GALTÜR - Versuch einer Betrachtung

"...wenn man am Berg oben steht und runterschaut aufs Dorf und feststellt, wie groß der Berg und wie klein das Dorf unten ist - dann kehrt tatsächlich Demut ein..."
Anton Mattle, Bürgermeister von Galtür | Foto: Martin F. Riederer privat
  • "...wenn man am Berg oben steht und runterschaut aufs Dorf und feststellt, wie groß der Berg und wie klein das Dorf unten ist - dann kehrt tatsächlich Demut ein..."
    Anton Mattle, Bürgermeister von Galtür
  • Foto: Martin F. Riederer privat
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Das Déjà-vu in diesem Januar
Eine Lawine an Berichten, Bildern, filmischer Vergegenwärtigung und Kommentaren zum 20-Jahr-Jubiläum ist da in den letzten Wochen über uns herein gebrochen.
Bemerkenswert, dass mit den starken Schneefällen im Januar die einstmalige Katastrophe im Paznaun als Déjà-vu in den Focus der Berichterstattung geriet.
Wer glaubte, dass die aufmerksame Begleitung und das treue Gedenken in Galtür nach zwanzig Jahren zu einer Beruhigung in Sachen Lawinenkatastrophe geführt hätte, wurde eines anderen belehrt.
Wie seinerzeit in den Februartagen, so suchten die Kamerateams deutscher Privatsender und die unseriöse Sensationsjournaille nach dem besonders Katastrophalen. Wie Geier über geschwächten Tieren, so kreiste das sensationsgierige Info-Geschwader über dem Paznaun – immer auf der Suche nach dem Exklusiven, stets bereit für ein neues Desaster…
Nichts passierte! Fast nichts!
Denn die Berichterstattung und die Schlagzeilen in der deutschen Medienlandschaft waren zum Teil ja durchaus desaströs und schädigend…
Wer Galtür nur aus dem Blickwinkel des Katastrophalen, aus meteorologisch-wissenschaftlicher und psychologischer Sicht betrachtet, der sieht zu wenig.

Der "Weg" in die Katastrophe

Viele von uns hier wissen, dass Galtür sich langsam auf den Bildschirm der Geschichte schrieb…
In den Wochen davor hatten wir das Off – and - On der Zufahrt ins Paznaun erlebt. Ganz deutlich erinnere ich mich an die versorgenden Dienste der Zammerinnen und Zammer für die in der Turnhalle einquartierten gestrandeten Touristen und an die vielen sorgenvollen Gespräche über die Wetterkapriolen vor der Lawine.
Als das Unsägliche und Unvorstellbare dann geschah, waren wir eigentlich darauf eingestellt und vorbereitet. In Überlegtheit und Ruhe wurden die Vorbereitungen am Krankenhaus getroffen – und jeder – gar jede und jeder – vom Direktor bis zum Schreibkraft, vom Primar bis zur Putzfrau, von der Ordensgemeinschaft bis zum Küchenpersonal – alle waren bereit zum Dienst.

Die Lawine lehrte uns Demut

DEMUT nennt man diese Dienstbereitschaft -  diese einfühlsame Bodenständigkeit - mit einem alten, kirchlich klingenden Wort.
Galtür hat uns alle sehr demütig gemacht. –
Galtür hat uns am Krankenhaus St. Vinzenz und im ganze Land zusammen rücken lassen und die Hilfsbereitschaft bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit und die Solidarität zwischen Einheimischen, Touristen und Nachbarländern gestärkt.
Galtür, das war und ist auch der Ausweis größtmöglichen Zusammenhalts, Mitgefühls und unkomplizierter Lösungsversuche nah am Menschen im Dorf selber, in der Kaserne in Landeck, im KH St. Vinzenz in Zams und auch bei den Verantwortlichen in Innsbruck und in Wien.
Galtür das ist auch – und besonders - eine Geschichte des Glaubens und der Kirche, zuvorderst der Pfarrer und der Diakon von Galtür, der gesamte Klerus des Dekanats Landeck, der damalige Bischof Kothgasser, die Barmherzigen Schwestern von Zams und die Krankenhausseelsorge haben in diesen Tagen - wo immer sie konnten – die Sakramente gespendet, mit geweint, geholfen, begleitet, gebetet, Obdach gegeben, finanziell unterstützt und unkompliziert Bereitschaft zu Neuem bewiesen.
Galtür wurde so - gerade in der Zusammenarbeit zwischen Psychologen und Krankenhausseelsorge in Zams - zur Geburtsstunde der österreichischen Notfallseelsorge und Krisenintervention. Mitten aus dem Leid und Schmerz dieser Tage entstanden Perspektiven zu neuer, umfassender Hilfe.
MR Dr. Walter Köck – damaliger Arzt in Galtür - schließt seinen zusammenfassenden Bericht über die „Lahna“ als gläubiger Mensch, ohne Klage und ohne Sensation: „Wir werden noch lange trauern um die Toten des Dorfes und um die Gäste, die bei uns starben. …uns alle hat die Lawine gewandelt, fest zusammengeschweißt, um Erfahrungen reicher gemacht. Dies und das Gedenken an die Verstorbenen wird uns trotz 31 Gräbern die Kraft geben, mit Gott in eine gute Zukunft zu gehen…“
Ja – auch und gerade das war und ist Galtür!

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