Eigenverantwortung versus Vollkasko-Mentalität

Expertenrunde diskutierte: Franz Hörl, Werner Senn, Leopold Saltuari, Hannes Parth, Christian Schenk, Peter Habeler, Andreas Ermacora und Serafin Siegele (v. re.).
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  • Expertenrunde diskutierte: Franz Hörl, Werner Senn, Leopold Saltuari, Hannes Parth, Christian Schenk, Peter Habeler, Andreas Ermacora und Serafin Siegele (v. re.).
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ISCHGL (otko). Sicherheit und Verantwortung am Berg und in der Natur sind in der laufenden Wintersaison nach einigen tragischen Unfällen Thema der öffentlichen Diskussion wie auch der medialen Berichterstattung. Über Lawinenunglücke, über Zusammenstöße auf Pisten und nicht zuletzt über die Fälle von Fahrerflucht wird täglich berichtet und es wird auch immer die Frage nach der Verantwortlichkeit gestellt.
In diesem Zusammenhang luden der Fachverband der Seilbahnen Österreichs und die Silvrettaseilbahn AG vergangenen Montag zu einem Kamingespräch zum Thema "Sicherheit und Verantwortung am Berg und in der Natur" auf die Idalp. Eine Runde von Experten aus verschiedenen Fachrichtungen sorgte für eine spannende Diskussion.

Versicherungsgesellschaft

Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwalt und Präsident des OeAV, wies darauf hin, dass bei Unfällen in Skigebieten nicht für alles jemand verantwortlich gemacht werden kann. "Man muss aber auch jeden einzelnen Fall genau anschauen und bei einer vorhandenen Haftung Ansprüche durchsetzen, da bei Unfällen das Leid der betroffenen Menschen dahinter steht", meint Ermacora in Bezug auf den medial stark diskutierten Fall in Seefeld. Für Werner Senn, Leiter der Flugpolizei und gerichtlich beeideter Sachverständiger für das alpine Unfall- und Flugwesen, gehört das Risiko am Berg einfach dazu, wobei viele aber nicht damit umgehen können. "Wenn etwas passiert werden immer Schuldige gesucht. Wir sind eine Versicherungsgesellschaft und es wird der Rechtsschutzversicherung übergeben", so Senn. Heute sei zudem eine andere Zeit und alles wird mit dem Handy mitgefilmt.

Veränderter Zeitgeist

Unfallchirurg Dr. Christian Schenk sieht auch ein Problem darin, dass die Pisten im Gegengensatz zu vor 40 Jahren immer besser werden. "Die Leute können aufgrund der schlechten Ausbildung den Ski nicht kontrollieren und fahren ein zu hohes Tempo. Dazu haben wir noch ein fantastisches flächendeckendes Hubschraubersystem", erläuterte Schenk. In dieselbe Kerbe schlug auch Extrembergsteiger Peter Habeler: "Es geht ums Können und ich brauche im Gebirge Respekt und Vorsicht. Der heutige Zeitgeist will aber unbedingt alles." Auch das geänderte Urlaubsverhalten trägt dazu bei. "Die Gäste habe keine Zeit mehr und sie wollen in vier Tagen alles machen", erklärte Hannes Parth, Vorstand der Silvrettaseilbahn AG. "Viele glauben, dass sie an einem Wochenende zum Freerider werden", ergänzte Senn.

Respekt vor dem Berg verloren

Auf die Frage von Moderator Charly Zanon, ob Helme, Protektoren und passive Sicherungsmaßnahmen probate Mittel für den Freizeitspaß seien, gab es unterschiedliche Meinungen. Neurologe Univ.Prof. Dr. Leopold Saltuari betonte, dass Helme und Protektoren sinnvoll seien, aber nicht vor allen schweren Verletzungen schützen. "Trotz Helm bleibt das Gehirn verwundbar. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass wir mit den Schutzmaßnahmen mehr Risiko auf uns nehmen", verwies der Neurologe.
Einig war sich das Podium, dass mit dem Carvingski generell zu schnell gefahren wird. "Der Gast macht sich keine Gedanken über die Sicherheit und wir können nicht alles absichern und abzäunen. Wir brauchen auch keine Pistenpatrouille – es fehlt dafür die rechtliche Handhabe", meinte Serafin Siegele, Pistenrettungschef der Silvrettaseilbahn AG. Für Vorstand Hannes Parth sind die Vorgaben ausreichend: "Freizeitsport soll Freizeitport bleibt und wir müssen auf die Eigenverantwortung hinweisen." Gegen eine gesetzliche Helmpflicht sprach sich der oberste Seilbahner Franz Hörl aus. OeAV-Präsident Ermacora stimmte zu: "In Anbetracht der Tatsache, dass so viele Leute unterwegs sind, passiert nicht so viel. Wir brauchen keine gepolsterten Pisten und die FIS-Regeln sind ausreichend."
Laut Dr. Schenk verletzt sich statistisch von 2.000 Skifahrern einer. "Es gibt einige schwarze Schafe und die Brutalität bei einigen Fällen von Fahrflucht ist bedenklich", zeigte Habeler auf. Zum Schluss stellten Vorstand Parth und Rechtsanwalt Ermacora fest, dass in der österreichischen Rechtsprechung großen Wert auf Eigenverantwortung gelegt werde.

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