Dem Leben trauen – weil Gott uns sucht

Die Geburt Jesu in Bethlehem stellt einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte dar. Gott steigt herab, um den Menschen in seiner Würde aufzuwerten.
  • Die Geburt Jesu in Bethlehem stellt einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte dar. Gott steigt herab, um den Menschen in seiner Würde aufzuwerten.
  • hochgeladen von Martin Frank Riederer OPraem

Gedanken zum 4. Adventsonntag

Vor Kurzem hat man mich gefragt, was ich über Christen denke, die nur zu Weihnachten, also einmal im Jahr, in der Kirche auftauchen – im Pfarrer-Jargon auch U-Boot-Christen genannt? –
Ich freue mich darüber, denn das ist, augenzwinkernd sei es gesagt, auch eine Form der Regelmäßigkeit.
Weihnachten und Ostern erweisen sich in unserer Gesellschaft noch immer als die besten Medien. Damit sind sie gute Chancen, zu verkünden, was den Kern der Weihnachtsbotschaft und von Ostern ausmacht: Neues Leben!

Jedenfalls: „Wo Weihnachten drauf steht, muss Jesus drin sein.“

Sonst wäre das Fest für alle Mitfeiernden nur eine sentimentale Erinnerung;
ein von Coca Cola gesponsertes Märchen vom alten Mann am Nordpol in Rot mit Rentierschlitten oder Cola-Truck --- im letzten also eine konsum-einladende Mogelpackung.

Ja - die Botschaften von der Menschwerdung Gottes und von der Auferweckung von den Toten bleiben für den Normalbürger eine Zumutung.
Die Frage lautet doch:
Da soll, in der Person und Gestalt eines Jesus aus Nazareth, Gott menschliche Wirklichkeit geworden sein? Unglaublich!

In den Erzählungen vom Unterwegssein, der Herbergsuche, der Geburt in einem Stall, kommt sehr deutlich zum Ausdruck, was die Menschwerdung Gottes soll: Menschen, die am Rande der Gesellschaft, heute würden wir auch sagen, am Rande der Kirche stehen, wird ein Reich Gottes, ein Land des Friedens und der Gerechtigkeit angesagt.
Es soll im Leben eines jeden Einzelnen Wirklichkeit werden,
auch im Leben des U-Boot-Christen, der einmal im Jahr im Gottesdienst auftaucht. Wenn uns das gelingt, wäre sehr viel gewonnen.

Ein zweites: Ein Gott, der unter uns Mensch wird, verändert unser Menschen- und unser Gottesbild von Grund auf.

Der Mensch bekommt einen neuen Wert, eine besondere Würde,
die er in vielen Teilen der Welt noch immer nicht hat.
Diese Würde wurde in keiner anderen religiösen Überzeugung so deutlich gemacht wie im Christentum.
Der erste Korintherbrief spricht sogar vom Menschen als einem Tempel Gottes: „Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ (3,17).

Jeder Mensch ist also ein heiliger Ort. Das schärft unseren Blick auf unsere Mitmenschen, besonders auf jene,
die unter Vorurteilen verschiedenster Art zu leiden haben.
Besonders auf die, die Opfer geworden sind -
Opfer von Spott und Mobbing,
Opfer von Missbrauch und Ausnutzen,
Opfer einer Zeit, die in der Unsicherheit des Tages
und der Ängste in der Nacht zur Flucht einlädt.
Auch in diesen Menschen wohnt Gott, vielleicht sogar bevorzugt.
Wir sollten sie nicht leichtfertig übersehen.

