Schwoich
Riederbau-Chef gibt Einblicke in die "größte Branche der Welt"

Für Anton Rieder gibt es derzeit vier große Herausforderungen in der Baubranche: Klimawandel, Digitalisierung, Kostenentwicklung und Fachkräftemangel. | Foto: Christoph Klausner
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  • Für Anton Rieder gibt es derzeit vier große Herausforderungen in der Baubranche: Klimawandel, Digitalisierung, Kostenentwicklung und Fachkräftemangel.
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Anton Rieder erklärt, woher der Kostenanstieg rührt, wie Digitalisierung helfen kann, wo es aus ökologischer Sicht Verbesserungspotential gibt und wie Fachkräfte gefunden werden können.

SCHWOICH. Die Baubranche wird sich verändern, davon ist WK-Vizepräsident und Innungsmeister des Tiroler Baugewerbes Anton Rieder überzeugt. Die Frage sei nur, wie schnell und wie tiefgreifend die Veränderungen eintreten werden. In seinem eigenen Untenehmen Riederbau setzt er als Chef verstärkt auf Digitalisierung (die RegionalMedien berichteten), um so einerseits neue Geschäftsfelder zu erschließen, andererseits allerdings auch um die Effizienz zu steigern. Rieder sieht in der niedrigen Produktionssteigerung ein wesentliches Problem, dass öffentlich zwar kaum Beachtung finde, allerdings mitverantwortlich für die hohen Baukosten sei. Laut einer Studie des Beratungsunternehmen McKinsey steigert sich die Produktivität in der Bauindustrie jährlich zwischen null und einem Prozent. Übersetzt bedeute das beispielsweise, dass man zum Betonieren von einem Kubikmeter Decke immer noch gleich lange brauche, wie in den Jahren zuvor, so Rieder.

"Wenn man keine Produktionssteigerung hat, dass muss man jede Lohnerhöhung an die Kunden weitergeben",

so Rieders Schlussfolgerung. Und dass sei in den letzten 30 Jahren in der Baubranche der Fall gewesen. Die Lohnerhöhung stünden allen Mitarbeitern zu, diese beeinflussen folglich aber auch die Baukosten. Was Schuld an dieser Entwicklung ist? Schwer zu sagen. Das könne an handwerklichen Fähigkeiten, aber genauso an erhöhten Standards liegen, so Rieder.

Die Marktmacht der Großen

Apropos Standards: Für Rieder nehmen Standards und Regulierungen in Europa Ausmaße an, die kaum noch zu handhaben sind. 

"Man drängt durch Anforderungen, Regulierungen und Vorgaben mittlere Bauunternehmen aus gewissen Bereichen hinaus. Allerdings muss man dann auch wissen, dass man dadurch auch einen geringeren Wettbewerb hat,"

argumentiert Rieder. Als Resultat würde es dann nur sehr wenig "Große", immer weniger "Mittelständische" (ab 50 Mitarbeitern) und ganz viele "Kleine" geben.
Auch bei den Baustoffen ist es ähnlich. Die Marktmacht der Großen ist laut Rieder auch der Hebel, der es einigen Baustoffproduzenten ermöglicht, die Preise zu erhöhen und die Gewinne zu verdoppeln. An der Kritik, dass Einzelne als Trittbrettfahrer von der Krise profitieren, dürfte etwas dran sein, allerdings mahnt er vor Pauschalurteilen.

Wie man dem Fachkräftemangel begegnen kann

Auch die fehlenden Arbeitskräfte setzen der Baubranche zu. Die Lehrlingszahlen seien im Baugewerbe zwar wieder steigend, aber noch lange nicht auf dem Niveau wie vor 20 Jahren. Und da Roboter in der Baubranche nur schwer einzusetzen sind, brauche es eine Reihe an Maßnahmen. Rieder schlägt vor, die Arbeitskräftereserve, bestehend aus Arbeitslosen, Menschen in der Mindestsicherung und Teilzeitbeschäftigten, stärker anzusprechen. Auch über Zumutbarkeitsgrenzen müsse man diskutieren.

