Podiumsdiskussion
Experten sprechen in Kufstein über "Helden" und Orgel

Beim 18. Kufsteiner Nachtgespräch ging es um die Geschichte aber auch die Zukunft der Heldenorgel.   | Foto: Barbara Fluckinger
11Bilder
  • Beim 18. Kufsteiner Nachtgespräch ging es um die Geschichte aber auch die Zukunft der Heldenorgel.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Zwei Befürworter und zwei Gegner diskutierten bei Nachtgespräch über Aufarbeitung und mögliche Umbenennung der Heldenorgel. Die Weichen dürften in Kufstein auf eine Beibehaltung des Namens stehen, mit neuer Widmung.

KUFSTEIN. Es waren viele Stimmen und Meinungen, die am Montag, den 17. Oktober im Kufsteiner Kultur Quartier über die Mikrofone des Saals "getragen" wurden. Anlass war ein Nachtgespräch in Form einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Der Name der Orgel". Auf dem Podium fanden sich vier Diskussionsteilnehmer: Franz Gratl vom Tiroler Landesmuseum, Hugo Oberkofler (Leitung Festungs- und Heimatmuseum Kufstein), Martin Nagiller (Obmann des Fremdenführervereins im Tiroler Unterland), sowie der ehemalige Kulturreferent und Admin der Facebook-Gruppe "Wir Kufsteiner", Georg Hetzenauer. 
Dem Nachtgespräch war eine heftige Debatte zu einer möglichen Umbenennung und Aufarbeitung der Geschichte der Heldenorgel in der Stadt Kufstein vorausgegangen, dies vor allem auf sozialen Medien. Den Anstoß dazu hatte ein in einer Gemeinderatssitzung im Juni eingebrachter Antrag von Kulturreferent Klaus Reitberger gegeben (die REGIONALMEDIEN KUFSTEIN berichteten). Eingegangene Drohungen vor dem Nachtgespräch zwangen die Veranstalter sogar dazu, Security-Personal für das Nachtgespräch ins Kultur Quartier zu bestellen. Auch wenn diese letztendlich nicht zum Einsatz kamen und die Diskussion auch von Wertschätzung geprägt war, zeigte sich im Zuge des Abends mit vereinzelten Buhrufen und Pfiffen aus dem Publikum, dass das Thema in Kufstein ein durchaus brisantes und emotionales ist.

"... das Erste und Wichtigste für mich ist ein ordentlicher Umgang mit der Geschichte", erklärte Franz Gratl.  | Foto: Barbara Fluckinger
  • "... das Erste und Wichtigste für mich ist ein ordentlicher Umgang mit der Geschichte", erklärte Franz Gratl.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

"Ordentlicher Umgang mit Geschichte" 

Als Befürworter einer Aufarbeitung oder gar Umbenennung der Heldenorgel traten Gratl und Oberkofler ein. Sie beriefen sich vor allem auf einen notwendigen, ordentlichen Umgang mit der Vergangenheit der Orgel, aber auch mit dem Begriff "Helden" in der heutigen Zeit. Franz Gratl, der sich für die Publikation „Disposition“ von Lucas Norer eingehend mit der Geschichte der Orgel beschäftigt hatte,  betonte, dass eine Aufarbeitung des Instrumentes bislang fehle. Die Idee zum Bau des Instrumentes kam vom Dichter Max Depolo, der ein Heldenmal zum Gedenken an die Gefallenen "ausschließlich Deutscher Zunge" errichten wollte, wie Gratl erklärte. "Die Gefallenen des Krieges, die für mir Irregeleitete, bewusst Täter oder auch Opfer waren, sind für mich keine 'Helden' in dem Sinn. Deswegen steht für mich eine Umbenennung sehr wohl im Raum, aber das Erste und Wichtigste für mich ist ein ordentlicher Umgang mit der Geschichte", so Gratl. 

"Wenn schon der Name Heldenorgel beibehalten werden sollte, sollte man das einfach nicht mehr nur auf den militärischen Bereich beschränken, sondern auf die Helden unter uns", sagte Hugo Oberkofler. | Foto: Barbara Fluckinger
  • "Wenn schon der Name Heldenorgel beibehalten werden sollte, sollte man das einfach nicht mehr nur auf den militärischen Bereich beschränken, sondern auf die Helden unter uns", sagte Hugo Oberkofler.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Heute noch "andere Helden"

In die gleiche Kerbe schlug Hugo Oberkofler: Die Heldenorgel sei ein "klingendes Kriegerdenkmal", das für die Idee des Nationalsozialismus missbraucht wurde. Das dürfe man nicht unter den Tisch kehren. "Für die Menschen waren damals 'Helden' Soldaten, die in den Krieg gezogen sind. (...) Aber die Zeiten haben sich geändert", so Oberkofler. Heute gebe es noch viele andere "Helden", wie Helden zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Sozialhilfe. "Wenn schon der Name Heldenorgel beibehalten werden sollte, sollte man das einfach nicht mehr nur auf den militärischen Bereich beschränken, sondern auf die Helden unter uns", so Oberkofler. Man könne die Klänge der Orgel genießen, aber sollte sich auch bewusst sein, welche Geschichte diese hinter sich habe. 

