Historiker schlägt Wolfsbergs dunkelstes Kapitel auf
Der Historiker Alexander Verdnik (33) arbeitet in seinem neuesten Buch "Wolfsbergs dunkelstes Kapitel" die NS-Herrschaft im Lavanttal auf.
petra.moerth@woche.at
ST. MARGARETHEN. Der 33-jährige Lavanttaler Historiker Alexander Verdnik schließt mit seinem neuen im kitab-Verlag erschienenen Buch "Wolfsbergs dunkelstes Kapitel. NS-Herrschaft im Lavanttal" eine Forschungslücke. Mit Hilfe von Aufzeichnungen aus Archiven und Gesprächen mit Zeitzeugen spürt Verdnik den gesellschaftlichen Phänomenen der Zeit zwischen 1934 und 1948 in der Region auf.
"Es ist schon bemerkenswert, dass es in einer österreichweit nicht so tragenden Ortschaft wie Wolfsberg bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts drei Lager gegeben hat. Da fragt man dann warum und wieso", schildert Alexander Verdnik, der sich sowohl in seiner Diplom- als auch in seiner Doktorarbeit an der Karl-Franzens-Universität in Graz mit dem Nationalsozialismus in Kärnten beschäftigt hat, seine Herangehensweise.
Mit der Bahn sehr gut erreichbar
"Wolfsberg hatte durch seine Bahnverbindung eine strategisch extrem gute Lage", begründet er die Existenz des für sein Buch bedeutenden Gefangenenlagers Stalag XVIIIA (1939-1945) und des Internierungslagers 373 Detention Camp (1945-1948) mit der verkehrstechnischen Infrastruktur.
In den Kriegsjahren fristeten tausende Kriegsgefangene im Stalag XVIIIA ein Leben zwischen Lagerkoller und Zwangsarbeit. Aufgrund der NS-Rassenvorstellungen widerfuhr besonders den sowjetischen Gefangenen unsägliches Leid. "Für sowjetische Gefangene war das ein Konzentrationslager. Kein Vernichtungslager, aber auf jeden Fall ein Konzentrationslager. Die hat man durch systematisches Arbeiten getötet", weiß Verdnik.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft stießen die Briten auf chaotische Zustände. Durch Entnazifizierung und Internierung ehemaliger Nationalsozialisten im 373 Detention Camp versuchten sie, diese zu ordnen. Was aber nicht flächendeckend gelang, weil vereinzelt Unbelehrbare weiter „Herrenmenschen“ spielen wollten.
NS-Gedankengut verbreitet sich in Windeseile
Viel mehr interessiert den jungen Historiker aber die Frage, warum der Nationalsozialismus im Lavanttal, in dem es keine Slowenen und kaum Juden gab, überhaupt auf so fruchtbaren Nährboden gestoßen ist. "In keinem anderen Bezirk Österreichs waren die nationalsozialistischen Juliputschisten erfolgreicher, in keinem konnten sie sich länger halten als im Lavanttal. Zu diesem Zeitpunkt ist im Lavanttal schon Potenzial für den Nationalsozialismus da, es wurde über Turnvereine und Stammtische in der Bevölkerung weiter verbreitet."
Auf die Machtergreifung im März 1938 waren die Wolfsberger Nationalsozialisten bereits lange zuvor eingeschworen worden und - sie konnten sich auf den Rückhalt der Bevölkerung stützen. Zur Festigung des Antisemitismus beriefen sie sich auf Jahrhunderte alte Legenden und legitimierten damit die Vertreibung aller Juden aus dem Tal. Politisch Oppositionelle wurden verfolgt, gefangengenommen und ihres Vermögens beraubt.
Kein ins Lavanttal importiertes Phänomen
"Ich bin relativ schnell drauf gekommen, dass es unter den Lavanttalern schon ein Erinnern gibt, aber kein Bewusstsein, dass die Ereignisse aus dem Gedächtnis verdrängt wurden, weil es eben wie der Titel vom Buch schon sagt, Wolfsbergs dunkelstes Kapitel ist", sagt der Autor, der mit diesem Buch auch Verortung von Erinnerung betreiben und neues Gedenken anregen möchte. Das Werk widmet sich dem dunkelsten Kapitel der Lavanttaler Historie und zeigt auf, dass es sich beim Nationalsozialismus nicht um ein importiertes Phänomen handelte. Vielmehr haben die einheimischen Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Ortsbauernführer, Funktionäre, Beamte sowie Aktivisten der Bewegung die Verantwortung für den NS-Terror getragen.
Sprayaktionen im Lavanttal in jüngster Zeit
Im Schlusswort spannt Verdnik anhand von zwei Beispielen, die zeigen, dass die Gefahr, die vom NS-Gedankengut ausgeht keinesfalls gebannt ist, den Bogen in die Gegenwart. Dabei skizziert er unter anderem Sprayaktionen mit Hakenkreuzen, SS-Symbolen und NS-Parolen in Bad St. Leonhard im Juli 2008 und in Wolfsberg im Mai 2011.
"Gesellschaftliches Außenseitertum, Erfolgslosigkeit und die damit verbundene Frustration drängen junge Menschen oft nicht nur an den Rand der Gesellschaft, sondern zusätzlich auch in die Fänge der Rechtsextremisten. Die Diskussion um die ungeklärte Flüchtlingsfrage trägt innerhalb der Bevölkerung verschiedenste Meinungen zu Tage. Viele sind leider zu tiefst beschämend. Dies ist aber ein anderes Kapitel und eine weiterreichende Reflexion muss an dieser Stelle ausbleiben", schließt der junge Historiker sein Werk.
ZUR SACHE:
Alexander Verdniks Buch "Wolfsbergs dunkelstes Kapitel. NS-Herrschaft im Lavanttal" ist im Klagenfurter kitab-Verlag erschienen.
Das 275 Seiten starke Werk mit einigen Abbildungen ist im Buchhandel ab sofort zum Preis von 22 Euro erhältlich.
Der am 11. Mai 1982 geborene Lavanttaler aus St. Margarethen bei Wolfsberg absolvierte nach der Matura am Stiftsgymnasium St. Paul ein Geschichtestudium mit anschließendem Doktorrat an der Karl-Franzens-Universität in Graz.
In seiner Freizeit fährt der junge Lavanttaler Historiker gerne mit dem Fahrrad oder er boxt zuhause gegen einen Sack.
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