen beginnen können. Ob dies im Verkehrsausschuss oder direkt in einer Plenarsitzung geschehen werde, ist noch offen und nicht zuletzt Sache der Ministerien. Wie lange sich der Bundestag mit der Prüfung und Auseinandersetzung befassen werde, ist ebenfalls unbekannt.

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