Krampus forever - wenn Maß und Ziel verloren gehen

Was los ist hinter den Krampusmasken... ---

Wie Pilze aus dem Boden schießen die Krampusvereine landauf landab. Mit dem Anspruch, die Tradition zu pflegen, finden vor allem junge Menschen hier einen Platz. Mit viel Einsatz, Phantasie und Zeitaufwand wird versucht, die Krampustradition in Events zu übersetzen. Gemeinschaftserfahrung und Engagement sind groß und bewundernswert. Showeinlagen, artistische Höchstleistungen, Rauch-, Feuerwerk- und Lichtspiele werden in mehr oder weniger lautstarker Form ineinander verwoben. So wurde die Krampus-Kultur zu einem der großen Unterhaltungsschlager in den Monaten November und Dezember. Wer etwas auf sich hält, der lässt spätestens in der zweiten Novemberhälfte die Tuifl tanzen und gibt den Krampellern einen Rahmen zum Austoben. Und während die Glocken der Dorfkirche immer störender und vergeblich zum Gottesdienst einladen, entfaltet sich das Spektakel auf den Straßen und Plätzen zum kollektiven Spaß.

Nachgedacht

Nachdenklich macht dabei, dass so unglaublich viel Aufmerksamkeit und Zeit von Unzähligen für die Zeichen des Hässlichen, des Dämonischen und fratzenhaft Bösen eingesetzt werden. Der Krampus, der in unseren Breiten sein Wirkungsfeld im Schatten des Nikolaus hatte, tritt völlig losgelöst und wochenlang von Ort zu Ort auf. Dabei ist die Show gewaltig und die Lust am Schrecken und Erschrecken unbändig groß und altersübergreifend. In der ursprünglichen Tradition hatte der Nikolaus das Sagen und sein Wort schaffte Ordnung und war bindend. Der große Bischof ist die Lichtgestalt des Guten, der sorgenden Aufmerksamkeit und des bedingungslosen Schenkens. Der starken Kraft des Guten mussten sich die Mächte der Finsternis, der Kälte und des Bösen unterwerfen. Das schaffte Sicherheit im winterlichen Spiel. Klare Ansage, klare Begrenzung, klare Sicht.
Die Ausrichtung war klar auf das Gute hin.Tratzen durften die Krampeller kurz und ausgiebig. Das Wort des heiligen Nikolaus bannte ihre Macht. Gehorsam und brav mussten sie ablassen von ihrem Treiben.
In den Krampus- und Tuifl-Aufmärschen hat der Nikolaus immer seltener einen Platz. Das Gute wird einfach ausgeklammert: Grenzenlose Freiheit kommt den ungeordneten, zotteligen Gestalten des Schreckens und der Finsternis zu. Da werden Ober- und Unterteufel erkennbar und der große, schreckliche Krampus kommandiert die niedlichen Kleinen. Es gibt kein Ende des Klamauks und des Schreckens. Die Lust und der Spaß am Bösen werden grenzenlos. Das Happy-End bleibt aus, geht auf im bunten Feuerwerk oder unter im Dampf der Nebelmaschinen und im wohligen Glühwein-Schwips.

Das Böse wird zur Endlos-Wirklichkeit.

Darin spiegelt sich in überraschend klarer Weise die Alltagserfahrung dieser Generation: Nicht das Gute ist obenauf und macht Schlagzeilen, sondern die Lust am Bösen. In einer Welt, in der es gilt, die Ellbogen einzusetzen,
um möglichst schnell nach oben zu kommen… In einer Welt in der mit Geld alles machbar scheint und sei es noch so abwegig oder böse...
In einer Welt, in der die Religion verloren hat, wegen des Versagens ihrer Vertreter und zusätzlich durch üble Propaganda…
In einer Welt in der nicht mehr die Wahrheit interessiert und zählt,
sondern die von Reichen und Schönen am besten und unterhaltsamsten vorgebrachten Lügen…
In einer Welt, in der sich Verantwortungsträger die eigenen Taschen schamlos voll machen und beim Hilfsarbeiterlohn oder dem Rentenanspruch der Alten sparen wollen…
In einer Welt, die den Reichen huldigt, Geiz als geil verinnerlicht hat
und den Armen noch hinterher tritt…
In einer Welt in der viele die Wirklichkeit und sich selbst nicht mehr aushalten, sich spaßbetont am Wochenende weg beamen müssen und in Unterhaltung, Alkohol oder Süchten bis zur Betäubung gehen...
in einer solchen Welt ist das Gute eine verstaubte, langweilige Nebenerscheinung,
bleibt die Stimme der sorgenden Vernunft leise, mehr und mehr ungehört,
weil mühsam und "moralisch".
Ja, in einer solchen Welt müssen die Krampeller einen Endlos-Tango tanzen auf der Straße bis zur Atemlosigkeit und dürfen kein Morgen kennen.

Viel los - vor lauter Losigkeiten

Die Krampus-Welle, die übers Land schwappt ist nur das Echo auf den Tsunami der vielen „Losigkeiten“: Bindungslos, arbeitslos, haltlos, maßlos, verantwortungslos, religionslos, gottlos,gesetzlos, schonungslos, lieblos…
„Losigkeiten“ gibt es viele – viel zu Viele in diesen Tagen.
Die Krampusse halten uns auf unterhaltsame und erschreckende Weise vor Augen, dass uns der Nikolaus abhanden kommt. Die Gefahr, dass wir das Maß und die Stimme des Guten und das Interesse an der Wahrheit verlieren, geht durch alle Schichten und Gruppen, spürbar in Medien und Alltagstratsch. Alles unter dem Etikett der Tradition - fröhlich lachend, unterhaltsam.
Ob wir hinter dem Spaß an den Fratzen auch den Ernst dessen sehen,
was mit uns "los" ist?
Ob die Not hinter mancher Unterhaltung wohl auch entdeckt wird?

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