"Am Ende ist alles eine Frage, was wir als Gesellschaft zulassen,"

betont Rieder. Zudem hätten einige seiner bereits pensionierten Mitarbeiter gerne in Teilzeit weitergemacht. Allerdings durfte er sie nur geringfügig anstellen, da ihnen sonst die Pension gekürzt werde. Deshalb sieht er auch dort Handlungsbedarf.
Was die Migrationspolitik angeht, plädiert Rieder für eine qualifizierte Zuwanderung, wie es beispielsweise Australien schon seit Jahren mache. Er selbst habe bisher unterschiedliche berufliche Erfahrung mit geflüchteten Menschen gemacht. Oftmals sei weniger das handwerkliche Geschick ein Problem, sondern eher die Lebensgewohnheiten und die Arbeitseinstellung.

Der Fachkräftemangel sei nur mit einem Maßnahmenbündel in Griff zu bekommen, so WK-Vizepräsident und Tiroler Bauinnungsmeister Anton Rieder. | Foto: Christoph Klausner
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Wenn Angst zum Ressourcenverbrauch führt

Auch der Klimawandel geht nicht an der Baubranche vorbei. Global ist die Bauindustrie für rund 30 Prozent der CO2-Emissionen und für einen Ressourcenverbrauch von rund 40 Prozent verantwortlich. Bei der Gebäudeeffizienz hat sich laut Rieder in den letzten Jahren viel getan. Bei den "grauen Energien" – dazu gehört z. B. Zement, Stahl, Transport usw. – sei man aber noch eher schlecht. Rieder gibt ein prägnantes Beispiel: Vor drei oder vier Jahrzehnten brauchte man 50 Kilogramm Betonstahl pro Kubikmeter. Heute sind es 100 Kilogramm, obwohl alle Häuser von damals noch stehen, die Qualität der Baustoffe und auch die Berechnungsmethoden viel besser geworden sind. Diese Entwicklung sei lediglich auf Angst bzw. auf die übertriebene Vorsicht und auf industrielles Interesse gepaart mit Lobbyismus zurückzuführen. 

Hohe Fehlerquoten

"Global ist die Bauindustrie die größte Branche der Welt mit 13 Billionen Produktionswert pro Jahr",

so Rieder. Deutsche Studien gehen im Baugewerbe allerdings von einer Fehlerquote zwischen 12 und 15 Prozent aus. Rieder bezweifelt diese Zahlen nicht. Allein in Österreich gebe es einen Bauproduktionswert von rund 50 Milliarden. Das hieße, dass jährlich zwischen 6 und 7,5 Milliarden sprichwörtlich in den Sand gesetzt werden. Dabei sei ein großer Anteil auf sogenannte Prozessmängel (z. B. zu große Bestellungen, Fehler im Arbeitsablauf, etc.) zurückzuführen. Das abzustellen, werde nicht leicht. Laut der McKinsey-Studie soll es in den nächsten Jahren zu einer Transformation der Baubranche kommen. Demnach verschwinden künftig bis zu 45 Prozent der gesamten Bauwertschöpfung in andere Bereiche. Einerseits spielt die Digitalisierung eine Rolle, andererseits wird vieles auch in Fabriken vorproduziert werden.

Kritik an (Aus-)Bildung

Ob das Schul- und Bildungssystem in Österreich die Menschen wirklich auf das Leben vorbereitet, da hat Anton Rieder seine Zweifel. Seiner Meinung nach werden in den Schulen zu wenig praktische Dinge vermittelt. Was ein Pensionskonto oder ein Sozialversicherungsportal ist, könnte laut Rieder durchaus durch die Lehrkräfte vermittelt werden. Auch die Grundfertigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben würden nicht alle Schülerinnen und Schüler nach Abschluss verinnerlicht haben. Auch an den Universitäten sei manches zu hinterfragen. Die Disziplinen werden oftmals so sehr getrennt, sodass beispielsweise Architekturstudenten sich kein einziges Mal mit der Tiroler Bauordnung auseinandersetzen müssen.

Weitere Beiträge zu Bauprojekten im Bezirk Kufstein findest du hier.
Zur McKinsey-Studie geht's hier lang - eine Zusammenfassung findest du hier.
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