Spurensuche mit dem Smartphone: Memento Wien führt an die letzte Adresse von NS-Opfern
Wo Jüdinnen und Juden bis zu ihrer Deportation gewohnt haben, zeigt eine neue Website.
INNERE STADT. Rotenturmstraße Ecke Schwedenplatz: Die Tür zum McDonald's kommt nicht zur Ruhe, ständig gehen Hungrige hinein, kommen Gesättigte heraus. Dem typischen Fast-Food-Geruch entkommt man auch auf der Straße davor nicht. Was diese Alltagsszene aus der Wiener Innenstadt nicht verrät: Auch in diesem Haus wohnten Wiener Jüdinnen und Juden bis zu ihrer Deportation in ein NS-Vernichtunslager. Karl Krenberger wohnte hier, bis er 1940 nach Dachau deportiert wurde, wo er am 20. März 1942 gestorben ist. Oskar Burian wohnte hier und starb in Auschwitz, Ludwig Hirschler ebenfalls, er starb in einem unbekannten ungarischen Lager. Die Sterbedaten der beiden sind unbekannt.
Karl Krenberger hat im Eckhaus Rotenturmstraße/Franz-Josefs-Kai gelebt.
"Memento Wien" ist eine Website, die unter der Leitung des Dokumentationsarchivs für österreichischen Widerstand kurz vor dem Gedenktag anlässlich der Novemberpogrome am 9. November veröffentlicht wurde. Mithilfe von Geodaten zeigt die Karte den eigenen Standort und in welchen umliegenden Häusern jüdische und nichtjüdische Opfer des NS-Terrors gelebt haben. Neben den Namen werden auch weitere vorhandene Daten wie Geburtsort, -datum und Sterbort und -datum vermerkt. Quellen sind dabei die DÖW-Opferdatenbanken. Alte Abbildungen der Häuser aus verschiedenen Archiven, kurze Texte und Faksimile von Deportationslisten liefern zusätzliche Information.
Memento Wien verzeichnet sämtliche Opfer des NS-Regimes, von denen eine letzte Wohnadresse vor ihrem Tod im 1. Bezirk vermerkt ist. Das sind über 5.000 Personen, und bei einem Spaziergang mit Memento Wien durch die Innere Stadt wird diese Zahl bedrückend deutlich. Kaum eine Gasse, wo nicht ein oder mehrere Häuser von NS-Opfern bewohnt waren.
Die Website biete auch zusätzliche Informationen, etwa über sogenannte "Sammelwohnungen", in die Jüdinnen und Juden nach 1939 zwangsübersiedelt wurden, da es erlaubt war, ihnen fristlos zu kündigen. Sie mussten dann in kleinere und minderwertigere "Judenwohnungen" ziehen. In solchen Häusern, wie etwa in der Sterngasse, kam es zu einer Konzentration an jüdischen Bewohnern und es war für viele von ihnen die letzte Wohnadresse vor der Deportation. In der Sterngasse 3 sind bei Memento Wien 44 Namen verzeichnet, in der Sterngasse 11 sind es 123.
Sterngasse 3: Hier war die letzte Meldeadresse von 44 NS-Opfern.
Memento Wien versteht sich nicht als abgeschlossenens Projekt, vielmehr soll es auf weitere Wiener Bezirke ausgedehnt werden.
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