Heute ist dein Tag - sei wachsam

Predigt gegen den Populismus und gegen allzu billige Lösungen

Im Namen Gottes achte gut auf diesen Tag.
Achte gut auf die Menschen,
sie sind dir anvertraut.
Jeder neue Tag ist dein Leben.
Er ist ein Geschenk für dich.
Heute ist dein Tag.
Sei dankbar
und freue dich über die Sonne am Morgen.
Lebe im Frieden mit dir
und finde zur Ruhe in der Nacht.
Sei gesegnet und werde zum Segen allen,
die dir heute begegnen.

Achte gut auf diesen Tag.

Der Kerngedanke dieses Gebetes stammt aus dem Sanskrit, der altindischen Literatursprache, und ist einige tausend Jahre alt.
Um diesen Tag geht es Jesus im heutigen Sonntags-Evangelium:
Gebt acht. Lasst euch nicht täuschen und verführen.
Das Gestern ist unwichtig. Daran kann keiner mehr was ändern.
Warum also sich Gedanken machen;
es sei denn, wir müssten etwas gut machen,
damit es uns nicht über die Tage belastet.
Auch die Zukunft soll uns nicht mit Sorgen und Ängsten niederdrücken.
Das, was heute ist, ist das Entscheidende.
Gerade das Kommende,
bei Naturkatastrophen angefangen bis hin zu Kriegen,
wurde und wird gerne zu religiösen oder politischem Kapital gemacht
und damit für eindeutige Zwecke missbraucht.
Weit mehr noch als kirchliche Kreise betreiben vor allem Sekten
und die Populisten dieses Spiel, um Menschen kurzfristig zu gewinnen und langfristig zu enttäuschen.
Denken Sie nur, wie aufwieglerisch von der Invasion durch Flüchtlinge im letzten Jahr gesprochen und die Überflutung unseres Landes beschworen wurde.
Nicht von Menschen, die aus Krieg, Leid und Elend flüchten mussten war und ist da die Rede, sondern von Fluten, Massen und Invasoren. Wenn dann die Angst geweckt und geschürt ist, dann kann der Retter, der Messias verkündet werden: Panikmache, Schuldzuweisung und dann schwuppdiwupp: Strahlemann und Retter… So läuft das bei den Populisten.
In dem grausig-sektiererischen "Anderlboten", der in dieser Woche in der Mutterhauskirche von zwei Landecker Frauen mit Wahlpropaganda für Herrn Hofer verteilt wurde, malt man Gottes Rache und Strafe an die Wand – um dann die alte, tridentinische Messe, das Anderle von Rinn und den Judenhass mitsamt einer Kommunistenhatz als rettende Maßnahmen zu präsentieren…
und – richtig: Der Herr Hofer wird in diesem Zusammenhang als Messias angepriesen! Van der Bellen wählen als „sündhaft“ bezeichnet.
So einfach kann man sich die Welt reden und so dumm kann der Mensch sein.
Nun:
Gott äußert sich weder in Blitz und Donner, wie man uns das als Kinder weisgemacht hat und wie es die ewig Gestrigen uns manipulativ weismachen wollen.
Er rächt sich keineswegs im zerstörerischen Erdbeben in Italien oder den Anschlägen durch Terroristen.
Viel treffender ist die Feststellung aus dem Buch der Sprichwörter: Die Freude Gottes ist es, „bei den Menschen zu sein“ (8,31). Gott ist unser Heute. Und damit sind wir wieder bei dem Gebet, das wir durchaus jeden Tag, am besten am Morgen, sprechen könnten.
Dieses Gebet lässt uns indirekt fragen:

Was will Gott heute von uns?

Die Antwort ist so bunt und vielfältig wie jeder Tag:
Sich mit frohen Menschen zu freuen,
den Trauernden helfen ihr Leid zu tragen,
Kindern herzlich begegnen,
Fremden das Gefühl von Heimat und Geborgenheit schenken.
„Achte gut auf die Menschen, sie sind dir anvertraut“, fasst unser Gebet zusammen.
Dann wird Gott nach einem Erdbeben oder dem grauenhaften Anschlag in der Welle der Solidarität, die von Menschen bewegt wird, gefunden. Dann werden die Toten im Mittelmeer dadurch geheiligt, dass wir mithelfen, die bürokratischen und unmenschlichen Blockaden der Europäischen Union aufzubrechen.
Dann werden wir keine Ängste vor Muslimen entwickeln, unter Umständen sogar Feindschaft, sondern uns an ihr Lieblingswort Allahu Akbar, erinnern, das wir
- Muslime wie Christen - gemeinsam und mit einem ganz anderen Klang sprechen können: Gott ist groß.
Kurz: Wir lassen uns an die Liturgie des Gründonnerstags erinnern, in der uns gesagt wird: „Wo die Liebe wohnt und die Güte, da ist Gott!“ Mit diesem Wort hört die Welt für uns auf nur Oberfläche zu sein. Unser Tag, jeder Tag, erfährt daraus seine verwandelnde Kraft. Gottes Sprache ist das Leben selbst, das wir ständig neu erfahren, wenn wir auf unseren Tag achten, besser gesagt, wenn wir Leben in unseren Tag bringen und nicht, wie das leider zu oft geschieht, nur den Tag ‚verbringen’.

Leben in die Tage zu bringen

Das heißt Gott zulassen auf seine liebevolle und unaufdringliche Weise. Auch das macht den Unterschied zu religiösen Gemeinschaften, Sekten und Populisten deutlich, die Gott lauthals beschwören und geradezu benutzen, ja ihn gewaltsam herbeizwingen wollen. Das ist Gott nicht. Wir begegnen und erfahren ihn eher im Schweigen.
Dann erfahren wir auch, dass wir nicht alles sein und nicht alles machen müssen. Auch das gehört zu unserem Heute und zu unserem Gebet. Gott beschränkt sozusagen unseren Weg, damit wir ganz der oder die sein können, wie wir sind. Gott wird uns nicht danach beurteilen, ob wir große Heilige geworden sind, aber wir werden uns fragen lassen müssen, ob und in welchen Maß wir der Mensch waren; der Riederer, die Kätzler oder der Maier.
Damit kommen wir zum letzten Punkt unseres Gebets: Zum Schlaf.

Schlafe, damit du wachsam sein kannst.

Nach Karl Rahners Theologie der alltäglichen Dinge, ist der Schlaf ein Vertrauensakt in Gottes Weltordnung. Mag sein, dass deswegen viele Menschen nicht einschlafen und durchschlafen können, weil ihnen dieses Vertrauen fehlt? Es mag dann eine Hilfe sein, den Tag in Gottes Hände zu geben, also alles, was sich an diesem Tag ereignet hat, Gutes wie Schweres, aus der Hand zu geben.
Gott ist groß. Er ist der Herr über Zeit und Ewigkeit. Darum können uns die Trumps und Erdogans, die Assads und Le Pens dieser Welt nicht den Schlaf rauben. Denn wir brauchen unsere Kraft um schon morgen den Schreiern und Volksverhetzern im eigenen Land widerstehen und Sprachrohr der Armen und Entrechteten sein zu können. Darum:
Sei dankbar
und freue dich über die Sonne am Morgen.
Lebe im Frieden mit dir
und finde zur Ruhe in der Nacht.
Sei gesegnet und werde zum Segen allen,
die dir heute begegnen.

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