Gertrud Praxmarer - Kämpferin für das Leben

Seit 20 Jahren denke ich in diesem Monat Dezember an eine besondere Frau.
sie hat viel Zeit ihres Lebens der Fürsorge für andere gewidmet.
zunächst ihrer Familie und dann –
als es notwendig wurde und möglich war, -
den Opfern der Atomkatastrophe von Tschernobyl.
Gertrud Praxmarer gehörte zu den engagierten Mitgliedern einer Gruppe,
die den Kindern von Tschernobyl Hoffnung, Leben und Zukunft ermöglicht haben.
Nicht mit schönen Worten, sondern in der Tat:
"Tirol hilft den Kindern von Tschernobyl."
Bis heute kommen Strahlenopfer aus Weißrussland im Sommer nach Tirol,
werden von Dr. Knabl im Krankenhaus St. Vinzenz untersucht,
medizinisch begleitet und in unserer schönen Natur bei Familien aufgepäppelt.
Welch eine heilsame und würdige Initiative.
Gertrud Praxmarer war selbst sehr schwer an Krebs erkrankt, als sie vor 20 Jahren noch einmal mit Dr. Knabl aufbrach, um die Kinder für den Sommer 1997 persönlich auszuwählen. Nach diesem Liebesdienst musste sie sich auf ihren letzten irdischen Weg begeben.
So habe ich sie am 1. Dezember 1996 kennen gelernt
und sie innerhalb einer Woche ganz besonders erlebt…
Am 8. Dezember 1996 hat Gertrud ihre Kinder nach Kaltenbrunn
zur Nachmittags-Messe geschickt…
um dann in den Armen ihres Mannes während dieser Heiligen Messe zu sterben.
Ich durfte diese Frau und ihre Familie nicht nur kennen lernen,
sondern auch begleiten – dabei sein bei ihrem Sterben
und in all den Jahren ihre Begleitung erfahren…
Jeder Mensch ist ein heiliger Ort.
Lasst uns das bedenken und etwas Ehrfurcht tanken -
vor- und füreinander -
aber auch für unser eigenes Leben.

Auch in der dunklen Nacht der Verzweiflung: Gott ist da!

Der Jesuit Pater Alfred Delp, im Februar 1945 haben ihn die Nazis umgebracht, hat uns zu unseren Überlegungen gute Worte hinterlassen. Aus seinen Erfahrungen in Lagern und Gefängnissen, sagt er, Gott ist „auf unseren Straßen anzutreffen. In den dunkelsten Kellern und einsamsten Kerkern des Lebens werden wir ihn treffen.“

Zum neuen Gottesbild noch einige Worte: „Gott ist im Fleische, wer kann dies Geheimnis verstehen?“, singen wir an Weihnachten. Dieser unsagbare und unnahbare Gott der Geschichte wird handgreiflich.
Er macht uns durch Jesus vor, wie das Leben gelingen kann, selbst wenn es durch das Leiden in den Tod führt. Er macht das Leben so menschlich, dass die Leute von Jesus im Gegensatz zu dem Asketen Johannes dem Täufer, sagen und ihm vorwerfen: „Er isst und trinkt, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Sünder und Zöllner“ (Mt 11,18).
Bitte -
bitte vergesst das ja nie!
es möge Euch vor jener letzten Dunkelheit
und leidvollen Entschlossenheit bewahren,
die Andre und Martin dazu verleitet haben, eine vernichtende Abkürzung zu nehmen
und ihr eigenes wertvolles, geliebtes Leben geringer zu achten
als die momentane Schwierigkeit, den Augenblicks-Befund.
Ja – Selbstmord ist eine Möglichkeit ---
aber keine Lösung von Problemen,
sondern die schmerzhafte Flucht davor und der schlimmste aller Lösungswege -
weil so viel an Ungesagtem, Ungelöstem, Ungelebtem den Hinterbliebenen
das Leben doppelt schwer macht.
Es ist nicht bei mir zu beurteilen oder gar zu verurteilen.
aber aus eigener Lebens- und Angst-Erfahrung möchte ich euch ermutigen,
die Blickrichtung und Sichtweise einer Gertrud Praxmarer zu bewahren.
Auch im größten Schmerz,
in der ausweglosesten Krankheit,
bis zum letzten Atemzug gibt es eine Aufgabe,
einen Platz,
einen Dienst, den du tun kannst –
ein Tun, dass dein und unser Mensch-Sein
menschlicher macht und das Leben stützt:

Mit Pater Delp rufe ich Euch an diesem Jahrtag von Andre zu:
„Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste.
Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht mehr allein zu leben haben,
sondern Gott es mit uns lebt.“

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