Die Männer mit den Pferdekopfgitarren

Huun Huur Tu zelebrierten einen musikalischen Ritt durch die sibirische Steppe.
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  • Huun Huur Tu zelebrierten einen musikalischen Ritt durch die sibirische Steppe.
  • hochgeladen von Melanie Haberl

KUFSTEIN (mel). Selten hat eine Vorankündigung für ein Konzert derartige Neugier in mir ausgelöst: Am Plakat prangen vier in festliche Kutten gekleidete Mongolen, mit einem Lachen im Gesicht und seltsamen Instrumenten in der Hand. Darunter war zu lesen: "Huun Huur Tu", die Obertonsänger aus Tuwa, am 28. November in Kufstein. Aha. Vorstellen konnte man sich nicht wirklich etwas darunter, auch Youtubevideos geben bekannterweise nur eine vage Ahnung davon, wie ein Konzert tatsächlich wirkt.
Von Anfang an war klar: Das wird ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Entweder endet der Abend so schnell wie er begonnen hat in einem fluchtartigen Verlassen des Konzertsaals oder man versinkt in tiefenentspannten Trancezuständen.

So fern und doch so nah

Am Samstag war es also soweit. Huun Huur Tu in der Kufa. Beim Betreten gleich die erste Überraschung: Der Saal ist bestuhlt. Ein Sitzkonzert also. Mit rund 120 Besuchern war der Raum gut gefüllt. Die Lichter gehen aus, hie und da ist noch ein Flüstern im Publikum zu vernehmen.
Das bunt gekleidete Quartett nahm mit Flöte, Trommel und Lauten ausgestattet auf der Bühne Platz und strahlte eine unsagbare Ruhe aus. "Good evening, we are Huun Huur Tu from Tuwa", erklärte der Lautenspieler mit russischem Akzent. Auf das energische Klatschen folgt gespannte Stille.
Sanft und fast schon zerbrechlich beginnen die Musikanten ihre Instrumente zu bespielen. Sachtes Klopfen wird zu einem durchdringenden Schlagen, langsam entfaltet sich eine Flötenmelodie. Der Gesang beginnt "normal", doch schon bald schwingt sich der erste Sänger in diese besondere Kehlkopftechnik ein.
Augenblicklich erfüllt dieser unvergleichliche Ton den ganzen Konzertsaal und verstärkt sich selbst wie ein sphärischer Klangkörper. Das Gehörte ist überwältigend, so fremd und doch so berührend. Angenehm und spannend. Als dann auch noch der zweite Sänger loslegt, gehen die Augen zu und die Gänsehaut an. Ja, es war eine gute Entscheidung, dieses Konzert zu bestuhlen.
So leise und würdevoll wie es begonnen hat, klingt das erste Lied auch wieder aus. Als der letzte Ton verhallt, folgen Sekunden des andächtigen Schweigens. Kurz darauf macht sich ein lautes Klatschen breit. Es war irgendwie unpassend, aber wie hätte man sonst reagieren sollen?

Sehnsucht, Liebe, Freiheit

Vor jedem Lied gaben Huun Huur Tu einen kurzen Abriss, worum es in ihrer Musik geht. Sie thematisiseren Gefühle wie Freiheit, Sehnsucht und Nostalgie. Und ihre Heimat Tuwa, irgendwo in der russischen Steppe, zwischen Sibirien und der Mongolei. Die musikalischen Geschichten erzeugten eine Stimmung von wehendem Wind, mystischen Ritualen und wilden Tieren. So erhallte ein Pferdelied im tosenden Galopp, danach ging es auf eine imaginäre Waldlichtung mit Vogelgesang, Fauchen und Gurren.
Musikalisch kamen Maultrommel, Lauten, Flöten und undefinierbares Streich-, Zupf und Schlagwerk zum Einsatz. Doch das beeindruckendste Instrument des Abends waren immer noch die Stimmen der vier seltsamen Männer, die nach einer Zugabe so schnell wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht sind.
Huun Huur Tu gaben wertvolle Einblicke in eine gänzlich andere Kultur und Geschichte. Und wenn man eine Nacht darüber schläft, kann man auch die Faszination für "unsere" Volksmusik, mit Lederhosen, Akkordeon und Gejodel besser nachvollziehen.

Die nächste Klangfarben-Kulturveranstaltung: Elektro Guzzi mit ihrem Analog-Ritual-Techno am 11. Dezember im Q-West Kufstein.

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