"Die Schaffung geht zurück auf das Gedenken an die Gefallenen eines Krieges, den man verloren hat", so Martin Nagiller. | Foto: Barbara Fluckinger
  • "Die Schaffung geht zurück auf das Gedenken an die Gefallenen eines Krieges, den man verloren hat", so Martin Nagiller.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Nähe zu Deutschem Volk, Abstand zu Nazis

Martin Nagiller und Georg Hetzenauer sprachen sich indes für eine Beibehaltung des Namens aus. Sie bezogen sich auf die geschichtlichen Umstände nach dem ersten Weltkrieg, thematisierten aber auch das "Lied vom Kameraden", das für sie nicht kriegerisch sei. Die Entstehung der Orgel sei lösgelöst vom Nationalsozialismus zu sehen.
Nagiller betonte, dass Nationalismus nicht mit Nationalsozialismus gleichzusetzen sei und dass sich die deutschsprachige österreichische Bevölkerung damals, also bereits vor Aufkommen des Nationalsozialismus, lange Zeit als Teil des Deutschen Volkes sah. 

"In der Zeit, in der wir über die Heldenorgel reden, zwischen der Idee 1924 und der Verwirklichung 1931, gibt es in dem Zusammenhang keinerlei irgendwo belegte totalitäre Strömungen. Es gibt nichts, das mit dem dritten Reich einen Zusammenhang hätte",

sagte Nagiller. Es sei damals ausschließlich darum gegangen, dass der Teil an Rest an Österreichern "heim ins Reich" wollte. "Die Schaffung geht zurück auf das Gedenken an die Gefallenen eines Krieges, den man verloren hat", so Nagiller. Auch das täglich auf der Orgel gespielte "Lied vom guten Kameraden", werde teilweise falsch verstanden: Es gebe darin kein Wort, das anregen sollte, in den Krieg zu ziehen. Das Lied Zeige vielmehr die Tragik und Willkür des Krieges.

"Ich meine, die Heldenorgel soll weiterhin Heldenorgel heißen, weil sie genau damals zu dem Zwecke errichtet worden ist, dass man den Helden gedenkt",
betonte Georg Hetzenauer. | Foto: Barbara Fluckinger
  • "Ich meine, die Heldenorgel soll weiterhin Heldenorgel heißen, weil sie genau damals zu dem Zwecke errichtet worden ist, dass man den Helden gedenkt",
    betonte Georg Hetzenauer.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Lied vom Kameraden: Soll bleiben

"Die Heldenorgel wurde dafür errichtet, damit man den Helden gedenkt, die im ersten Weltkrieg gestorben sind", so Hetzenauer. Damals habe man einen Helden als einen Menschen, der außergewöhnliches geleistet hat, der sich durch besonderen Mut ausgezeichnet hat oder der sein Leben für andere hingab, definiert.
Er sprach sich auch dafür aus, das "Lied vom guten Kameraden" weiter zu spielen. "Es ist absolut nicht der Fall", dass das Lied soldatisch und kriegsverherrlichend sei.

"Ich meine, die Heldenorgel soll weiterhin Heldenorgel heißen, weil sie genau damals zu dem Zwecke errichtet worden ist, dass man den Helden gedenkt",

betonte Hetzenauer. Heute solle die Heldenorgel auch für Leute spielen, die insgesamt durch Gewalt umgekommen sind. "Ich wehre mich dagegen, dass man nun sagt, jetzt muss eine Tafel mit 2.500 Buchstaben aufgestellt werden. 2.000 davon beschäftigen sich mit den sieben Jahren der Nazi-Zeit – und mit den 84 Jahren, die wir ohne die Nazis ausgekommen sind, das soll schon ein Verhältnis haben", so Hetzenauer. 

Bürgermeister Martin Krumschnabel sprach sich für eine neue, ausgeweitete Widmung für die Orgel aus. Der Heldenbegriff der heutigen Zeit soll dabei dank eines Textes von Klaus Reitberger definiert werden.  | Foto: Barbara Fluckinger
  • Bürgermeister Martin Krumschnabel sprach sich für eine neue, ausgeweitete Widmung für die Orgel aus. Der Heldenbegriff der heutigen Zeit soll dabei dank eines Textes von Klaus Reitberger definiert werden.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Weitere Widmung in Aussicht

Eine Änderung des Namens der Orgel scheint ob der Stimmung in der Kufsteiner Bevölkerung derzeit aber unwahrscheinlich. Bürgermeister Martin Krumschnabel betonte nach der Diskussion, dass der Gemeinderat sich mit der Frage beschäftigen werde. Er nahm Bezug auf eine Rede des ehemaligen Kufsteiner Bürgermeisters Siegfried Dillersberger, der sich in den Achtzigern für eine weitere Widmung der Orgel aussprach.
In diese Richtung wolle auch er gehen und den Begriff des Helden im heutigen Verständnis ausweiten. Kulturreferent Reitberger habe dazu bereits einen Text für eine neue Widmung geschrieben. "Er hat es geschafft, die Widmung für Helden in unseren Worten der heutigen Zeit auszudrücken und den Begriff so weit zu setzen, wie man ihn im täglichen Leben setzt", so Krumschnabel. Er hoffe darauf, dass der Text im nächsten Gemeinderat veröffentlicht werden könne. 

Heldenorgel: Wofür bist du nach der Podiumsdiskussion in Kufstein?

Weitere Beiträge aus und rund um Kufstein findest du hier.
Aktuelle Nachrichten aus dem Bezirk Kufstein gibt‘s hier.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren:

Geplante Podiumsdiskussion befeuert Disput um Kufsteiner Orgel
Diskussion um Kufsteiner Heldenorgel geht in nächste Runde
GKL fordert Beibehaltung des Orgel-Namens in Kufstein
Kufsteiner Orgel könnte Namensänderung bevorstehen – mit Umfrage
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.